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Das Wettrennen um die Publicitas-Ausstände

Sandro Prezzi

Seit Jahren ist in der Branche klar, dass die Publicitas Probleme mit dem Cashflow hat und kurz vor einem Kollaps steht. Die offenen Rechnungen von kleinen Verlegern wurden über Monate hinweg nicht bezahlt, die der grossen Verlage regelmässig viel zu spät.

Für Branchenfremde sei hier noch erwähnt, dass die Publicitas die Werbebuchungen ihrer Kunden bei den Verlagen zwar auf deren Namen vornahm, den Kunden aber die Leistungen selber in Rechnung stellte und erst nach Bezahlung den Verlegern oder Publishern ausbezahlte. Warum auch immer (darüber kursieren unterschiedliche Geschichten), die Publicitas ist in eine Spirale des chronischen Geldmangels geraten. Die fälligen Forderungen der Verlage seien schon lange höher als die Liquidität gewesen, haben ehemalige Mitarbeiter bestätigt. Die Publicitas hat sozusagen von der Hand ins Maul gelebt und sich die Gläubiger mit vielen Versprechungen vom Hals gehalten.

Nun ist der Tamedia der Geduldsfaden gerissen und sie hat damit eine Lawine ausgelöst. Kurz nach der Tamedia wurde auch Ringier, Ringier Axel Springer Schweiz beziehungsweise Admeira klar, in diesem Rennen kriegt nur der Schnellste (und Lauteste) seine offenen Rechnungen bezahlt. Die NZZ hat inzwischen auch noch nachgezogen (persoenlich.com berichtete).

Die Verlage rufen die Werbeauftraggeber dazu auf, die offenen Rechnungen statt an Publicitas direkt an sie zu zahlen. Dies ist rechtlich heikel, da Publicitas für die Kundenaufträge das Delkredere trägt. Es ist zu erwarten, dass die verunsicherten Kunden vorerst alle Zahlungen an Publicitas einstellen werden, bis die Lage geklärt ist. Damit wird sich die Schieflage der Publicitas aber noch weiter verschlechtern und ein Kentern ist noch wahrscheinlicher.

Von einer Insolvenz der Publicitas wären die kleinen Verlage und Publisher am stärksten betroffen. Für sie wird die Luft teilweise sehr dünn. Zudem werden auch kleinere Werbeauftraggeber, welche sich statt von Werbe- und Mediaagenturen von der Publicitas beraten liessen, auf einen Schlag ohne Support dastehen. Die grossen Mediaagenturen haben sich in den letzten zehn Jahren längst mit eigenen Tools und Datenbanken versorgt beziehungsweise mit der Wemf alternative Lösungen organisiert. Sie sind längst nicht mehr auf die Services der Publicitas angewiesen, auch wenn einige immer noch gerne die umständliche Anzeigendisposition der «P» überlassen haben.

Da die Publicitas das Delkredere für die von ihr vermittelten Werbeaufträge vertraglich übernimmt, dürften die Auftraggeber aller Voraussicht nach nicht damit rechnen müssen, zweimal zur Kasse gebeten zu werden, ausser sie bezahlen die Verlage direkt – ohne das Einverständnis der Publicitas. Dann wäre die Publicitas wohl berechtigt, auf der Bezahlung ihrer Rechnungen zu bestehen. Also: Am besten mit beiden Kontakt aufnehmen und Lösungen besprechen, bevor Geld an den Falschen fliesst.


Sandro Prezzi ist Inhaber der Firma PEP Marketing Consulting. Auf mediabeobachter.ch kommentiert er Entwicklungen, Trends und News der Schweizer Werbewirtschaft.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

 

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Kommentare

  • Christoph Zimmer, 27.04.2018 13:03 Uhr
    Im Fall von Tamedia besteht zwischen Tamedia und Publicitas seit 2016 ein Vertrag, in dem Publicitas alle Forderungen gegenüber ihren Kunden für Werbung in Tamedia-Medien an Tamedia abtritt. Nur mit der Zahlung an Tamedia ist deshalb sichergestellt, dass Werbekunden rechtlich auf der sicheren Seite sind. Darüber haben wir alle betroffenen Kunden schriftlich informiert.
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