13.05.2018

Solothurner Literaturtage

18'000 Eintritte sorgen für Besucherrekord

Die 40. Ausgabe mit rund 190 gut besuchten Veranstaltungen ist am Sonntag zu Ende gegangen.
Solothurner Literaturtage: 18'000 Eintritte sorgen für Besucherrekord
War einer der Publikumsmagnete: der Schweizer Schriftsteller Pedro Lenz. (Bild: Keystone/Anthony Anex)

Mit einer Lesung von Peter Stamm und einer Spoken-Word-Performance von Pedro Lenz sind am Sonntagnachmittag die 40. Solothurner Literaturtage zu Ende gegangen. 18'000 Eintritte wurden an den 190 Veranstaltungen mit über 70 Mitwirkenden gezählt – 2000 mehr als im Rekordjahr 2017.

Dazu kamen während der drei Tage Hunderte «Zaungäste», welche die 50 Gratis-Kurzlesungen auf der Aussenbühne verfolgten. Zeitweise gab es kein Durchkommen mehr am Landhausquai, weil sich dichte Menschentrauben um das Podium scharten.

Die Kilbi-Atmosphäre wurde dieses Jahr noch verstärkt dadurch, dass die Organisatoren zur Feier des 40-Jahr-Jubiläums die Abendlesungen durch ein literarisches Flanierangebot ersetzten – mit Konzerten, Spoken-Word-Performances und literarischen Spielereien draussen sowie in Restaurants und Bars. Am Samstag gab es zusätzlich eine Geburtstagsparty, bei der Autoren und zugewandte Kreise Musik auflegten. Dem Vernehmen nach wurde bis in die Morgenstunden getanzt.

Was hat sich in den 40 Jahren seit der Gründung der Literaturtage verändert? Das wurde tagsüber in mehreren Dialogen zwischen Literaturtage-Gründern und Newcomern reflektiert. Am schönsten brachte es am Sonntag Peter Bichsel auf den Punkt: «Noch nie war das, was in der Schweiz von jungen Autoren – und vor allem Autorinnen! – geschrieben wurde, von so hoher Qualität.»

Beim Bewährten bleiben

Die diesjährige Ausgabe wird nicht als eine der Experimente in die Annalen eingehen. Man hielt sich an bewährte Formate wie Dichterlesung, Poesiesalon und Übersetzeratelier. Das schon fast traditionelle Zukunftsatelier war den Chatbots gewidmet: digitale, scheinbar menschliche Assistenten, mit denen User in Dialog treten können. Warum sind die meisten Chatbots – wie die berühmte Siri – weiblich, lautete eine der Fragen? Weil Frauen traditionell hilfreich und unterwürfig sind?

Bei den klassischen Lesungen galt: je bekannter der Autor, die Autorin, desto grösser das Publikumsaufkommen. Magnete waren erwartungsgemäss Pedro Lenz, Peter Stamm, Hansjörg Schneider, Arno Camenisch und Franz Hohler.

Aber auch DebütantInnen – heuer nicht weniger als zwölf – fanden ihr Publikum. Die Erstlingsautorin Yael Inokai erzählte ganz nebenbei von ihrer Schwellenangst: Bevor sie ihr erstes Buch veröffentlicht habe, hätte sie sich nie an die Literaturtage getraut. Es wäre für sie gewesen, als müsste sie unentwegt Leuten beim Küssen zuschauen.

Der Stürmicheib und der Schwafler

Pedro Lenz war mit fünf Veranstaltungen einer der meistbeschäftigten Autoren dieses Jahr. Unter anderem gab es ein Übersetzeratelier mit Raphael Urweider, der Lenz’ Werke ins Hochdeutsche übersetzt. Müsste eigentlich einfach sein, denkt man, deutsch ist deutsch. Aber weit gefehlt. Das Lexikalische – ist ein «Stürmicheib» dasselbe wie ein «Schwafler»? – ist nur ein Problem. Ein anderes: dass es im Berndeutschen nur zwei Zeitformen gibt, Perfekt und Präsens.

Zu Mehrfacheinsätzen kam auch Melinda Nadj Abonji. Am Freitag sass sie auf dem Podium über die Jugoslawienkriege und erzählte, wie sie sich damals in der Schweiz zum Schweigen verurteilt sah angesichts der Art und Weise, wie die Medien das Thema annektierten. «A sentence can be a sentence», ein Satz kann ein Urteil sein, fand sie und betonte, dass man Krieg nicht literarisch dokumentieren könne. Ihr Anliegen in ihrem neuen Roman «Schildkrötensoldat» sei das Militärische in den Köpfen gewesen – und ein utopisches Moment als sprachliche Möglichkeit.

Tags darauf lieferte Nadj Abonji als eine der wenigen eine nicht klassische Lesung ab: Der Spoken-Beat-Performer Jurczok 1001, seit 20 Jahren Bühnenpartner der Autorin, gab ihr unangekündigt Verstärkung. Die beiden ernteten einen der wärmsten und längsten Applause.

Mut zur Reduktion

Ein diskretes, aber wirkungsvolles Novum: Die Solothurner Literaturtage programmierten heuer deutlich weniger Veranstaltungen im grossen Landhaussaal. Dank längeren Pausen blieben die langwierigen Staus, die in den vergangenen Jahren jeweils beim Rein- und Rausschleusen des Publikums entstanden, aus. Für das Stammpublikum, dessen Durchschnittsalter bei 50 Jahren liegen dürfte, war das eine spürbare Erleichterung. (sda/cbe)

 



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