«Gring abe u seckle» – mit dieser inzwischen legendären Aussage verriet vor bald dreissig Jahren die Schweizer Leichtathletin Anita Weyermann ihr Erfolgsrezept. 2024 kann man dieses Motto durchaus für die grafische Industrie anwenden. Was bleibt ihr sonst anderes übrig? Natürlich kann man das Verdikt der TX Group, ihren Zeitungsdruckstandort in Bussigny im März 2025 und den Standort Zürich spätestens Ende 2026 zu schliessen, mit professioneller Nonchalance kommentieren, denn auch dieser Entscheid ist alles andere als eine totale Überraschung.
Ähnlich wie im Fall von Swissprinters konnten aufmerksam Beobachtende schon länger beunruhigende Signale und Hinweise erkennen. Es ist dann aber psychologisch schon ein ziemlicher Nackenschlag, wenn die aktuelle Schliessungsankündigung ausgerechnet in dem Moment verkündet wird, wo Swissprinters die Tore ihres Druckstandorts in Zofingen für immer schliesst.
Um bei der «professionellen Nonchanlance» zu bleiben: es ist ja nicht die erste «Jetzt fällt uns der Himmel auf den Kopf»-Nachricht der Schweizer Zeitungsbranche. Vor bereits neun Jahren schloss die NZZ ihren Standort Schlieren und vor knapp sechs Jahren gab Ringier Adligenswil auf. Dies in beiden Fällen mit hochmodernen Zeitungsrotationen. Ist der Zeitungsdruck damit in der Schweiz am Ende? Natürlich nicht. Die verbleibenden Zeitungsdruckereien können sich die Hände reiben. Doch es stellt sich trotz allen Beteuerungen die Frage, ob die grossen drei der Schweizer Verlagsszene (NZZ, Ringier, TX Group) wirklich noch an das Printmedium glauben.
Doch an dieser Stelle muss man klar differenzieren zwischen dem Verlagsgeschäft und dem übrigen Printgeschäft. Verpackung und Werbetechnik sind unbestritten, Akzidenzen sind zwar ebenfalls stark rückläufig, doch nicht komplett substituierbar. Direktkommunikation via Print ist selbst in Zeiten der Onlinekommunikation eine willkommene Ergänzung. Generell gilt: Es wird zwar öfter, aber immer weniger gedruckt, und das, was gedruckt wird, muss persönlicher und hochwertiger sein.
Auch der Printmarkt jenseits des traditionellen Geschäfts rund um die Verlage ist natürlich ein schwieriges, komplexes Geschäft. Doch hier bieten sich eben noch immer Perspektiven. Und Perspektiven eröffnen Chancen. Wer Chancen sieht, entwickelt sich weiter, investiert, setzt auf Innovation. Das sieht man sehr schön bei den Produktionstechnologien.
Während im Zeitungsdruck der technologische Fortschritt irgendwo in den Nuller-Jahren stehen geblieben ist, überbietet sich die Zulieferindustrie in anderen Segmenten der Druckbranche nach wie vor mit permanenten technologischen Neuerungen. Wer da nicht mitmacht im technischen Wettrüsten ist schnell mal weg vom Fenster. Die Zeichen der Zeit erkannt haben zum Beispiel die Firma Flyerline Schweiz AG. Sie hat den Offsetdruck durch den industriellen Digitaldruck komplett ersetzt. Die Appenzeller Druckerei wiederum setzt auf industriellen Inkjet-Druck als Zukunfts-Sicherung.
Darum gilt die Devise «Gring abe u seckle» jetzt erst recht. Natürlich muss man wissen, in welche Richtung man rennt und warum man überhaupt rennt. Auf Produktionsmittel runtergebrochen: Ersatzinvestitionen nur rein um des Ersatzes willen bringen Printunternehmen nicht wirklich weiter. Doch wer gar nicht mehr investiert, oder symbolisch nicht mehr weiterrennt, unterscheibt ohnehin die Kapitulation. Am Ende steht hier nur die Unternehmensaufgabe. Genau wie einst Anita Weyermann, wissen viele grafische Unternehmen, trotz aller Widerwertigkeiten, noch immer, warum und wohin sie rennen. Eine hoffnungsvolle Erkenntnis.
Paul Fischer ist stellvertretender Direktor von dpsuisse, dem Branchenverband der grafischen Industrie. Dieser Text ist zuerst als Editorial von Swiss Print + Communication erschienen. Paul Fischer ist Chefredaktor des Magazins.
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23.09.2024 08:02 Uhr
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Der Druckmarkt bietet immer noch Perspektiven