18.03.2020

Stoff für den Shutdown

Kulturschaffende schreiben über Coronakrise

Kulturveranstaltungen können im Moment nicht stattfinden. Dies ist existenzbedrohend für freischaffende Künstlerinnen und Künstler. Deshalb lancieren Schreibende aus Kultur und Medien zusammen ein Print-Magazin mit Geschichten über den Shutdown.
von Loric Lehmann

«Schwebezustand. Wir sind alle zuhause oder sollten da zumindest sein. Und was machen wir jetzt? Netflix? Brettspiele? Die einsamen Socken in der Sockenschublade endlich wieder zusammenführen?» So heisst es im Projektbeschreib der Crowdfunding-Seite Crowdify über das Projekt «Stoff für den Shutdown»: Ein von freien Medien- und sonstigen Kulturschaffenden gemeinsam lanciertes Printmagazin.

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«Die Umarmung, die gerade noch möglich ist»

Für die erste Ausgabe reicht das gespendete Geld bereits – am nächsten Dienstag geht diese in den Druck. Das Konzept dafür wurde innerhalb 48 Stunden aus dem Boden gestampft, wie Benjamin von Wyl, Freier Journalist und Herausgeber des Magazins, gegenüber persoenlich.com erklärt: «Wir sind unfassbar dankbar, erleben wir diese Lockdown-Situation heute und nicht vor 20 Jahren. Der Austausch online ist sehr wertvoll. Trotzdem glauben wir, dass ein Print-Zine in der Sondersituation eine Stufe weitergeht. Zeitungen planen bereits für ‹Online only›-Notfälle. Ein gedrucktes Magazin ist plötzlich ein Versprechen, etwas, was Nähe und Austausch bieten kann.» Eine «Umarmung, die gerade noch möglich ist», wie von Wyl das Magazin beschreibt.

Kein Courant normal möglich

Neben von Wyl steht noch Co-Redaktor Daniel Kissling hinter dem Projekt. Er führt das Kulturlokal Coq d'Or in Olten. «Samstagnacht war uns beiden klar, dass in der kommenden Zeit weder an Stammtische noch an Reportagenalltag zu denken ist. Gleichzeitig war bei uns und dem Grafikteam der Wille da, etwas zu tun zu haben, diese Energie zu kanalisieren», sagt von Wyl.

Der Journalist habe sich daraufhin den ganzen Sonntag «durch die Schweizer Literaturwelt» telefoniert und so gespürt, dass es anderen ähnlich gehe: «Schreiben, was man empfindet. Schreiben, was aus dem Jetzt herauskommt und hoffentlich Ende März den Lesenden noch etwas erzählt. Denn weiter als Ende März können auch sonst Überzeitlichkeit anstrebende Literatinnen und Literaten gerade nicht denken», so von Wyl.

300 bis 400 Franken Honorar

Ein Gedanke hinter dem Projekt ist ausserdem, den Schreibenden einen Zustupf für die kommende Zeit in der Krise zu geben. Ab 7000 Franken – die inzwischen erreicht sind – gehen alle Einnahmen als Honorar an die Beteiligten. Werden die 25'000 Franken erreicht, erhalten die 60 Schreibenden der ersten zwei Ausgaben ein Honorar von 300 bis 400 Franken. Von Wyl erklärt: «Das ist kein Polster, sondern bloss ein faires Honorar.»

«Natürlich fänden wir es wunderbar, wenn der Stoff für den Shutdown am Ende des Crowdfundings weit über der 25'000er-Schwelle stünden und wir wirklich jene, die es am nötigsten haben, stützen könnten. Für manche geht der Arbeitsalltag weiter, andere sagen mir, dass ihnen das gesamte Einkommen weggebrochen ist oder dass fix geplante Romane von Verlagen bereits jetzt um ein halbes Jahr verschoben worden sind. Die Situation ist für viele existenziell», so der freischaffende Journalist.

Wer bis 29. März im Crowdfunding bestellt, erhält «Ausgabe I» per Post am 31. März. «Ausgabe II» – wo von Wyl schon mit vielen tollen Autorinnen rechnet – soll dann Ende April bei den Leuten sein. Halte die Notlage länger an, komme wohl auch «Stoff für den Shutdown III». Nun gehe es aber darum, das Crowdfunding zu stemmen und bis nächsten Montag 30 Texte zu lektorieren, korrigieren, layouten und in einen spannenden Aufbau zu bringen, wie von Wyl abschliessend sagt.



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Kommentare

  • René Lüchinger, 18.03.2020 16:45 Uhr
    Super Idee. Good luck! Gegen Leere im Kopf und Viren around hilft Home-Office-Schreiben wie ein Lebenselixier!
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