15.06.2017

Hans Peter Riegel

«Film ist nicht die Oper oder die Tonhalle»

Der Dokumentarfilm «Mel. Das andere Leben» des Künstlers Hans Peter Riegel läuft seit Donnerstagabend im Zürcher Kino Xenix. Im Interview erklärt der ehemalige Werber, weshalb sich der Einsatz des iPhones bewährte, die Dreharbeiten mehrmals unterbrochen werden mussten – und was ihn an der hiesigen Kulturszene stört.
Hans Peter Riegel: «Film ist nicht die Oper oder die Tonhalle»
«Man muss feststellen, dass man sich im ach so reichen Zürich, die Zähne ausbeisst, wenn man für ein Film-Projekt Geld sucht», sagt Hans Peter Riegel. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Riegel, Ihr Film «Mel. Das andere Leben» kann man seit Donnerstag im Kino Xenix in Zürich sehen. Wie sind Sie auf Mel und ihr Schicksal aufmerksam geworden?
Melanie war Barmaid im Josef, meiner Stammbeiz. Wenn die Stühle hochgestellt wurden, kamen wir ins Gespräch. Und so erzählte sie mir nach und nach über ihr Leben. Eines Tages sagte ich ihr, dass ich darüber gerne einen Film machen würde. Sie hat mich für komplett irre gehalten.

Und dann haben Sie den Film trotzdem gemacht? 
Eigentlich hatte ich zunächst ein Drehbuch für einen mehr fiktionalen Film geschrieben, das auf Motiven aus ihrem Leben basierte. Damit bin ich zu ein paar Zürcher Produzenten gegangen. Beziehungsweise habe ich das versucht. Manche haben weder auf Mails, noch auf Telefonanrufe reagiert. Die haben wohl gedacht, ich sei auch nur wieder so ein Vollidiot, der keine Ahnung von der Geheimwissenschaft Film hat und der sich jetzt erdreistet, in ihr heiliges Gärtlein zu treten. Meine Frau ist ja auch im Mediengeschäft, hat also das erforderliche Know-how. Wir haben dann beschlossen, den Film gemeinsam zu produzieren.

Wie sind beim Filmen vorgegangen?
Ich habe dann das Spielfilm-Buch erst einmal bei Seite gelegt und über Melanie einen Dokumentarfilm konzipiert. Sie hat mir Kisten voll mit Tagebüchern und Fotos sowie private Videos überlassen – ein sehr guter Fundus für einen Dok-Film. Hinzu kamen Recherchen in diversen Archiven über die Hausbesetzer- und Letten-Zeit. Auf Basis dieser Recherchen habe ich dann Melanie interviewt und wir haben begonnen Sequenzen zu drehen, die illustrativ sind. Hinzu kam Dok-Material von Zürcher Underground-Filmern. Vor allem Mischa Brutschin hat grossartiges Material beigesteuert.

Sie haben für Ihren Film vor allem das iPhone benutzt (persoenlich.com berichtete). Wie hat sich dies bewährt?
Grossartig. Es braucht keinen Aufwand, bis man drehen kann. Man ist schnell und unauffällig. Wir haben nachts auf der Langstrasse gefilmt. Wenn man da mit einem herkömmlichen Film-Equipment herumläuft, hat man sofort die Gaffer und die Szene ist im Eimer. Mit dem iPhone hat uns niemand beachtet.

Gab es dadurch keine Probleme bei der Produktion?
Im Gegenteil. Man hat eine Auflösung von 4K und braucht fürs Kino nur 2K. Kontrastreiche, gestochen scharfe Bilder. Der Workflow hinterher ist sowieso einfach, weil man ja auf Mac dem schneidet.

Wie hat Mel auf den ganzen Film reagiert?
Es war mitunter schwierig für sie. Manchmal hatte sie schon Tage vor einem Drehtermin schlecht geschlafen. Die alten Bilder kamen wieder. Es gab Situationen, da mussten wir abbrechen, weil ihr die Tränen kamen, weil sie regelrecht zusammenbrach. Man sieht das im Film. Als alles fertig war und wir im vergangenen Dezember das erste Test-Screening in einem Kino hatten, war sie überwältigt.

Die Finanzierung war doch ungewöhnlich. Sie setzten vor allem auf Crowdfunding. Wie war die Resonanz?
Schwierig. Ich glaube nicht, dass wir das nochmals so machen würden. Man muss die Leute für 28 Franken regelrecht anbetteln. Am Ende war es ein einzelner, grosszügiger Spender, der die gewünschte Summe aufgebracht hat.

War es schwierig, Sponsoren zu finden?
Eigentlich unmöglich. Man muss feststellen, dass man sich im ach so reichen Zürich, die Zähne ausbeisst, wenn man für ein Filmprojekt Geld sucht. Film ist eben nicht die Oper oder die Tonhalle. Was ich deutlich unterstreichen will, dass Migros-Kulturprozent dann den Film sehr kooperativ und mit einem guten Betrag gefördert hat.

Wo kann man den Film jetzt sehen?
Er läuft ab sofort im Xenix. Im Herbst werden Special Screenings folgen.

Sie sind bereits am nächsten Projekt. Worum geht es diesmal?
Der nächste Film heisst «Drifted». Es ist ein Spielfilm über einen jungen Mann der an Hypersensiblität leidet und sich in der kranken Welt von heute nicht mehr zurechtfindet. Es ist uns gelungen mit Julian Koechlin den vielleicht begabtesten jungen Schauspieler der Schweiz für die Hauptrolle zu gewinnen.

Wie produzieren Sie dieses Mal?
Wir drehen den gesamten Film wieder mit Smartphone. Dieses Mal mit dem Samsung Galaxy 8+. Ausserdem dauern die Dreharbeiten nur fünf Tage, weil wir die Szenen in Echtzeit entlang der realen Story-Entwicklung drehen. Am 17. Juli geht es los. Am 30. Oktober ist der Film fertig. Inklusive Postproduktion und Soundtrack.

Sie sind Ex-Werber, Buchautor, erfolgreicher Künstler, ehemaliger Spitzenfussballer. Überfordern Sie den Kulturkuchen nicht damit?
Obwohl ich einen Schweizer Pass habe, bin ich in Deutschland geboren und deshalb Migrant. Man gibt mir das bis heute durch. Nicht die normalen Leute, nicht meine Freunde, nicht die Kameraden im Fussballclub. In der hiesigen Kulturszene hingegen, bleibt man lieber unter sich.



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