17.01.2024

L'ultim Rumantsch

«Wir haben uns nicht an den Lebruments orientiert»

Ab Sonntag läuft die erste rätoromanische RTR-Serie am TV. «L'ultim Rumantsch» handelt von der Zeitung La Posta und der Verlegerfamilie Durisch. Regisseur Adrian Perez über die Arbeit im Writers' Room, den Dreh – unter anderem in Silvio Lebruments Büro – und die Kosten.
L'ultim Rumantsch: «Wir haben uns nicht an den Lebruments orientiert»
«Die Serie ist ein Stellvertreterspielplatz für Themen, die in der Luft liegen», sagt Regisseur und Head Writer von «L'ultim Rumantsch»: Adrian Perez. (Bilder: zVg)

Adrian Perez, Sie sind in Zürich geboren, im Appenzellerland aufgewachsen und haben unter anderem in Genf studiert. Wie häufig sind Sie bisher mit der rätoromanischen Sprache in Kontakt gekommen?
Wir waren früher mit der Familie häufig Skifahren in Savognin. Die Familie meiner Partnerin stammt aus diesem Dorf. Ein gewisses Band zur rätoromanischen Kultur existiert also. Für mich ist Rätoromanisch eine Art Geheimsprache und sie fasziniert mich schon länger. Das alles hat sicher geholfen, «L'ultim Rumantsch» zu machen. Es war aber am Schluss nicht ausschlaggebend. 

Was war denn ausschlaggebend?
Ganz einfach die Möglichkeit, überhaupt als Filmschaffender arbeiten zu können (lacht). 

Wie kam es denn dazu?
Bei «L'ultim Rumantsch» handelt es sich um die zweite rätoromanische Serie von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) und die erste, die am TV gezeigt wird. Bereits auf die erste Ausschreibung hatte ich ein Konzept eingereicht, dann aber leider nicht den Zuschlag erhalten. Als RTR dann die zweite Produktion ausgeschrieben hat, wies mich Chefredaktor Flavio Bundi in einem Mail darauf hin. Ich hatte aus meinen Fehlern gelernt und investierte viel Zeit in ein professionelles Konzept. Ich fragte Produzentin Sophie Toth von Shining Film an, welche die Idee auch toll fand. Zusammen haben wir uns im Pitch gegen die Konkurrenz durchgesetzt.

Wie viel von der Geschichte der Serie stand bereits, als Sie den Zuschlag bekamen?
Wir haben eine Geschichte über sechs Episoden eingereicht. Die Prämisse stand bereits: Eine junge Aktivistin wird zu einem alten weissen Mann. Auch die einzelnen Figuren waren charakterisiert. Es galt, die Geschichte authentisch, plausibel und nachvollziehbar zu erzählen. Die Bewerbung war eine Heidenarbeit. Aber es hat sich gelohnt. 


Die Serie handelt von einem Bündner Medienhaus und der rätoromanischen Zeitung La Posta. Was reizte Sie an diesem Thema?

Als ich das Konzept schrieb, wurde in der Schweiz aufgrund der Abstimmung heiss über das Mediengesetz gesprochen. Diese Diskussion hat mich zum Nachdenken darüber gebracht, was Medien leisten und welche Herausforderungen diese Branche hat. Auf das rätoromanische Volk heruntergebrochen steht die Frage im Raum: Was braucht es, um als Gesellschaft wahrgenommen zu werden? Und wie reagiert ein Volk, wenn man ihm ein Sprachrohr wegnimmt? Am Schluss soll die Serie keine Politik machen, sondern gute Unterhaltung bieten. Aber vielleicht hallen eben genannte Fragen bei den Zuschauerinnen und Zuschauern noch etwas nach.

Die Serie zeichnet mit Intrigen, Machtkämpfen und Abhängigkeiten ein eher schlechtes Bild vom Lokaljournalismus in Graubünden. War das Absicht?
Die Serie ist ein Stellvertreterspielplatz für Themen, die in der Luft liegen. Und die Rolle von Medien als Vierte Gewalt in unserer Gesellschaft wird die Schweiz gerade mit Blick auf die Halbierungsinitiative noch lange beschäftigen. Am Schluss zeigt «L'ultim Rumantsch» eine total fiktive Welt, die natürlich auch etwas überspitzt dargestellt wird.

Alles dreht sich um die fiktive Verlegerfamilie Durisch. Hier denkt wohl so manche Zuschauerin oder mancher Zuschauer an die reale Verlegerfamilie Lebrument. Was halten Sie von dem Vergleich?
Der ist natürlich legitim. Dennoch haben wir uns beim Schreiben nicht an der Familiengeschichte Lebrument orientiert. Es ist historisch gewachsen, dass Verlage häufig familiengeführt sind – hierzulande, aber auch in Deutschland. Und meistens stand ein Mann, ein Patron, an der Spitze. Darauf basiert die Story. 

«Susanne Lebrument kam einmal aufs Set»

Hatten Sie mit jemandem aus der Familie Lebrument Kontakt?
Wir haben sie im Sinne der guten Nachbarschaft über unser Vorhaben informiert und erhielten eine sehr positive Reaktion. Am Schluss haben wir sogar bei Somedia gedreht. Das Somedia-Gebäude in Chur ist das, was man allgemein unter einem modernen Medienhaus versteht, darum hat sich das angeboten. Susanne Lebrument kam einmal aufs Set. Und in Silvio Lebruments Büro durften wir erfreulicherweise drehen.

Sie sind nicht nur Regisseur, sondern waren auch Head Autor. Wie lief die Arbeit im Writers' Room ab?
Zusammen mit Jen Ries aus Chur und Simon Nagel aus Zürich haben wir das Konzept weiterentwickelt und die weitumspannende Prämisse auf die Figuren und ihre Handlungsstränge übertragen. Jeder von uns brachte mit seinem soziodemografischen Hintergrund seine Sicht ein. Wir haben uns menschlich sehr gut verstanden. Aber natürlich gab es viele Diskussionen. Es hat geholfen, dass das Konzept bereits stark ausgereift war und wir uns so an dieser DNA der Geschichte orientieren konnten.

Was war die grösste Herausforderung?
Als wir die Drehbücher der verschiedenen Episoden hatten, wurde klar: Mit Blick auf den Inhalt, aber auch aufs Budget müssen wir kürzen. Vor allem die sechste Folge war zu wenig stringent. Das war nochmals eine ziemliche Arbeit. Durch die inhaltliche Verdichtung gewann die Serie aber an Schärfe. Der gestrichene Inhalt nützte zudem den Schauspielenden, die von den umfangreichen Biografien und Wirkungsbereichen der Figuren profitierten.

Wie stark hat RTR bei der Story mitgeredet?
Vonseiten RTR waren Chefredaktor Flavio Bundi sowie die Redaktorin Bettina Müller Hendry für uns zuständig. Sie haben sich zu gewissen vordefinierten Etappenzielen eingeschaltet, unsere Arbeit angeschaut und Feedback gegeben. 

Sie haben das Budget angesprochen. Wie hoch sind die Kosten für diese fünfteilige Serie?
Von der SRG haben wir eine Million Franken bekommen. Wir sind aber über die zusätzliche Unterstützung der Zürcher Filmstiftung, des Teleproduktions-Fonds (TPF), des Kantons Graubünden und weiteren Sponsoren sehr dankbar.

«Ich hätte schon Ideen für eine zweite oder sogar eine dritte Staffel»

Um Geld zu sparen, haben die «Tschugger»-Macher, zu denen ja auch Sophie Toth zählt, auf Laiendarsteller gesetzt. Wie war das bei Ihnen?
Die Besetzung hat nichts mit Geld sparen zu tun. Unser Kernteam war mit Profi-Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt – einige waren muttersprachlich rätoromanisch, andere nicht. Die Hauptdarstellerin Annina Hunziker spricht die Sprache nicht und hat in einem Riesenpensum ganz viel Text sowie die Aussprache gelernt. Grundsätzlich muss ich ein Lob aussprechen: Wir waren sehr überrascht über die hohe Qualität der Schauspielerinnen und Schauspieler in diesem kleinen Raum. Wir haben auch viele Laien oder weniger erfahrene Darsteller gecastet. Dieser Mix hat sich gelohnt.

Wie viele Leute waren am Set?
Das war an jedem Tag anders. Ich würde sagen, im Durchschnitt waren es rund 20 Leute. 

Ist eine zweite Staffel bereits ein Thema?
Durch die Familiengeschichte gibt es sicher Potenzial für ein Weitererzählen. Ich hätte schon Ideen für eine zweite oder sogar eine dritte Staffel (lacht). Aber das liegt nicht in meiner Entscheidungsgewalt.

Für RTR zählen wohl auch die Einschaltquoten. Wann ist für Sie die Serie ein Erfolg?
Wenn sie beim rätoromanischen Volk gut ankommt. Am liebsten würde ich am Sonntagabend, wenn die Serie am TV läuft, beim einen oder anderen Haus über die Gartenhecke in das Wohnzimmer hineinspionieren und schauen, wie die Serie ankommt.


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