10.01.2023

Fall Prinz Harry

«Es geht um sehr viel Geld»

Die Memoiren von Prinz Harry sorgen für Schlagzeilen. Flavia Schlittler, stellvertretende Leiterin im Ressort People bei der Blick-Gruppe, über seine Motive und mögliche Folgen der Publikation.
Fall Prinz Harry: «Es geht um sehr viel Geld»
«Dass ein Blaublüter erbarmungslos mit massiven Vorwürfen gegen die eigene Familie um sich schlägt, gab es in dieser Dimension noch nie», so Blick-Journalistin Flavia Schlittler. (Bild: Ringier)
von Matthias Ackeret

Frau Schlittler, haben Sie als Gesellschaftsjournalistin schon etwas Ähnliches wie den Fall Harry erlebt?
Nein, definitiv nicht. Natürlich gab es immer Skandale in den europäischen Königshäusern. Vom Thronverzicht König Edwards VIII., als er 1937 die geschiedene US-Amerikanerin Wallis Simpson heiratete, bis über die Schlagzeilen der letzten Jahrzehnte. Es gab die öffentliche Drogenbeichte der norwegischen Kronprinzessin Mette-Marit. Fürst Albert, der sich lange nicht zu seinen beiden unehelichen Kindern bekannte. Oder den Tampon-Skandal des heutigen Kings Charles III. mit seiner Gattin Camilla, das Verhältnis, das beide schon während der Ehe mit Prinzessin Diana hatten – und natürlich der Missbrauchsskandal um seinen Bruder Prinz Andrew. Dass ein Blaublüter gnaden- und erbarmungslos mit massiven Vorwürfen gegen die eigene Familie um sich schlägt, wie es derzeit Prinz Harry in seiner Autobiografie «Spare» und diversen Interviews tut und auch jenseits des guten Geschmacks keine Grenze kennt, indem er zum Beispiel seinen Bruder, Thronfolger Prinz William, als beschnitten outet, gab es in dieser Dimension noch nie.

Hat Harry mit seiner Kritik, dass er von der Familie vernachlässigt wurde, recht?
Wenn sich jemand vernachlässigt fühlt, kann ihm niemand dieses Gefühl absprechen. Prinz Harry fühlt sich von seiner Familie emotional und finanziell im Stich gelassen und verraten. Seinem Bruder wirft er Brutalität vor, seinem Vater Kaltherzigkeit, seiner Stiefmutter ein böses Spiel mit der britischen Presse. Er fühlt sich von seiner Familie nicht geschützt, nicht verstanden und unterstellt ihr, die Presse mit privaten Details beliefert zu haben, die zuungunsten von ihm und Herzogin Meghan dann ausgespielt wurden. Kurzum, seine Familie ist ganz schlimm, eine furchteinflössende Institution, was er so aufzudecken versucht.

«Gewisse Aussagen bringen Prinz Harry und seine Familie in höchste Lebensgefahr»

Was treibt ihn schlussendlich wirklich an? Ist es das Geld oder seine Frau?
Ich würde sagen, es ist sein Narzissmus, die Überzeugung, endlich seine Wahrheit sagen zu müssen – und es geht um Geld, sehr viel Geld. Seine Netflix-Doku «Harry & Meghan» und seine heute erschienene Biografie sollen ihm rund 130 Millionen Franken einbringen. Seit ihn sein Vater finanziell nicht mehr unterstützt, muss er für seinen sehr teuren Lifestyle und die Sicherheitskosten von aktuell geschätzten sechs Millionen Franken pro Jahr selbst aufkommen. Punkto Meghan denke ich, dass sie ihn dabei sicher unterstützt hat, seine Autobiografie zu schreiben. Und in puncto Narzissmus begegnen sie sich auf Augenhöhe.

Wurde er mit der Veröffentlichung des Buches gut beraten?
Nein, weil er offensichtlich keinen Filter hatte und er auch nicht davor gewarnt wurde, dass gewisse Aussagen ihn und seine Familie in höchste Lebensgefahr bringen. Dass er darüber schreibt, während seiner beiden Afghanistaneinsätze 25 Taliban-Kämpfer umgebracht zu haben, macht ihn zur Terror-Zielscheibe. Bei den Taliban gilt er als Kriegsverbrecher, für das britische Militär hat er einen wichtigen Eid gebrochen.

Warum reagiert das Königshaus nicht auf die Vorwürfe?
Weil sie dem Credo von Queen Elizabeth II. folgen: «Never complain, never explain» – erklär dich nicht, beschwer dich nicht. Zudem wären es zu viele Vorwürfe, am Schluss wäre es eine öffentliche Du-sagst-ich-sage-Schlammschlacht, bei der das Königshaus nur verlieren würde.

Ist das Band nun endgültig zerschnitten?
Ich denke nicht. Wahrscheinlicher ist die Rückkehr des verlorenen Sohnes – eines Tages. Prinz Harry macht es sich einfach, indem er sagt, er liebe und vermisse seinen Vater und seinen Bruder, er wäre zu einer Versöhnung bereit, der Ball liege im Feld der Familie. Er wird auch zur Krönung seines Vaters am 6. Mai eingeladen, wenn auch ohne offizielle Funktion. Da dies jedoch der Tag ist, an dem sein und Meghans Sohn Archie den 4. Geburtstag feiern wird, kann es auch sein, dass er dies als Grund nimmt, lieber in den USA zu bleiben.

«Eine Reality-TV-Show mit den beiden ist sehr gut denkbar»

Ist die Story mit der Publikation des Buches fertig?
Nein, denn Geld müssen sie weiter verdienen. Auch wenn Harrys Geschichte auserzählt ist, wird er noch in weitere Talkshows ziehen. Ausserdem steht noch die Biografie von Herzogin Meghan an und längerfristig ist eine Reality-TV-Show der beiden sehr gut denkbar. Sie müssen stattfinden, um relevant zu bleiben, nur so können sie sich weiter vergolden lassen. 

Spüren Sie schon eine Harry-Müdigkeit beim Publikum?
Nein, im Gegenteil. Harry lässt kein Spektrum aus. Er bedient Fans von Märchen, geplatzten Träumen und Dramen genauso wie Royalisten, Monarchiegegnerinnen und solchen, die Sex-Drugs-and-Rock'n'Roll-Geschichten mögen.

Hatten Sie persönlich schon mal Kontakt mit dem Königshaus?
Ich habe die damaligen Prinzen Charles, William und Harry öfters in Klosters getroffen. Als William seine heutige Frau, Prinzessin Kate, erstmals mit in die Ferien nahm, verbrachte ich mit ihnen, ihrer kleinen Entourage und etwa zwanzig weiteren Personen Stunden in einer Bar. Harry übernahm die Funktion des DJs und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Als er sein Handy nicht mehr fand, kroch er auf dem versifften Boden unter den Tischen durch, bis er es fand. William tanzte hüftsteif, Kate sass ganz ruhig auf einer Bank in einer Ecke. Auch in einer Pizzeria sind sie mir schon begegnet.



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