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Keine Selbstverständlichkeit

Was für ein fulminantes Fest! Mit grossem Tamtam feierte Ringier in einer ausgedienten SBB-Fabrikhalle den 50. Geburtstag der Ringier-Journalistenschule, kurz Jouschu. Diese befindet sich seit einem halben Jahrhundert in einer alten Villa «Römerhalde» oberhalb von Zofingen, dem langjährigen Stammhaus der Ringiers, mit Blick auf die ehemalige Druckerei. Eine publizistische Kaderschmiede für eine Generation von Journalistinnen und Journalisten in der Abgeschiedenheit des Mittellandes.

«Ein Geschenk für die Schweiz», betonte Schulleiter Peter Hossli, der einen grossen Teil der 400 Absolventen begrüssen konnte. Ein Bonmot, das stimmt: Es ist der Familie Ringier zugutezuhalten, dass sie trotz Stellenabbau, Titeleinstellungen und anderer Sparmassnahmen an ihrer Schule festgehalten hat. Und was noch wichtiger ist, diese auch über die Jahre hinweg finanziert hat. Gerade in Zeiten wie der jetzigen keine Selbstverständlichkeit.

Festredner und Ringier-Starkolumnist Frank A. Meyer hob wortreich nochmals die Vorzüge des «alten Journalismus» hervor, in denen man noch ohne Newsrooms und Anglizismen auskam. Was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, da ausgerechnet Ringier sich von allen Schweizer Medienhäusern am Digitalsten gebärdet und CEO Marc Walder aus dem beschaulichen Ringgi-und-Zofi-Unternehmen ein modernes, global agierendes Medienhaus formte.

Es wirkt wie eine böse Pointe, dass ausgerechnet Mitbewerber Tamedia wenige Tage vor der grossen Ringier-Sause seinen Radikalumbau kommunizierte. Was zur (fälschlichen) Annahme verleiten könnte: Ringier feiert den Journalismus, der Tagi baut ihn ab. Realistischerweise liegt Tamedia mit seiner Handlung näher bei der ökonomischen Realität. Was die Verdienste der Familie Ringier für die Journalistenschule keineswegs schmälern, sondern noch viel bemerkenswerter machen.

Sogar Finanzminister Christian Lindner gratulierte im Namen der deutschen Regierung zum runden Jubiläum. Er sprach so brillant, dass man anschliessend nicht so richtig wusste, was er genau meinte. Was weiter auch nicht schlimm ist. Die Reise in die Schweiz war für den deutschen Spitzenpolitiker vielmehr eine Wohltat. Gegen die Probleme seiner Ampelregierung sind diejenigen der Schweizer Medien Peanuts.


Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.

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