BLOG

Die dumme, nicht-informierte junge Generation

Peter Hartmeier

Diese Woche sprach der ehemalige deutsche Aussenminister Gabriel in einer bis auf den letzten Platz gefüllten Aula der Uni Zürich. Im Anschluss an die 50-minütige brillante Rede ohne Folien konnten Fragen gestellt werden: Entsprechend der Zusammensetzung des Publikums stellten junge, gebildete, bestens informierte Leute präzise, kluge, kurze Fragen. Solchen Menschen begegne ich dauernd in meinem Alltag.

Der Eindruck an diesem Abend entspricht deshalb meinen Erfahrungen, die ich als Berater, Publizist und Moderator einerseits und privat in meinem Freundes- und Familienkreis anderseits mache: Überall – ob in den Unternehmen oder abends beim Bier – treffe ich auf Menschen unter 30, die ihr Informationsverhalten fokussieren und oft international ausgerichtet sind. Diese junge Mediengeneration ist skeptisch und will sich unkompliziert informieren – auch und in erster Linie über Politik und Wirtschaft. Sie brauchen einen hohen Wissensstand, um die geforderte Leistung in ihren Berufen zu erbringen und wollen gleichzeitig auch herausfordernde Gesprächspartner sein. Zurzeit erlebe ich viele Leute dieser Generation im Abstimmungskampf um die SVP-Initiative: Von einem Defizit an politischem Interesse hüben und drüben kann keine Rede sein!

Ein drittes Beispiel: Letzte Woche besuchte ich die Frankfurter Buchmesse – und zwar am «Publikums-Tag» mit etwa 100'000 anderen Leuten, die überwiegend 30 Jahre jünger waren als ich. Die an diesem Tag angebotenen rund 80 Veranstaltungen waren alle ausgebucht – vor allem jene mit politischen Themen.

Dieser SIAF-Vortrag an der Uni, die Buchmesse in Frankfurt und der Kampf um die SVP-Initiative sind keine elitären Veranstaltungen, sondern gesellschaftspolitische Symptome, an denen die Intensität von Interesse und Engagement abgelesen werden kann. Jedenfalls entspricht das Pauschal-Urteil der jammernden Fög-Exponenten über das tiefe Informations-Niveau weiter Kreise der Generation unter 30 nicht meiner Erfahrung im Berufsalltag. Sie steht auch im Gegensatz zu den politischen Auseinandersetzungen, an denen ich teilnehme.

Statt zu jammern und neue Steuern und Abgaben zu verlangen, wie es die Autoren der Studie tun, müssen wir uns vielmehr selbstkritisch fragen, mit welchen Medien und welchen Inhalten wir diese ebenso interessierte wie ambitionierte Generation erreichen – oder eben auch nicht!



Peter Hartmeier ist Publizist und Berater, er ist Teilhaber von Lemongrass Communications.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion. 

 

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

  • Ravena Frommelt, 25.10.2018 19:46 Uhr
    Falls Sie sich lustig über mich machen (ich glaube fast, Sie tun das)... Schon okay, die Provokationen waren Absicht. :-) Ich kommentierte ja im Namen "meiner" Generation. Und "meine" Generation sagt, was sie denkt.
  • Ravena Frommelt, 25.10.2018 18:49 Uhr
    hä? Ja, meine das Format, aber lese trotzdem selten 20 min, da weiss ich ja nachher nicht viel mehr als vorher.
  • Christoph Bopp, 25.10.2018 18:13 Uhr
    @Frommelt Ja gerne, bitte teasern und bitte ein Video! Und bitte, bitte: Nicht mehr so viel Zeug, 20 Minuten reicht doch. (Ist schon klar, sie meint das Format ... ;-)) )
  • Ravena Frommelt, 25.10.2018 11:54 Uhr
    Vielen Dank für diesen Kommentar. Tatsächlich sieht man die jungen Nicht-News-Deprivierten, wenn man will und die Augen aufmacht. Ich (gerade noch 23) finde Steuern auf Werbeeinnahme nicht eine abwägige Idee, so auf den ersten Eindruck jetzt (vielleicht muss ich mich bei Gelegenheit noch genauer informieren). Aber dennoch sollte man auch ins Auge fassen, Inhalte und Vermittlungsarten an uns Jungen viel stärker zu adaptieren. Man könnte vermehrt gesellschaftlich relevante Themen in den Apps und online spannender anteasern und auf den ganzen Artikel und die Hintergründe in der "richtigen" Zeitung (bzw. online, wenn man Abo zahlt) verweisen. Dabei aber ganz wichtig wäre, zu betonen INWIEFERN das uns Junge kümmern sollte. Die Sprache sollte nicht zu fachsprachlich (Politik, Wirtschaft) sein, sodass wir draus kommen, was ihr da überhaupt sagen wollt. Auch sollten Vorurteile der älteren Generation über die jüngere abgelegt werden, weil wir haben zwar weniger erlebt, sind aber trotzdem klug und lernwillig. Wenn ein grosser Teil alter Journalisten, Verleger etc. ein schlechtes Bild von uns hat und unbewusst vermittelt, ist es eigentlich kein Wunder, wenn wir lieber watson lesen. Und macht mehr Videos auf Sozialen Medien, vielleicht so in der Art einer kurzen (!) Präsentation, worum es heute bei euch so geht. Wenn eine sympathische Person, wichtige und/oder komplexe simplifizierend anteasern kann, ist das ein sehr grosser Benefit für die Redaktion, believe me. Und was auch eine Realität ist: Es gibt immer dumme und faule Leute, aber auch kluge und nicht-opportunistische, in JEDER Generation. Und hat jetzt nichts mit dem Alter zu tun, geht mir in letzter Zeit aber dennoch oft durch den Kopf: Man könnte die "Zeitungsmasse" von ernst zu nehmenden Zeitungen auf 20-min-Zeitungsmasse verkleinern, sodass man im Zug anstatt auf News-Apps lieber "richtige" Zeitungen liest. Als man früher noch Papiersteuern zahlen musste, hat das ja noch Sinn gemacht, dass die so unhandlich sind, aber heute auch noch? Nicht, oder? Ältere Leute haben wohl echt sehr grosse Angst vor Veränderung. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

13.04.2024 - Hansmartin Schmid

Die Schweizer Medien und die Kriege

Die Schweizer Auslandberichterstattung ist in deutsche Hände geglitten.

Zum Seitenanfang20240425