Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fällt die Weltwoche durch ihre tendenziell Putin-freundliche Berichterstattung auf und wird dafür öffentlich kritisiert. Mehrere Journalisten haben das Blatt in den vergangenen Wochen verlassen – Kurt Pelda wechselte nach wenigen Wochen zu CH Media. Und Henryk M. Broder distanzierte sich zum Abschied in der Weltwoche öffentlich von den «Russlandverstehern».
Das wirft die generell für unsere Branche wichtige Frage auf: Wie stark soll oder muss man sich als Journalistin oder Journalist mit der Zeitung, dem TV-Sender oder dem Onlineportal, in dem man publiziert, identifizieren? Noch mehr: Trägt man als Redaktorin oder Kolumnist die Meinungen anderer im Blatt in einem gewissen Masse mit?
Ja, denken die einen, die die Weltwoche verlassen haben. Nein hingegen sagen mehrere aktuelle Weltwoche-Kolumnisten, wie in den Tamedia-Zeitungen zu lesen ist. Der langjährige Medienkolumist Kurt W. Zimmermann sagt: «Ich bin verantwortlich für den Inhalt meiner Kolumne, nicht für das, was im übrigen Blatt steht.» Ins selbe Horn bläst der Journalist und Schriftsteller Linus Reichlin: «Ich bin als Kolumnist nicht verpflichtet, die politische Meinung des Blattes, für das ich schreibe, mitzutragen. Wäre es anders, würde ich die Zeitung sofort verlassen.»
Mit dieser Argumentation machen es sich die Kolumnisten zu einfach. Im Falle der Weltwoche lassen sie sich von einem Medium bezahlen, das Partei für Wladimir Putin ergreift. Sie verhelfen mit ihren Texten einem Medium zu Reichweite, das den Krieg in der Ukraine verharmlost. Ihre Kolumnen erscheinen nicht im luftleeren Raum, Leserinnen nehmen die Schreibenden als Weltwoche-Autoren wahr. Sie sollten sich die Frage stellen: Wo liegt meine Schmerzgrenze?
Michèle Widmer ist Redaktorin von persoenlich.com.
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07.07.2022 18:02 Uhr
07.07.2022 17:03 Uhr
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Kolumnisten und ihre Schmerzgrenze