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Das Elend der Talkshows

In Deutschland hat der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach den Ueli Maurer gemacht und die Talkshow «Maischbeger» während der Sendung wutentbrannt verlassen. Die Alt-Grüne Jutta Ditfurth hatte ihn dermassen auf die Palme gebracht, dass er auf das Liebste verzichtete, was ein Politiker so hat: Die Birne in die Kamera halten und quatschen (persoenlich.com berichtete).

Deutschland ist überflutet von Talkshows, von Dienstag bis Donnerstag blubbert sich Markus Lanz im ZDF kantenlos durch einen bunten Strauss von Gästen, in der ARD wechseln sich «Anne Will», «Hart, aber fair», «Maybrit Illner» und eben Sandra Maischberger ab. Ganze Redaktionsteams bemühen sich um eine möglichst bekömmliche Mischung der Gäste. Dabei gilt es vieles zu beachten. Parteienproporz, Mann, Frau, Betroffene, Fachkoryphäe und auch mal ein Frechdachs wie der immer wieder aus der Schweiz importierte Roger Köppel. Am Ende heisst es meistens: «Gut, haben wir drüber geredet, was war schon wieder das Thema?»

Die Schweiz leistet sich weniger Angebote. Am Montag begrüsst Roger Schawinski zur «ersten Talkshow der Woche», die aber auf SRF eigentlich auch die letzte ist. Denn der «Club» am Dienstag ähnelt doch mehr einer Veranstaltung, mit der die Zuschauer durch das Rumwerfen von Wattebäuschen in den Schlaf gewiegt werden sollen. Und die «Arena» ist so kompliziert aufgebaut, dass sie nichts mehr mit dem früher zumindest unterhaltsamen Schlagabtausch von für einmal konfliktfähig werdenden Schweizern zu tun hat. Und dann gibt es natürlich «Talk täglich» und den «Sonntalk» von Markus Gilli, der mit Dampf und Engagement zur Sache geht und Sendung sowie Gäste (meistens) eisern im Griff hat.

Obwohl es dem Zuschauer häufig länger vorkommen mag, leiden alle diese Talkshows darunter, unabhängig davon, ob sie 25 oder 75 Minuten dauern, dass die reine Sprechzeit eines Teilnehmers rund zehn Minuten beträgt. Verwendet er die verbale Blutgrätsche, wenn andere das Wort haben und alle rhetorischen Kniffs («ich werde jetzt die fünf wichtigsten Punkte aufzählen»), dann schafft er vielleicht 15 Minuten. Wenn der Moderator das zulässt.

Der (oder die) ist meist auch ein armes Schwein. Er steht vor der ziemlich schwierigen Aufgabe, die Redezeiten möglichst gleichmässig zu verteilen. Dazu für Action zu sorgen, denn es ist ja kein nach tiefen Erkenntnissen ringender Dialog, sondern eine Show. Dann muss das jeweilige Thema «vertieft» werden. Denn wenn G20-Gipfel ist, dann ist G20 das Thema für alle. Bis es alle wieder vergessen haben und das nächste Thema durch sämtliche Talkshows rutscht, bis es kurz und klein geredet ist.

Das zweite Problem aller Talkshows ist, dass das Personal, das für einen Auftritt in Frage kommt, überschaubar ist. Es mit einem blutigen Anfänger versuchen, kann peinlich in die Hose gehen. Setzt man das Kriterium an: Hat etwas zu sagen und kann das auch, bietet zudem einen gewissen Unterhaltungswert und sondert nicht Worthülsen oder fährt vorher gespeicherte Tonbänder ab, unabhängig von gestellten Fragen, reduziert sich das Personal in der Deutschschweiz auf vielleicht zwanzig oder höchstens dreissig Leute. Der Rest ist Beigemüse, das seinen Auftritt irgendwelchen Proporzüberlegungen verdankt. Ein besonders trübes Kapitel ist dabei die Quotenfrau. Wer regelmässig Gillis «Sonntalk» schaut, weiss, welche beiden ich meine.

Nur sehr selten kommt es vor, dass ein Teilnehmer nicht mehr länger das Wort ergreifen will, sondern vor laufender Kamera den Ausgang sucht. Der Abgang von Ueli Maurer aus dem damaligen «Sonntalk» fand anno 1999 statt. Aber auch das ist eigentlich nicht schlecht für die Show. Selten ist das Medienecho so gross. Besonders, wenn sich wie im aktuellen Fall die Moderatorin noch lächerlich macht. Zuerst flehte sie den zunehmend geladenen Bosbach an, doch bitte nicht zu gehen. Als selbst ihre begütigend auf den Arm gelegte Hand das Schlimmste nicht verhindern konnte, wollte Maischberger auch noch Jutta Ditfurth rauskübeln, aus Gründen der Ausgewogenheit. Die blieb aber unbeeindruckt sitzen. Obwohl sich der Zuschauer häufig wünscht, dass doch alle Gäste dem Beispiel von Bosbach folgen mögen, und der Moderator macht dann das Licht im Studio aus.


René Zeyer ist Inhaber von Zeyer Kommunikation in Zürich. Er ist Publizist (BaZ, «SonntagsZeitung», «Weltwoche», NZZ) und Bestsellerautor.

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