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Wenn der Gegenwind stärker wird

Edith Hollenstein

Die Schweizer Werbebranche segelt durch unruhige Gefilde. Bedrohlich sind nicht nur die konkurrenzfähigen ausländischen Agenturen, die zunehmend das Wasser abgraben, sondern vor allem die digitalbedingte Grosswetterlage, die aufwändige Strukturanpassungen nötig macht. Was tun, wenn der Gegenwind stärker und stärker wird? Den Kreativ-Kapitän auszutauschen, ist ein Manöver, das jüngst gleich bei zwei Agenturen zur Anwendung kam: Executive Creative Director Axel Eckstein verlässt Havas WW Zürich/Genf nach sechs Jahren und auch Wirz will im nächsten Jahr nicht mehr mit Philipp Skrabal als obersten Kreativ-Verantwortlichen starten, sondern verpflichtete neu das Duo Dainese/Perez von Hinderling Volkart. Im Umgang mit dem rauer werdenden Klima gibt es jedoch noch andere Methoden. Peter Felser hatte die Exit-Strategie gewählt, so schien es jedenfalls vor einem Jahr. Felser, der Gründer und frühere Mitbesitzer der zweitgrössten Schweizer Werbeagentur Leo Burnett Schweiz (vorher SFLB) verkaufte seine Anteile und zog sich aus dem Werbegeschäft zurück. Nun aber meldet sich der langjährige, erfolgreiche Werber mit einem aufsehenerregenden Comeback zurück. Zwar nicht bei der selben Agentur, im Gegenteil: Er geht bei Serviceplan Schweiz an Bord, bei derjenigen Firma, die erst seit einem Jahr auch in der Schweiz mit einem Standort präsent ist und inzwischen bereits rund 30 Mitarbeitende unter Vertrag hat. „Wir wollen zu einer der führenden Kreativagenturen im Land werden“, präsentierte Geschäftsführer Florian Haller vor einem Jahr seine hochfliegenden Pläne. Bild: Keystone, Karl-Heinz Raach   Diese Kampfansage bleibt nicht ohne Folgen; die Schweizer Agenturen wappnen sich. Verstärkung von Digital-Know-how, so beispielsweise ein Rezept von Advico Y&R und Jung von Matt/Limmat. Erste fusionierte zwecks Synergienutzung den Standort Zürich mit demjenigen in Genf, während JvM/Limmat mit Roman Hirsbrunner auf einen neuen CEO setzt, der durch den Aufbau der Digital-Agentur Maxomedia vertieftes Online-Know-how vorweisen kann. Zwar geben die Werber – entsprechend ihrer Berufsmanier – nach aussen Optimismus vor, wie die am Freitag vom BSW leading swiss agencies präsentierten Prognosen fürs 2014 zeigen. Doch die Agenturen sehen sich zunehmend vor Grenzen gestellt. BSW-Präsidentin Nadine Borter machte anlässlich der Präsentation in Zürich keinen Hehl daraus, dass Tempo, Preisdruck und Fachkräftemangel den führenden Schweizer Werbe- und Mediaagenturen zu schaffen machen. Klar erwähnte sie, dass auch die Auftraggeber erkannt hätten, dass die zunehmende Komplexität aufwändigere Lösungen erfordert (vgl. Interview persoenlich.com). Schwierig aber wird es, wenn Marketing-Entscheider in immer kürzeren Fristen Erfolge ausweisen müssen. Dass solche Zwänge den Agenturen immer kleineren Raum für Kreativität und die Ausarbeitung wirklich effektiver Werbung lassen, sehen viele Auftraggeber ein, trotzdem sind ihnen durch interne (Finanz-) Zielvorgaben die Hände gebunden. Wie es abgesehen von der Wirtschaftlichkeit um die Qualität in der Branche steht, weist sich Ende Januar, wenn der Art Directors Club wiederum die kreativsten Arbeiten mit Metall-Würfeln veredeln wird. Wird sich der zunehmende ökonomische Druck auch auf die Kreativität der Werbung auswirken? Fest steht: Tatsächlich neue, herausragende Kampagnen fehlten 2013. Und dass die in den letzten vier Jahren meist ausgezeichnete Agentur Ruf Lanz in ihrem Jubiläumsjahr auf eine Teilnahme an der ADC-Jurierung verzichtet – aus welchen Gründen auch immer –, ist für den Wettbewerb sicher auch nicht förderlich. Bei allen diesen Nöten muss der Blick fürs Ganze gewahrt bleiben. Die Kommunikationsbranche ist und bleibt ein bedeutender volkswirtschaftlicher Faktor. Sie beschäftigt rund 22'000 Personen und trägt mit einem Umsatz von rund 7,3 Milliarden Franken pro Jahr gut 1,34 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei, wie eine im November veröffentlichte Studie vom Verband Schweizer Werbung gezeigt hat. Ausserdem zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer ab: Economiesuisse rechnet laut "Tages-Anzeiger" für 2014 mit einem Wachstum des Bruttoinlandproduktes um 2,2 Prozent, der Binnenmarkt sei weiterhin auf einem stabilen Wachstumspfad. Dies gelte für die Baubranche ebenso wie für den Detailhandel oder das Gesundheitswesen, so der Unternehmer-Dachverband. Die Gewässer werden also nicht unbedingt ruhiger, könnten aber zunehmend wieder mehr Wasser führen.
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