15.10.2008

"Das Filmbusiness wird nicht von Investoren überrannt"

Am 23. Oktober läuft mit "Marcello Marcello" die neueste Schweizer Filmproduktion von C-Films in den hiesigen Kinos an. Als Produzentin der Liebeskomödie fungierte Anne Walser, die auch schon mit Oscar-Preisträger Xavier Koller für "Havarie" und mit Michael Steiner für "Grounding" zusammenarbeitete. Dass ihr Job mehr verlangt, als bloss Geld aufzutreiben, dass der Regisseur dann ausgibt, wird im Gespräch mit "persoenlich.com" schnell deutlich. Das Interview:
"Das Filmbusiness wird nicht von Investoren überrannt"

Frau Walser, warum erzählt ein Schweizer Film eine italienische Geschichte?

Die Vorlage für den Film bildete das Buch "Marcello’s Date" von Mark David Hatwood, welcher auch das Original Drehbuch geschrieben hat. Nachdem er sich bei einem Ferienauftenthalt unsterblich in das Land Italien verliebt hatte, beschloss er, Marcellos Geschichte dort anzusiedeln.

Was macht den Film dennoch Schweizerisch?

"Marcello Marcello" ist eine Schweizer Produktion mit minoritärer Beteilung aus Deutschland drei Viertel des Geldes stammt aus der Schweiz. Die C-Films ist ausserdem eine heimische Filmproduktionsfirma sowie auch ein Grossteil der Filmtechniker aus der Schweiz, insb. Zürich stammte. Mit Denis Rabaglia zeichnet ein Westschweizer Filmemacher für die Regie verantwortlich. Ein sehr schweizerisches Projekt also.

Nochmals anders gefragt: Warum wählt eine Schweizer Produktionsfirma eine italienische Geschichte von einem englischen Autor für eine Verfilmung aus?

Mit einem solch internationalen Stoff gelingt es uns hoffentlich, den Film auch über die Schweizer Grenzen hinaus zu tragen.

Steht denn schon fest, dass der Film auch im Ausland zu sehen sein wird?

Der Film wird bis jetzt sicher in der Schweiz, in Deutschland, in der Türkei und in den Benelux-Ländern auf die Leinwände kommen. Italien zeigt grosses Interesse. Und wir sind guter Dinge, dass weiter Länder dazu kommen werden.

Sie sind die Produzentin des Films, das heisst sie suchen das Geld und der Regisseur gibt es aus?

Das ist eine sehr stark vereinfachte Stellenbeschreibung. Ein Produzent begleitet ein Projekt von A bis Z, während die meisten anderen Funktionen nur in eine einzige Arbeitsphase (zBsp. Dreharbeiten, Postproduktion) involviert sind. "Marcello Marcello" hatte eine Entstehungsgeschichte von über drei Jahren. Als Produzentin war ich bereits seit Drehbuchstadium mit dabei, habe mit dem Regisseur über die Rollenbesetzung entschieden, habe Drehorte ausgewählt. Auch die Zusammenstellung der Filmcrew ist Teil meiner Aufgabe. Und selbstverständlich hat der Produzent auch die Aufgabe das Geld für die Produktion zu finden und das Budget unter Kontrolle zu halten

Ist eine Produzentin nur in der Schweiz "Mädchen für alles" oder ist das überall so?

(lacht) In Hollywood hat ein Produzent sicher mehr Assistenten, aber der Job ist der gleiche. Grundsätzlich muss ein Produzent bei jeder Arbeitsetappe so nahe wie möglich dabei sein. Schliesslich ist auch er es, der den Film am Schluss verkaufen muss. Und es ist immer am einfachsten, etwas zu verkaufen, das man hautnah miterlebt und selber mitgestaltet hat.

War die Produktion von "Marcello Marcello" über die letzten drei Jahre eine Vollzeitstelle?

Nein, das wäre für C-Films nicht sehr wirtschaftlich. Ich betreue mehrere Projekte in verschiedenen Phasen gleichzeitig.

Kann man in der Schweiz ohne Fördergelder einen Film finanzieren?

Bei "Marcello Marcello" war das nicht möglich. Das riskante Filmbusiness ist zudem nicht ein Betätigungsfeld, das von Investoren überrannt wird. Trotzdem gelingt es immer wieder private Mittel zu finden. Diese Leute denken meistens nicht in erster Linie an den wirtschaftlichen Erfolg, sondern haben vor allem an Filmen Freude und halten es für wichtig, die Filmkultur zu pflegen und zu unterstützen. .

Das heisst, sie können als Schweizer Produzentin gar nicht Gewinn-orientiert arbeiten?

Im Gegenteil, ich muss Gewinn-orientiert arbeiten. Ein Produzent ist ein Unternehmer und das Ziel ist dementsprechend wirtschaftlicher Erfolg. Das gleicht zugegeben manchmal auch einem Kampf.

"Marcello Marcello" feierte seine Weltpremiere am Filmfestival Locarno. Wie wichtig sind Festivalauftritte für einen Schweizer Film, um Verleiher zu finden?

An Filmfestivals sind oftmals viele Verleiher und damit potentielle Käufer anwesend. Darum handelt es sich um wichtige Verkaufsplattformen. Auch gute Festivalspresse ist wichtig. Die Festivals sind aber nicht nur für Schweizer Filme wichtig, sondern für alle Filme generell.

An welchen Festivals wird "Marcello Marcello" noch zu sehen sein?

In Kalkutta zum Beispiel. Wir rechnen uns mit unserer Feel Good-Komödie gute Chancen für den asiatischen Raum aus. Nicht zuletzt gerade deshalb, weil der Film in Italien spielt. Es sind auch weitere Festivalstarts und Marktbesuche geplant, um den Film in weitere Länder verkaufen zu können.

Die Schweiz hat nun neben Locarno mit dem Zurich Film Festival ein zweites internationales Filmfestival mit einem gewissen Glamour-Effekt. Stärkt das den Filmplatz Schweiz zusätzlich?

Locarno und Zürich verschaffen der Schweiz kulturelle Aufmerksamkeit in der Schweiz und im Ausland. Weiter bilden diese Festivals einen idealen Begegnungsort für Filmschaffende aus dem In- und Ausland und partnerschaftliche Kooperationen müssen gerade in einem kleinen Markt mit begrenzten Möglickeiten gepflegt werden. Wichtig ist für unsere Festivals, dass sie möglichst viele potentielle Käufer in die Schweiz locken.

Mit Marc Forster oder Bruno Ganz hat der Schweizer Film internationale Aushängeschilder. Steigt damit auch das Ansehen von Schweizer Produktionen?

Natürlich wird es international registriert, wenn Filme wie "Vitus" und "Mein Name ist Eugen" viele Zuschauer ins Kino locken oder mit Marc Forster ein Schweizer der neue Bond-Regisseur ist. Unter den Filmemachern spielt die Nationalität aber weniger eine Rolle, da kommt es mehr auf die einzelne Person an.

(Interview: Stefan Wyss)

Die Handlung von "Marcello Marcello":

Italien, 1958. In dem malerischen Amatrello hat sich der eigenartige Brauch entwickelt, dass die Väter anhand der Geburtstagsgeschenke die ersten Rendezvous ihrer Töchter bestimmen. So herrscht unter den jungen Männer des Dorfes ein steter Kampf um die besten Geschenkideen. Der 18-jährige Marcello hält von dieser Tradition nichts.... bis er zum ersten Mal die zauberhafte Elena erblickt.

Marcellos Suche nach dem perfekten Geschenk beginnt, nur leider besitzt der Fischersohn kein Geld und die Zeit ist knapp! Eine zündende Idee später, sieht er sich bald in Tauschgeschäfte mit dem ganzen Dorf verwickelt und seine Mission wächst zu einer Art Versöhnungsprozess unter den Dorfbewohnern.

--> Trailer auf http://www.marcellomarcello.ch


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