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Konvergenz statt Branding: Wie in der Krise Qualität zerstört wird

Roger Schawinski

Bevor ich meine These darlege, hier ein Geständnis in eigener Sache: Nein, ich bin kein Technikfreak. Bei jedem neuen Handy bin ich froh, wenn ich nach und nach die Grundoperationen begreife. Bis zu all den gross annoncierten sexy Features taste ich mich erst gar nicht vor. Im Job hingegen war ich dem technischen Fortschritt gegenüber immer erstaunlich offen, wie ich in der Rückschau bemerke. Bei Radio 24 führte ich als Erster im Land das DJ-Pult ein, während Radio DRS teilweise noch bis heute Techniker (“Heizer”) einsetzt, die die Knöpfchen drücken sollen. “Bonus” setzte bereits Ende der Achtzigerjahre auf Desktop-Publishing. Opus Radio nutzte als erster Sender ein digitales Studiosystem, obwohl dieses System damals noch nicht richtig ausgereift war. Bei TeleZüri arbeitete ich nur mit VJs und nicht mit Dreierteams wie die SRG. Der Grund war immer derselbe: Als Unternehmer musste ich die effizientesten Methoden aufspüren, um mit neuen Angeboten kostenmässig bestehen zu können. Doch ich erkannte auch Grenzen. Bei der Gründung von TeleZüri habe ich keine Sekunde daran gedacht, eine gemeinsame Leitung mit Radio 24 einzurichten. Aus detaillierter Kenntnis der völlig unterschiedlichen Mechanismen der beiden Medien habe ich darauf verzichtet, obwohl es sich im Vergleich zur SRG um kleine, leicht überschaubare Gebilde handelte. So ist Radio vorwiegend ein Morgenmedium, Fernsehen hingegen ein Abendmedium. Fernsehen ist auch im VJSystem technisch recht aufwendig und schwerfällig, Radio ist schnell und einfach: Man zieht den Regler nach oben und ist auf Sendung. Fernsehen ist teuer, Radio ist vergleichsweise billig. Fernsehen ist ein Medium des Geldes: Das Budget bestimmt vor allem, welches Programm man anbieten kann. Mit zehn Millionen im Jahr wird man nie gegen die RTLs dieser Welt antreten. Radio ist ein Medium der Menschen. Mit einem überschaubar grossen Team von Profis und einem tollen Konzept kann man ein Weltklasseprogramm produzieren. Und beinahe noch wichtiger: Jedes Medium braucht eine Identität. Was nach aussen wirken soll, muss auch gegen innen funktionieren. Nur wenn Mitarbeiter für ihr eigenes Medium brennen, entsteht höchste Qualität. Wer zum Zulieferer für verschiedene Kanäle missbraucht wird, liefert keine Höchstleistungen. Denn das neue Zauberwort Konvergenz ist der Feind von Branding, dem Mantra der letzten Jahre. Konvergenz, ein Neuaufguss des früheren Begriffs Synergie, ist eben nicht gratis zu haben. Geboren und gepusht in einer Zeit der Krise, in der man auf Teufel komm raus Kosten kürzen will, vermanscht man damit das zentrale Element profilierter Medien. Das ist beim Newsroom so. Und noch viel mehr beim Armin-Walpen-Plan für Radio und Fernsehen. Denn der ist vor allem ein neues Machtinstrument, verkauft mit dem Kampfruf der Kostenersparnis. Alles soll noch mehr von der Spitze kontrolliert werden. Doch es wäre aus staatspolitischer Sicht verheerend, wenn – wie vorgesehen – in einem einzigen Gremium des Themasetting für all unsere nationalen elektronischen Medien dieses Landes stattfinden würde. Das darf nicht passieren. Und schlimmer noch: Effizienz ist auf diese Weise nicht zu holen. Die sichert man sich innerhalb des Mediums. So wäre zu fragen, weshalb oft drei oder mehr SRG-Kamerateams dieselbe Pressekonferenz abfilmen. Die Antwort der Journalisten lautet wohl: Wir von der “Rundschau” konzentrieren uns auf einen anderen Aspekt als die “Tagesschau” oder “10 vor 10”. Und das mag oft auch richtig sein. Wie da noch das “Echo der Zeit” reinspielen soll, ist absolut schleierhaft. Armin Walpen ist kurz vor der Pensionierung mit seinem letzten und grössten Coup gescheitert. Um ihm die komplette Blamage zu ersparen, hat man das Projekt nicht abgelehnt, sondern aufgeschoben, wie es heisst. Vorerst werden Arbeitsgruppen eingesetzt, die einige Jahre werkeln sollen. Wenn es darunter tatsächlich Leute haben sollte, die etwas von der Sache verstehen, werden sie die Sache sang- und klanglos begraben und sich darauf konzentrieren, die SRG auf sinnvolle Weise zu einem effizienteren Betrieb zu machen.
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