18.06.2002

Cannes und die Fussball-WM

Der nachfolgend wiedergegebene Situationsbericht aus Cannes, verfasst von Stefano Hatfield, ist im Original bei Adage.com nachzulesen. Er versucht das einzufangen, was im Vorfeld des Internationalen Werbefilm-Festivals angesichts der weltweit nicht eben aufmunterenden Werbekonjunkturdaten kaum einer erwartet hätte: ein Stimmungshoch wie selten zuvor. Zum Beispiel in der Bar des werbeweltweit bekannten Carlton Hotels. Nur sollte man nicht vergessen, dass die am Bildschirm hoch fliegenden Fussballbälle ihren gehörigen Teil dazu beitragen.
Cannes und die Fussball-WM

Marcello Serpa von der brasilianischen Werbeagentur Almap BBDO gehört zu den berühmtesten Kreativgrössen dieser Welt. Der einstige Jury-Präsident von Cannes, in Brasilien selbst auch ein Rock-Star, nimmt die Werbung ernst, sehr ernst sogar. Aber gestern Montag zur Mittagszeit gab es für ihn nur einen Platz: den vorm Fernseher. "Sie wissen schon, warum ich unseren gemeinsamen Lunch absage, Stefano, es geht schliesslich um Fussball", sagte Serpa zum Verfasser dieses Beitrags, um daraufhin seiner neuen Lunch-Bekanntschaft, einer ebenso fussballbegeisterten wie hübschen Brasilianerin, schnell noch eben einen fröhlichen Kuss aufzudrücken. Der Ernst des New Yorker Lebens mitten im Werbegeschäft schien plötzlich ganz weit hinten ins Gedächtnis entschwunden.

Viele der zum Cannes Festival Anreisenden waren zunächst davon überzeugt, dass die allgemeine Stimmung am Löwen-Austragungsort an der Côte d'Azur aufgrund der vielen Widrigkeiten und Schwierigkeiten, mit denen die Branche im letzten und und in diesem Jahr zu kämpfen hatte und hat, wohl ziemlich bedrückt sein werde. Und auch, dass deshalb weniger Parties abgehalten würden und noch nicht einmal ein Hatchuel als Showmaster da sein werde.

Von alledem stimmt freilich nur der allerletzte Punkt. Die Luft von Cannes ist geradezu elektrisch geladen. Doch um das überhaupt verstehen zu können, braucht es Fussballverstand. Anders ausgedrückt: Ahnung von dem, was gegenwärtig in Japan und Südkorea vor sich geht, bei der Fussball-Weltmeisterschaft, versteht sich. Und allen Amerikanern sei an dieser Stelle als Weckruf gesagt, dass es das US-Team mit dem 2:0 über Mexiko bis ins Viertelfinale geschafft hat. Doch an vielen der schon früh zum Festival angereisten Amerikaner scheint der Einzug ihres Teams in die nächste Runde - wo es am Freitag gegen Deutschland zur Sache geht - einfach so vorbei gegangen zu sein.

Ganz im Gegensatz zu dem, was sich dann am frühen Montagnachmittag ereignete, als den Brasilianern der Sieg in gleicher 2:0-Höhe über die forsch aufspielenden Belgier gelang. Mehr als 250 singende, laut skandierende, tanzende und schunkelnde Fussballfans aus dem brasilianischen Werbelager verwandelten das berühmte Carlton Hotel ins Maracana Stadion von Rio de Janeiro. Angeblich sollen sogar etliche Werber aus diesem südamerikanischen Land, einer weltbekannten Hochburg des Fussballs, ihre Reise nach Cannes bis zum Beginn der Viertelfinalrunde hinausgezögert haben. Doch das einschränkende "angeblich" bleibt stehen, denn was sich bei der Übertragung des Brasilien/Belgien-Spiels im Carlton zutrug, liess keinen Zweifel daran aufkommen, dass genug Fans da waren: Ein Ohrenschmaus, den man noch in Monte Carlo hören konnte.

Argentinier waren keine zugegen, aber nicht wegen der Rezession, sondern weil das argentinische Team in der vorigen Woche von den Engländern besiegt und nach Hause geschickt wurde. Eine nationale Demütigung ersten Ranges - und nichts, was die argentinischen Festival-Teilnehmer dazu bringen könnte, zusammen mit den anderen WM-Parties zu feiern. A propos Parties: Natürlich gibt es welche, und natürlich kommen noch mehr, auch ohne Fussball-WM-Bezug. Als da wären die von Leo Burnett, von TBWA, von Dentsu, und die vielen kleineren Parties, die von den Produktionsfirmen geschmissen werden - und dann, am kommenden Freitag, natürlich auch die Riesen-Abendveranstaltung von DDB.


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