Roger Grolimund, sind Sie sportlich?
Roger Grolimund: Ich war früher eine richtige Sportskanone, getrieben von einem ADHS-Turbo. Judo, Biken, Schwimmen, Skifahren, Snowboarden und Skateboarden. Sex habe ich erst später entdeckt, aber dann natürlich schnell lieben und schätzen gelernt.
Und Sie, Herr Arnold?
Martin Arnold: Meine Freundin sagt, ich sei total sportlich. Meine ehemaligen Tennispartner finden das überhaupt nicht. Man kann es nie allen recht machen. Aber lieber so als andersrum.
In der neusten Kampagne des Jugendpräventionsprogramms GummiLove geht es laut einer Mitteilung um den «geilsten Sport der Welt». Meinen Sie Fussball oder Eishockey?
Grolimund: Fussball mag auch cool sein. Aber mit dem geilsten Sport ist Sex gemeint. Sex ist eine sehr gesunde Form der körperlichen Bewegung. Sex ist gut für den Rücken, fürs Herz, für die Ausdauer und hilft uns, Stress abzubauen, weil es kein leistungsbezogener Sport ist. Sex hat noch eine ganz andere, intimere Qualität. Aber wie beim Sport geht es auch beim Sex um Fairplay, die passende Wahl der Trainingspartnerin oder des Trainingspartners, die richtige Ausrüstung und das nötige Wissen.
Sie zeigen in Spots Sportlerinnen und Sportler beim Sex, ohne sie beim Sex zu zeigen. Wie kam es zu dieser Idee?
Arnold: Die Idee entspringt direkt der Marke, die viel über Freestyle- und Fun-Sportarten kommuniziert. Die Jugendlichen werden mit ihren Hobbys abgeholt, merken dann aber ziemlich schnell, wohin der Hase läuft. Es entsteht das sprichwörtliche Kino im Kopf. Pingpong und SUP macht auch Spass, aber im wahrsten Sinne des Wortes ist Sex geiler. Deshalb gehen unsere Skater ihrem Board auch mal fremd.
Sie sind quasi Pornoproduzenten, ohne einen Porno gedreht zu haben …
Grolimund: Ich denke, unsere Präventionskampagne unterscheidet sich auf den ersten Blick von Pornos. Der Film hätte auf Pornoseiten wohl kaum Erfolg. Sie sprechen mit Ihrer Frage aber einen wichtigen Punkt an. Leider sind die Pornoseiten für Jugendliche viel zu leicht zugänglich. Sexualaufklärung durch Pornos vermittelt ein völlig falsches Bild, was die Jugendlichen sehr verunsichert. GummiLove greift das Problem auf und spricht mit den Jugendlichen offen darüber.
«Es ist gelungen, den Sportgeräten Leben einzuhauchen, was den Humor der Kampagne ausmacht»
Ich kann mir vorstellen, dass die Dreharbeiten trotz fehlender Hauptdarstellerinnen und -darsteller ziemlich lustig waren …
Arnold: Es war sehr lustig. Gleichzeitig steckt viel Arbeit hinter der Produktion. Einen grossen Dank an dieser Stelle an den Regisseur Jyri Pasanen und an den Producer Pascal Duschletta. Ohne ihr Engagement wäre die Kampagne in dieser Form nicht möglich gewesen. Jyri Pasanen ist es gelungen, den Sportgeräten Leben einzuhauchen, was den Humor der Kampagne ausmacht.
Die Spots – nebst dem Hauptfilm gibt es diverse Clipvarianten – sollen die Zuschauenden zu einem Onlinequiz auf gummilove.com bringen. Warum?
Grolimund: Bereits seit 2009 engagiert sich GummiLove für die sexuelle Gesundheit junger Menschen. Dabei gehts vor allem um Vorbeugen und Wissen teilen, damit alle den vollen Durchblick haben. Das Safety-First-Quiz stellt Fragen rund ums Flirten, Küssen, dass erste Mal, Schutz vor Krankheiten, STIs (sexually transmitted infections, Anm. der Red.), Vermeidung von Schwangerschaften und so weiter. Es bietet aber auch Aufklärung zu Pornos, Versand von Nudes-Bildern oder Selbstbefriedigung. Die Testresultate sind dann auch gleich sichtbar und ein Lerneffekt ist garantiert.
Die Botschaft, dass es auch beim Sex das richtige Equipment braucht, kommt aber in den Spots so nicht zum Ausdruck. Bewusst nicht?
Arnold: Der Film endet auf der Marke GummiLove, die Verhütung bereits in ihrem Namen trägt. Da es neben dem passenden Equipment noch mehr zu beachten gibt, verlinken wir auf das Safety-First-Quiz auf gummilove.com.
Erreicht werden sollen Jugendliche und junge Erwachsene. Wo werden die Spots überall ausgespielt?
Grolimund: Auf unseren Websites, auf Social Media, Werbebannern sowie E-Boards. Wir zeigen den Clip aber auch an Festivals oder Events. Zudem sind weitere Aktionen und Massnahmen unter anderem auch mit unseren Partnern – wie Ceylor oder Billy Boy – geplant.
GummiLove gibt es seit 2009. Wie hat sich die Aufklärung in den letzten Jahren verändert?
Grolimund: Heute findet die Aufklärung sehr oft über Social Media statt. Das Problem dabei ist, dass es unter den Influencerinnen und Influencern selbst ernannte Fachpersonen gibt, die zum Teil Fehlinformationen weitergeben, und sich die Jugendlichen nicht wirklich informieren können, welche Quellen fachlich korrekt abgestützt sind und welche nicht. Ausserdem setzen die Schulen einen anderen Fokus beim Thema Sexualaufklärung als früher. Früher ging es um die Biologie, um Fortpflanzung, heute wird vermehrt auf das Gefühls- und Lustbezogene, auf den Spass, den Respekt und die Lust eingegangen.
Gleichzeitig mit der Kampagne wird das Programm GummiLove ab Mittwoch in die Nachbarländer Deutschland und Österreich exportiert. Warum wollen Sie fremdgehen?
Arnold: Mit der Gründung von GummiLove vor 14 Jahren rannte Profisnowboarder Daniel Rietmann bei den Jugendlichen offene Türen ein. Junge Menschen ticken anders als Erwachsene, sie haben andere Interessen und Bedürfnisse, sie sprechen eine andere Sprache. So ist das auch in Deutschland und Österreich. GummiLove geht voll darauf ein und macht jetzt den internationalen nächsten Schritt.
«GummiLove hat es geschafft, einen eigenen Code zu entwickeln»
Brauchen Deutsche und Österreicher eine andere Ansprache als Schweizer?
Grolimund: GummiLove hat es geschafft, einen eigenen Code zu entwickeln, der bei den Jugendlichen sehr gut und nachhaltig ankommt. Wir verbinden unsere Botschaft mit freshen Illustrationen und Aufklärungsvideos, Freestyle-Sportlerinnen und -Sportlern sowie glaubwürdigen Ambassadoren. Dieses Erfolgsrezept zusammen mit einer ganzheitlichen sexuellen Bildung funktioniert international. Das Beste dabei ist: Daniel Rietmann hat GummiLove damals mit einer klaren Vision und ganz viel Passion gegründet. Diese Energie ist noch immer spür- und erlebbar.
Muss die Organisation GummiLove für die Expansion nun personell aufrüsten?
Grolimund: Wir konnten die Adaptation intern stemmen, für die eigentliche Umsetzung braucht es sicher noch Power, alleine um die über 46'000 Safety-First-Sets nächstes Jahr zu versenden.
Sie, Herr Grolimund, sind Gründer der Schtifti Foundation und des Jugend-Gesundheitsförderungs- und Bildungsprogramms «Gorilla». Auch dieses wurde nach Deutschland und Österreich skaliert. Profitieren Sie von diesen Erfahrungen?
Grolimund: Ja, sicher. Ich bin heute überglücklich, dass wir mit «Gorilla» das grösste Jugendprogramm in Verbindung mit Freestyle-Sport und Ernährung im deutschsprachigen Raum aufbauen konnten. In den 20 Jahren haben wir viele Preise abgeräumt und dadurch ein Supernetzwerk aufbauen können. Ich habe so viel gelernt und konnte starke, langjährige Partner gewinnen. Einige davon unterstützen nun auch GummiLove und die internationale Expansion. Ich feiere das so mit, weil ich weiss, wie wertvoll eine internationale Expansion für ein solch wichtiges Programm ist.
Zurück zum Onlinequiz: Haben Sie es selbst eigentlich locker bestanden?
Arnold: Es geht nicht um eine eigentliche Challenge, alle bestehen den Test. Es geht ums Learning aus dem Test und wo man das eine oder andere Know-how noch vertiefen kann. Daten zeigen, dass aufgeklärte Jugendliche viel weniger sexuelle Risiken eingehen. Dies untermauert die Bedeutung umfassender sexueller Bildung, wie sie von GummiLove gelebt und bereitgestellt wird.