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Nicht mehr wettbewerbsfähig

Klaus J. Stöhlker

Der ehrenwerte Peter Hartmeier gehört zur wirtschaftsliberalen, gebildeten und wohlhabenden Schweizer Oberklasse, welche die Schweiz als schönstes Land der Erde erlebt. Als Unternehmens- und PR-Berater lebt er in Kreisen, die Millionen von Normalschweizern nicht zugänglich sind. Gelegentlich wird er in Schaffhausen auch einen Jass mit einem Büezer machen; das dient der Entspannung und der sozialen Legitimation.

Wie er, war ich in der Aula der Uni Zürich, als dort vor dem Schweizer Institut für Auslandforschung (SIAF) der gescheiterte deutsche SPD-Politiker Sigmar Gabriel sprach. Gabriel vermittelte keine Perspektive, sei es für Deutschland oder Europa. Der Gastgeber des Anlasses, Martin Meyer, Präsident des SIAF, überreichte Gabriel nach der Rede einige Flaschen Schweizer Bieres, was von Gabriel mit dem Satz quittiert wurde: «Mein erster Job war der eines Bierfahrers.» Der Proletarier Gabriel war damit wieder sozial eingeordnet.

Peter Hartmeier wird nicht entgangen sein, dass die «bestens gebildeten jungen Leute», die Gabriel Fragen stellten, alles Ausländer waren. Kein Schweizer wagte es, eine Frage zu stellen, sondern vorwiegend Deutsche, Österreicher und ein Amerikaner.

«Solchen Menschen begegne ich dauernd», schreibt Hartmeier im Blog auf persoenlich.com, aber es sind keine Schweizer!

Als Berater, Publizist und Moderator begegnet Hartmeier laufend der gleichen kleinen Elite, die sich aus einigen Fachleuten, Politikern und Journalisten zusammensetzt. Das Schweizer Volk, grosse Teile der Schweizer Jugend, bleiben stumm. Das erlebe ich seit 40 Jahren als Berater, Publizist und Moderator.

Hartmeier bewegt sich, als Dienstleister der wirtschaftlichen und politischen Oberklasse, in jenem engen Rahmen, der das offizielle Meinungsklima in der Schweiz bestimmt: Ich lobe Dich, Du lobst mich. Ich helfe mit, dass Du Deinen Job behältst oder einen besseren findest. Du gibst mir dafür auch einen Job.

Das normale Schweizer Volk dagegen hat in den öffentlichen Schulen eine immer schlechtere Ausbildung, wo die Persönlichkeit der Kinder nicht mehr entwickelt wird. Die meisten meiner Freunde senden ihre Kinder längst auf Privatschulen, manchmal auch in der Schweiz, aber immer öfter nach England, in die USA oder nach Kanada.

Das ist teuer, aber ich kenne nur zufriedene Väter und Mütter, die damit ihre Kinder auf eine globale Karriere vorbereiten.

Die Ergebnisse der Fög-Studie kann ich nur unterschreiben, wenn ich jungen Schweizer Führungskräften begegne, die kaum noch ganze Sätze zu formulieren vermögen. Sie haben alle Schweizer Werte verloren und wehren sich nur noch mit stumpfen Reflexen gegen eine Öffnung des Landes hin zum wichtigsten Kunden der Schweiz, der EU. Sie wissen auch warum?

Viele von ihnen können gegen ausländische Konkurrenten nicht mehr bestehen. Das zeigen die Besetzungslisten unserer Grossbanken, Versicherungen und Industriekonzerne.

Lieber Peter Hartmeier, die Fraktionen unserer Bundesratsparteien müssen in wenigen Tagen entscheiden, welche Kandidaten für den Bundesrat sie aufs Ticket nehmen. Wir haben Quoten für Regionen, für Frauen, für Sprachen, aber keine Quote für Intelligenz.

Ich sehe unter den Kandidatinnen und Kandidaten nur zwei Frauen, denen man urbane Intelligenz zusprechen kann (Karin Keller-Suter, FDP, und Elisabeth Schneider-Schneiter, CVP). Alle anderen kommen aus tiefster Provinz. Sie sind das Ergebnis des Schweizer Schulsystems, das international nicht mehr wettbewerbsfähig ist.



Klaus J. Stöhlker ist Berater, Publizist, Moderator und selbsternannter «Doyen der Schweizer PR-Branche».

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion. 

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Kommentare

  • Robert Weingart , 26.10.2018 11:15 Uhr
    Herr Stöhlker hat leider 100-prozentig recht. Und im Schweizer Medienbusiness hat’s leider solche Alphatiere, die keine Kritik vertragen, aber die Titel gegen die Wand fahren.
  • Christoph von Arb, 26.10.2018 10:13 Uhr
    Herr Stöhlker, Sie mögen gerne glauben, was Sie schreiben, weil es Ihre eigene Erfahrung abbildet. Meine sieht so aus: Mein Sohn ist an einem Gymnasium im provinziellen Kanton Basel-Land. Diejenigen Schüler und Schülerinnen, die das dortige, sehr hohe Niveau der Ausbildung nicht mehr prästieren, gehen in eine Privatschule nach Basel-Stadt, wo sie normalerweise keine Leistungsprobleme mehr haben. Und die ganz, ganz wenigen, die es wagen, von einer Privatschule an die Baselländer Sekundarstufe P oder ins Gymi zu wechseln, haben allergrösste Mühe, das Tempo und die Qualität des Unterrichts mitzugehen. Dass an den Schulen, die ich durch meine Kinder kennengelernt habe, die Persönlichkeit der Schüler nicht entwickelt würde, kann ich nicht bestätigen. Dass hingegen junge Schweizer oft nicht zuvorderst anstehen, wenn es darum geht, Fragen (und sich damit in den Mittelpunkt) zu stellen, war schon vor 40 Jahren so. Auch bei mir, und sicherlich gänzlich im Gegensatz zu Ihnen und Ihresgleichen. Ob diese Haltung wirklich geschadet hat, kann ich nicht beurteilen. Mir aber eigentlich nicht. Und ganz erfolglos waren auch die anderen so gepolten Schweizer während der letzten Jahrzehnte nicht. Schaumermal, wie's weitergeht. Ganz unpolemisch. Ganz schweizerisch.
  • Thomas Gerber, 26.10.2018 09:19 Uhr
    Ich bin einer jener "stummen" (oder meint er dummen) Schweizer, wohnhaft in "tiefster Provinz" - dreisprachig, gebildet, vermögend. Ein Teil des "Schweizer Volks", der sich normalerweise nicht äussert, selbst wenn er angegriffen wird, wie in dieser Kolumne. Ich bin selbst erstaunt darüber, dass mir bei der hier geäusserten Meinung schlicht die Sprache wegbleibt.
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