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Wie das Uvek zehn Millionen «verlocht»

Peter Marti

Erneut lanciert der Bund eine Kampagne die predigt. Die Sparkampagne verwendet Didaktik. Das darfst du nicht mehr tun. Das solltest du tun. Das geschah bereits mit der Covid-Kampagne, welche auf Statistiken und Zahlen basierte, die am Ende der Kampagne niemand mehr hören wollte. Kein Kind und auch kein Erwachsener mag Didaktik. «Kalt duschen», «Lichter löschen», «Sparlampen verwenden», «Bildschirmzeit verkürzen»: Das sind illusorische Vorstellungen der Wirkung von Werbung. Im Unterschied zu Covid gibt es keine Zahlen mehr. Dafür lächerliche Spartipps wie zum Beispiel: Beim Kochen soll man einen Deckel auf den Topf setzen, da werde auch das Essen schneller gar. Es ist eine Illusion zu glauben, dass didaktische Kommunikation wirkt.

Vielmehr müssten Reize ausgelöst werden. Positive Reize. Denn wenn es um Reize geht, arbeitet unser Gehirn wie verrückt. Aber leider mehrheitlich im Unterbewusstsein. Jetzt ist es den Neurologen gelungen, einen Schritt in unser Unterbewusstsein zu machen. Wissenschaftler in den USA zeigen ihren Probanden TV-Spots und Videofilme mit Botschaften und messen danach im Labor die neuronalen Reaktionen. An der Universität in Münster versuchen Studenten herauszufinden, wie Konsumenten auf verschiedene Kaffeemarken reagieren. Und rund um den Erdball bemühen sich Marktforschungspsychologen um die Antwort, weshalb die eine Marke der anderen Marke vorgezogen wird. Alle bemühen die Neurologie und andere Wissenschaften, die den Ablauf einer Entscheidung oder eines Verhaltens beeinflussen.

Alle Wissenschafter haben gemeinsam längst herausgefunden, dass das Verhalten eines Strombezügers rein emotional beeinflusst wird. Das Kleinhirn beziehungsweise die linke Gehirnhälfte steuert diesen Prozess und überlagert den rationalen Entscheid deutlich. Die Frage ist, wie sich diese Gehirnhälfte beeinflussen lässt.

Wissenschaftlich ist klar, dass der präfrontale Kortex, der an der Stirnseite des Gehirns sitzt, die eigentliche Steuerung der Emotionen im Hirn verursacht. Messgeräte haben in der Wissenschaft aufgezeigt, welcher Teil des Kortex aktiviert ist. So wirkt zum Beispiel bei Männern der Anblick von Michelle Hunziker zuerst auf den unteren Kortex, während bei längerer Betrachtungsdauer eher der obere Kortex-Teil beansprucht wird. Vorausgesetzt natürlich, dass der männliche Proband zuerst einmal durch emotionale Reize aktiviert wird.

Eine gute Idee, die emotional wirkt, kann magisch wirken. Es gibt dazu viele Beispiele. Kreative Ideen dürfen laut sein, provozieren, mit Tabus brechen, sofern sie immer den grundlegenden Produktaussagen folgen. 90 Prozent aller Werbekampagnen schiessen ins Leere. Wir ignorieren sie, selbst wenn wir sie wahrnehmen. Die schlechtesten Ideen sind die didaktischen, pädagogischen Ideen: das Erklären eines Produktes oder Erklären eines Verhaltens. Das Uvek und seine Werber haben eine miserable Idee lanciert, die an Peinlichkeiten nicht zu überbieten ist. Es ist die mit Abstand langweiligste und irrelevanteste Kampagne des Bundes. Die Menschen sind – nicht erst seit Covid – gegenüber schlechten Ideen immun geworden. Konsumenten lassen sich nicht für dumm verkaufen. Wir leben in einer Konsumentendemokratie. Weshalb soll ich wegen dieser Kampagne kürzer duschen?

Beim Uvek wäre ein eigentliches Kultmarketing gefragt gewesen. Emotionen zum Träumen, zum Mitmachen. Es gibt genügend Beispiele von Kultmarketing: Gesundheitsschuhe oder Sneakers, die plötzlich zum Modetrend werden (Birkenstock beziehungsweise On). In der täglichen Praxis überrascht mich immer wieder, wie wenig Werbetreibende über Sehnsüchte und Träume ihrer Kunden oder der Bevölkerung wissen, dafür umso mehr Marktforschungsdaten herunterrasseln können. Das ist wertlos und dient lediglich der vermeintlichen Bestätigung.

Die Schweizerinnen und Schweizer sind heute täglich mit 4500 Werbebotschaften konfrontiert. Sie nehmen einen Bruchteil wahr. So wird es auch mit der teuren Uvek-Kampagne geschehen. Das Zehn-Millionen-Budget ist jetzt schon «verlocht.»

Falls Simonetta Sommaruga oder Guy Parmelin das Gefühl haben, dass auch schlechte Ideen ihre Wirkung entfalten, sei an die treffende Bemerkung des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln (1809–1865) erinnert: «Man kann das ganze Volk eine Zeit lang täuschen und man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen. Aber man kann nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen.»



Peter Marti ist Inhaber der digitalen Kreativagentur Marti Communications.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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