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Kein Theater am Mikrofon

Marcus Knill

Ich bin ein regelmässiger Konsument von Blick TV und verfolge schon länger die Entwicklung dieses Angebots. Letztes Jahr präsentierten sich einige Moderatoren auf Blick TV völlig unnatürlich. Noch heute gibt es ein paar Journalisten, die mit künstlicher Betonung und übertriebener Artikulation auffallen. Ein Beispiel: «Aes – faaret – kei – Schiff meh – uf em – Rhii …». Der Redefluss ist völlig falsch. Die Art und Weise der Präsentation klingt wie Staccato-Sprechen und stört.

Ich werde immer wieder gefragt, ob dieses manierierte Sprechen antrainiert worden sei. Ich weiss sicher, dass Jonas Projer und Hannes Britschgi bei Ringier kein gestelztes, unnatürliches Sprechen propagieren und kann mir nicht vorstellen, dass Blick TV dies so wünscht. Es ist denkbar, dass die Moderatoren die aufgesetzte Art ihres Sprechens gegenseitig übernommen haben und sich darin sogar überbieten wollen.

Es ist mir noch heute ein Rätsel, weshalb Profi-Radiojournalisten plötzlich vor dem Bildschirm glauben, so theatralisch sprechen zu müssen und die rhythmischen und dynamischen Akzente bewusst falsch einsetzen.

Es zeigte sich jedoch im Laufe der letzten Wochen, dass die übertriebene Art, möglichst gewichtig zu artikulieren, wesentlich verbessert werden konnte. Ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen doch Einfluss genommen haben auf die sonderbare Art der Betonung. Da bin ich Optimist.

In der Medienrhetorik gilt generell: Glaubwürdig sind wir erst, wenn wir authentisch und zuhörerorientiert sprechen. Wahrscheinlich ist es für viele nicht einfach, auf manieriertes Sprechen zu verzichten, wenn sie es selbst gut finden. Wer am Mikrofon überzeugen will, darf kein Theater spielen. Erst wenn ein Journalist so selbstverständlich spricht wie in einer trauten Runde, fühlen sich die Zuhörer angesprochen.

Einige Moderatoren bei Blick TV sind leider immer noch nicht ganz am Ziel. Ich gehe davon aus, dass die störenden Angewohnheiten bald ganz abgelegt werden. Dies wäre erfreulich. Bei allen Verbesserungen ist es bekanntlich so, dass mit der Korrektur nie allzu lange zugewartet werden darf. Das Korrigieren wird immer schwieriger, je länger sich die schlechte Gewohnheit eingraviert.



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik und Autor der virtuellen Navigationsplattform für Kommunikation und Medien rhetorik.ch.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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