Es war ein Hammer, was am Freitag in Lausanne kommuniziert wurde: Das Bundesgericht stützt das Verbot kommerzieller Plakatwerbung der Genfer Gemeinde Vernier: Wenn Plakatwerbung verboten werde (auch solche auf privatem Grund), sei das kein wirtschaftspolitischer Eingriff, sondern ziele vielmehr darauf ab, «visuelle Verschmutzung zu bekämpfen», und gebe der Bevölkerung die Möglichkeit, sich «unerwünschter Werbung zu entziehen». Dies sei eine «umwelt- und sozialpolitische Zielsetzung» und liege «im öffentlichen Interesse» (persoenlich.com berichtete).
Mit diesem unverständlichen Entscheid spielt das Bundesgericht nicht nur den vielerorts aufkommenden Zensur- und Erziehungsgelüsten des Staates in die Hände, sondern gebärt sich auch als politisches und erzieherisches Gremium. Über welche Kompetenzen verfügen die Lausanner Richterinnen und Richter, um zu beurteilen, was eine «visuelle Verschmutzung» ist? Versteht sich das Richter-Gremium gar als Pitch-Gremium, um zu werten, was im öffentlich einsehbaren Raum toleriert werden kann? Und: Würden sie diese Kriterien auch bei Bauten, Kunstwerken oder Graffitis anwenden, wenn jemand fragen würde?
Die vernünftigen Argumente gegen Werbeverbote, speziell gegen das Verbot von Aussenwerbung, verhallen nicht nur in Lausanne ungehört, auch Städte wie Genf, Bern und Zürich werkeln munter an einem Ausbau ihrer Verbotspolitik weiter. Weder die volkswirtschaftliche Bedeutung der Aussenwerbung (Steuereinnahmen) noch der Wert als preisgünstiges und effizientes Medium für KMU oder der grosse Stellenwert für Kultur und Politik scheinen bei den urbanen Verbotspolitikerinnen und -politikern zu verfangen. Auch dass das Plakat als stilles und unaufdringliches Medium bei 70 Prozent der Schweizerinnen und Schweizern geschätzt wird und einen sehr guten CO2-Footprint hat, scheint nicht zu interessieren.
Das Hauptargument ist indes ein anderes: Was legal ist, soll auch legal beworben werden dürfen. Hierhin aber zielt die Werbeverbotsstrategie: Das übernächste Ziel nach dem Werbeverbot ist das Produkteverbot. Dass sich unsere Branche hier wehren muss, ist klar. Aber der Aufschrei sollte alle freiheitsliebenden und liberalen Kreise erfassen, die nicht wollen, dass eine Behörde uns heute vorschreibt, welche Werbung wir sehen sollen, und morgen Produkte verbieten will. Wehret den Anfängen!
Andreas Hugi ist Präsident von Leading Swiss Agencies (LSA).
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10.07.2024 14:11 Uhr
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Bundesrichter als Pitch-Gremium?