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Ein Fall für die Medienpolitik

Nur zwei Sender sind bisher krachend in Konkurs gegangen: Radio 105 von Giuseppe Scaglione und vor Kurzem der TV-Kanal Joiz. Beides sind Medienprodukte, die sich an ein ganz junges Publikum richteten. Das ist alles andere als Zufall. Und deshalb lohnt es sich zum heutigen Zeitpunkt, wo die Politik über ein künftiges Mediensystem diskutiert, dieses Faktum zu analysieren.

Erstens ist es am schwierigsten, junge Menschen medienmässig zu erreichen. Das wissen alle Fernsehsender, vor allem die öffentlich-rechtlichen – bei einem Durchschnittsalter, das sich immer weiter weg von der 60-Jahr-Grenze nach oben bewegt. Alle Versuche, die schleichende Vergreisung aufzuhalten, sind bisher gescheitert, und dies nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland. Dort macht man bei ARD und ZDF wieder einmal mit sehr vielen Millionen einen neuen Anlauf, um junge Menschen zu erreichen. Selbst bei den Privatsendern steigt der Altersschnitt weiter an.

Ähnliches findet beim Radio statt. Der einstige SRG-Jugendkanal, der 1983 als «Störsender» lanciert worden war, sendet heute unter dem Namen SRF 3 ein Mainstream-Musikprogramm, das sich kaum von dem der privaten Konkurrenz unterscheidet. Wegen des massiv angestiegenen Altersdurchschnitts erreicht man damit hohe Quoten, während das nachgeschobene Jugendradio Virus ein Mauerblümchendasein fristet.

Unsere Medienpolitik vernachlässigt also in sträflicher Weise die Gruppe der Jugendlichen, für die kaum akzeptierte einheimische Angebote zur Verfügung stehen. Hingegen werden mit immer mehr Millionen die kümmerlichen Provinz-TV-Stationen alimentiert, die weitgehend ins Leere senden. Ebenso massiv subventioniert werden die von denselben regionalen Monopolfürsten betriebenen Radiostationen in den Bergregionen. Denn das ursprüngliche Medienkonzept hat gemäss dem Kampfruf des damaligen Bündner Bundesrats Leon Schlumpf – «Ein Radio auch für das Calancatal!» – bis heute Bestand.

Es ist für ein demokratisches und föderalistisches Land richtig, dass Randgruppen medienmässig unterstützt werden. Aber dies sind nicht – wie heute angenommen – nur Menschen in Randregionen. Dazu zählen auch Jugendliche, die medial unterversorgt sind, weil die diesbezüglichen Projekte gescheitert sind, und zwar sowohl die privaten als auch diejenigen der SRG, die aber Rückschläge verkraftet. Bei den Privaten ist das anders. Die können pleitegehen. Da verlieren wagemutige Menschen Geld und viele andere ihren Ar- beitsplatz. Natürlich gab es auch Managementfehler bei Radio 105 und Joiz – die gibt es überall. Aber das ist nicht die ganze Antwort. Fürs Scheitern gibt es weitere Gründe. Etwa den späten Marktzutritt in einem bereits sehr stark besetzten Markt. Oder die seit 2008 herrschende Stagnation im Werbemarkt, unter der neue und damit auch schwächere Angebote überproportional leiden. Oder auch eine Stand-alone-Position in einem Wettbewerb, in dem mächtige Konkurrenten mit massiver Cross-Promotion uneinholbare Vor- teile geniessen. Und dazu kommt das grundsätzliche Problem, Jugendliche überhaupt zu erreichen.

Wenn diese Pleiten doch noch etwas Positives haben sollen, dann ist es dies: nämlich, dass die künftige Medienpolitik berücksichtigt, dass die komplexe Randgruppe der Jugendlichen eine ähnliche Zuwendung erfährt wie die Menschen in Randregionen. Diese Aufgabe muss ernsthaft bewältigt werden, auch wenn die Jugendlichen nicht einmal ansatzweise eine ähnlich aktive Lobby im Bundeshaus haben wie die Randregionen. Doch aus staatspolitischer Verantwortung muss die Jugend schweizerische Medienangebote erhalten, die für sie attraktiv sind. Dazu braucht es Geld, Ideen und Engagement. Einerseits ist hier die SRG gefordert. Andererseits muss ein Teil der erst vor Kurzem aufgestockten Splitting-Millionen eingesetzt werden, damit private Projekte für Jugendliche eine echte Chance erhalten, damit sie nicht wie bisher vor dem Konkursrichter enden.

 

 

 

 

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KOMMENTARE

Heinz Lindenmann
15.09.2016 14:07 Uhr
Absolut der Meinung von Roger, kleine Ergänzung die jugendliche Zielgruppe erreicht man nicht mehr auf den klassischen Verbreitungs-Weg, wie UKW oder DAB+. Fazit wie erreicht man sie dann? Antwort ausstehend...
Christoph Bopp
15.09.2016 11:52 Uhr
Und ich dachte immer, mediale Jugendangebote hätten es kommerziell schwer, weil die Jungen nicht gern bezahlen, wenn es auch gratis etwas gibt ...
Giuseppe Scaglione (my105)
15.09.2016 10:44 Uhr
Roger Schawinski kennt keine Skrupel. Nachdem er jahrelang medienwirksam die SRG bekämpft hat, liess er sich 2011 vom Schweizer Fernsehen für eine wöchentliche Talkshow anstellen und bezahlen. Man rieb sich die Augen. Und jetzt kommt der nächste fragwürdige „Höhepunkt“ seiner Karriere: „Roscheee“ fordert öffentliche Gebührengelder für seine Radio-Flops. Kein Witz: Der Staat soll den Geldbeutel des Multi-Millionärs schonen. Als ob es die Aufgabe des Bundes wäre, Investoren vor verlustreichen Geschäften zu schützen. Ein kleiner Rückblick: Schawinski übernahm nach dem Konkurs von "Radio 105" ein äusserst talentiertes und kreatives Team und ein sehr erfolgreiches, beim jungen Publikum beliebtes Produkt. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Vom damaligen Power-Team konnte er gerade einmal 4 Mitarbeiter halten. Die anderen haben den Sender desillusioniert und zermürbt verlassen. Auch viele Hörer sind abgesprungen und schlussendlich auch die meisten Werbekunden. Dabei hatte sich Schawinski bei der Übernahme in der Öffentlichkeit als Held und Retter von "Radio 105" inszeniert. Ebenso war er davon überzeugt, mit seinen zwei Sendern „Radio 1“ und „Planet 105“ – oder wie er es nannte „mit zwei Sendern aus einer Küche“ – ordentlich Kasse zu machen. Das ging ziemlich daneben. Schnell wurde klar, dass sich Schawinski komplett überschätzt hatte. So titelte der Tages-Anzeiger am 19.11.2015 „Roger Schawinskis 105-Probleme“. Im Artikel wurde auch die Frage aufgeworfen, ob Schawinski gegen die Konzession verstösst. Diese berechtigte Frage ist bis heute noch offen. http://blog.tagesanzeiger.ch/offtherecord/index.php/33919/roger-schawinskis-105-probleme/ Schawinski machte einen weiteren, kapitalen Fehler: Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich als Vater von "Radio 105" nochmals ein Comeback in der Branche feiern würde – und zwar ausgerechnet mit der gelb-schwarzen Originalmarke, die er sich fatalerweise nicht sichern wollte. In erster Linie stand er sich dabei selber im Weg. Den Journalisten diktierte er ins Mikrophon, er hätte für die Originalmarke „Millionen an den italienischen Lizenzgeber“ bezahlen müssen, was natürlich nicht stimmte. Nicht einmal sein Lausbubenstreich und Etikettenschwindel, bei dem er sich mit der Wortkreation „Planet 105“ weiterhin der Marke „105“ bediente, ohne dafür eine Lizenz zu besitzen oder Lizenzgebühren zu bezahlen, konnte den Absturz verhindern. Wenige Monate nach dem Neustart meines Online-Projektes „my105“ erreichten wir gemäss einer repräsentativen Umfrage bereits doppelt so viele Hörer wie „Planet 105“. In einem Persönlich-Interview vom 19. Januar 2016 sagte dann Energy-Chef Dani Büchi auch, „Planet 105 spiele auf dem Hörer- und Werbemarkt keine Rolle mehr“. Und: Roger Schawinski „habe den Sender gegen die Wand gefahren“. http://www.persoenlich.com/medien/finanziell-wird-uns-der-titel-einiges-bringen Aber Schawinski redet gerne von Managementfehlern anderer. Achtung: Schawinski’s Ruf nach Gebührengeldern für Jugendsender ist ein Ablenkungsmanöver – sozusagen eine Nebelpetarde. Der Opportunist wittert in der aktuellen medienpolitischen Debatte Morgenluft. Auch hier hat er keine Skrupel, den Konkurs und die damit verbundenen Schicksale anderer Menschen für seine rein finanziellen Zwecke zu missbrauchen. In Tat und Wahrheit haben beide von ihm erwähnten Konkurse nämlich nichts mit fehlenden Gebührengeldern zu tun. Viele Radios und auch andere Medien, die sich eben nicht an Jugendliche richten, kämpfen genauso ums Überleben. Viele von ihnen wären ohne grosszügige Finanzeinlagen ihrer Besitzer schon lange pleite. Ein Paradebeispiel ist hier ausgerechnet "Radio 1" von Roger Schawinski. Der Sender, der sich per Eigendefinition „an Erwachsene“ richtet, hat zwischen den Jahren 2009 und 2015 gemäss Website des BAKOM einen Verlust von sagenhaften 5,9 Mio. eingefahren. Den Löwenanteil dieses Verlustes, nämlich CHF 5,4 Mio., hat Schawinski eingefahren, bevor er Radio 105 übernommen hat (also alleine mit seinem „Sender für Erwachsene“ Radio 1). Seit dem Sendestart im Jahr 2008 hat er jedes Jahr Verluste produziert – und dies, obwohl er immer wieder das Angebot zurückgefahren und Kosten gesenkt hat. Im Jahr 2015, und somit in seinem 7. Betriebsjahr, wies Schawinski immer noch einen Verlust von knapp CHF 400'000 aus. Im Gegensatz dazu war ich 2015 mit meinem neuen Projekt „my105“ bereits in meinem ersten Betriebsjahr „Break-Even“. Hätte Schawinski dank dem damaligen Verkauf seiner - wie es Hanspeter Lebrument einmal in einem Interview ausdrückte - „maroden Radio- und Fernsehfirma“ an Tamedia nicht das nötige Kleingeld erhalten, wären seine Sender schon längst Konkurs gegangen. Aber Schawinski spottet lieber über andere, sie seien „krachend Konkurs gegangen“. Nun scheint ihm jedoch sein Hobby zu teuer geworden zu sein. Der Staat soll es richten – ganz nach dem Motto: „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“. Mit Schawinski’s Ruf nach Gebührengeldern wiederholt sich ein altbekannter Film: Schon damals, als sein TV-Sender „Tele 24“ am finanziellen Abgrund stand, forderte er mit gross inszeniertem Getöse Gebührengelder für seinen Sender. Bekanntlich richtete sich aber „Tele 24“ genau so wenig an Jugendliche wie sein ebenfalls gescheitertes Projekt „Opus Radio“. Aber immer waren dann bei der Schliessung seiner Sender die anderen schuld. Bei "Tele 24" war es Medienminister Moritz Leuenberger und bei "Planet 105" wird es wahrscheinlich seine Nachfolgerin Doris Leuthard sein. Schawinski hat wohl lange nach einem Ausweg aus seiner Radio-Misere gesucht – und ihn nun vielleicht gefunden: Bekommt er Gebührengelder, übernehmen wir Gebührenzahler seine Verluste und er kann weitersenden und dabei sein Geld schonen. Klappt das nicht, hat er (wieder einmal) den perfekten Schuldigen gefunden, um mindestens einen Sender zu schliessen. Das Verlangen nach öffentlichen Geldern ist eigentlich immer ein Eingeständnis an das eigene marktwirtschaftliche Versagen. Insofern ist Schawinski gescheitert. In diesem Zusammenhang stellt sich noch eine Frage: Selbst wenn es für Jugendmedien Gebührengelder geben sollte - wie kommt Schawinski eigentlich darauf, dass diese ausgerechnet an seinen Sender gehen würden? Er betreibt ja nicht als einziger in diesem Land sog. „junge Medien“. Abgesehen von Angeboten wie „my105“ richten sich auch andere Online-Medien wie „Watson“ oder „20 Minuten Tillate“ an junge Leute. Und sogar bei „Radio Energy“ könnte man sich diese Frage stellen. Und wieso sollten ausgerechnet die „alten“ Medien Radio und TV mit Gebühren unterstützt werden, wenn diese (wie eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt) bei Jugendlichen gar keine Relevanz mehr haben. Zudem dürfte es ziemlich schwierig werden, die Jugend als „Randgruppe“ durchgehen zu lassen. Vielleicht ist aber der „Roscheee“ viel cleverer als wir alle meinen und er will gar keine Gebühren, sondern greift dieses mal die SRG von innen an – sozusagen als „trojanisches Pferd“. Denn mal ehrlich: Was kann der No-Billag-Initiative Besseres passieren als immer neue und derart abstruse Forderungen nach Gebührengeldern.
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