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Cookieless Tracking ist eine Chance

Tobias Zehnder

Das Ende der Cookie-Messung naht und versetzt die Werbebranche in Aufregung: Es herrscht Unsicherheit darüber, wie das Versprechen von Messbarkeit im digitalen Marketing weiter einlösbar ist. Ist die Branche am Ende? Ganz im Gegenteil. Es ist eine Chance, unsere Haltung zu Tracking zu überdenken und mit einem neuen Ansatz das Vertrauen in Werbung nachhaltig zu stärken. 

Das Bedürfnis nach Datenschutz und Transparenz wächst: Grosse Tech-Unternehmen wie Google oder Apple limitieren das Tracking und verlangen die aktive Einwilligung ihrer Userinnen und User. Die EU führt eine neue Datenschutz-Grundverordnung ein. Whatsapp passt die Privacy-Einstellungen an und löst damit eine Abwanderung zu alternativen Messenger-Diensten aus. Der Chrome-Browser will bis 2022 den Stecker für Third-Party-Cookies ziehen

Was bedeuten diese Entwicklungen für zielgerichtete digitale Werbung, die auf Userdaten gründet und von Kennzahlen wie Conversions, Engagement, Bounce-Rate, Cost-per-Click und Return on Ad-Spend lebt? Steht mit dem Ende von Third-Party-Cookies auch das Ende von Onlinemarketing an? 

Was klar ist: Die Möglichkeiten, Informationen über das Verhalten von Nutzerinnen und Nutzern zu sammeln, werden kleiner. Remarketing oder Frequency-Capping sind nicht mehr auf die gleiche Art und Weise umsetzbar. Targeting-Listen schrumpfen, Conversion-Tracking wird restriktiver. Um das zu kompensieren, wird fleissig an technischen Alternativen gearbeitet: Fingerprinting, Privacy Sandbox, FLoC – you name it. Diese Ersatzlösungen sollen ähnlich gute Resultate erzielen wie bis anhin die Third-Party-Lösungen. Das bekämpft zwar einige der Symptome, ignoriert aber die Ursache.

«Um das zu kompensieren, wird fleissig an technischen Alternativen gearbeitet: Fingerprinting, Privacy Sandbox, FLoC – you name it»

Wie gelingt also in Zukunft nachhaltig erfolgreiches Digitalmarketing? Mit holistischen Lösungsansätzen. Da gehören die zuvor erwähnten technischen Alternativen zwar dazu, sie sind aber bei Weitem nicht alles. Es braucht neue Taktiken wie zum Beispiel Privacy-Safe-Targetings. Die Ads werden passend zum Inhalt einer Website ausgespielt, oder die Zielgruppe wird basierend auf ihrer geografischen Lage angesprochen. Unsere Erfahrungen bei Webrepublic zeigen: Beides funktioniert sehr gut – ganz ohne Third-Party-Cookies. Ebenso sinnvoll ist der Aufbau von eigenen Ad-Stacks für Kunden, damit sie mit gesetzeskonformen First-Party-Daten arbeiten können. Und wertvolle Insights über die Zielgruppe lassen sich übrigens auch über Marktforschung sammeln, mit digitalen Tools sind solche Erhebungen sehr einfach und effizient. 

Neben Technik und Taktik ist die Strategie der dritte Teil von diesem ganzheitlichen Lösungsverständnis. Umdenken ist hier der Schlüssel zum Erfolg: Digitalmarketing muss wegkommen von der Technokratie und sich zu einem integralen Bestandteil von cleverer Kommunikation wandeln. Das bedeutet in erster Linie, in qualitativ hochwertige Kreation zu investieren und dabei die Adaption auf alle relevanten Kanäle von Anfang an mitzudenken. Ist die kreative Idee einer Kampagne schlecht, lässt sie sich auch mit den besten Daten nicht in den grünen Bereich optimieren. Das forcierte Ende des Datenhortens hilft, diese Zusammenhänge wieder entspannter zu denken. Gute Werbung lebt vom Zusammenspiel von Idee, Media, Technologie und Daten.

«Digitalmarketing muss wegkommen von der Technokratie und sich zu einem integralen Bestandteil von cleverer Kommunikation wandeln»

Das Motto unserer Firma Webrepublic ist «Creativity meets Data». Dem bleibe ich treu und will auf keinen Fall von datenbasiertem Marketing abraten. Es geht mir darum, von der Fixierung auf die Quantität wegzukommen und den Fokus auf die Qualität zu lenken. Was heisst das? Ein Beispiel: Wir haben den neuen Kennwert CPMS – Cost per Mille Second – entwickelt. Damit ergänzen wir die Daten um eine weitere Dimension. Statt wie beim regulären CPM nur die Anzahl Clicks zu messen, erfasst der CPMS die Kosten im Verhältnis zur Anzeigedauer einer Ad. Wir haben nicht mehr Daten, aber die Aussagekraft ist höher.

Dem viel zitierten Ende des Third-Party-Cookie können wir getrost optimistisch entgegenblicken, denn wir haben noch genug Möglichkeiten, erstklassige Werbung zu machen. Gleichzeitig gehen wir sparsamer und gezielter mit Userdaten um und respektieren damit das Bedürfnis nach Transparenz und Datenschutz.    



Tobias Zehnder ist Mit-Gründer der Digitalmarketingagentur Webrepublic

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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