Egal wie es am 4. März ausgehen wird: Schon jetzt ist klar, dass «No Billag» als ein aussergewöhnlicher Abstimmungskampf in die Geschichte eingehen wird. Nicht nur, weil er bereits im September begonnen hatte und hoch emotional, bis teilweise aggressiv, verläuft. Bemerkenswert ist die Rolle von Social Media, und dabei von Video. Die Befürworter haben sogar ganz auf klassische Plakate verzichtet - «wohl als erste Kampagne überhaupt», wie Florian Maier vom No-Billag-Komitte sagt. Sie setzen auf Flyer, Leserbriefe und Podien – und eben auf digitale Kanäle. Schätzungsweise 25 Prozent des Budgets («200'000 Franken über Crowdfunding») werden für Online-Massnahmen verwendet.
Meistgeklickt ist das Video mit 33 Promis
Bei den Initiativ-Gegnern sind es 15 Prozent (von «1,4 Millionen Franken über Spenden»), wie Kampagnenleiter Mark Balsiger auf Anfrage sagt. Er fügt an: «Doch Vorsicht, die Videos sind alle in Fronarbeit entstanden. Wir hätten sie nie bezahlen können». Das bisher erfolgreichste Video der Gegner ist das «John Cleese Remake» mit Martin Rapolt in der Hauptrolle und weiteren Promis wie Marc Sway, Baschi oder Charles Cler (persoenlich.com berichtete). Es wurde auf der Facebook-Seite «Nein zu Sendeschluss» 732'000 Mal aufgerufen, 10'500 Mal geteilt und provozierte 750 Kommentare.
Ebenfalls viel Resonanz erzeugte eine unabhängige Aktion von Michael Elsener. Auf Youtube wurde sein satirisches, durchaus kritisches Erklärstück fast 70'000 Mal angeklickt, auf Facebook 680'000 Mal. Auch erfolgreich: Das Video «Hinz und Kunz» von Viktor Giacobbo und Mike Müller:
Befürworter setzen auf «Hol dir dein Geld zurück»
Bei den Befürwortern läuft ein Video vom 9. Februar besonders gut: «Hol dir dein Geld zurück» zählt 211’000 Aufrufe, es wurde über 500 Mal geteilt und brachte 1500 Kommentare.
Auch die Befürworter setzen auf Testimonials. Zwar konnten sie logischerweise keine TV-Gesichter für sich gewinnen, stattdessen posten sie Umfragen auf der Strasse. Auch die Qualität der Videos liegt aus nachvollziehbaren Gründen fern dem Profistandard des Gegner-Lagers. Unter den Testimonial-Filmen wurde dasjenige mit Olivier Kessler und Lukas Reimann besonders oft angeklickt, rund 20'000 Mal:
Hinter diesen beiden Vorhut-Kommandos kämpfen weitere Gruppierungen, so etwa die Operation Libero oder die SVP, der Schweizerische Gewerbeverband oder die Jungfreisinnigen Zürich. Besonders bei den Gegnern fällt auf, dass sie enorm viele Videos und Bewegtbild-Posts generieren konnten. «Noch nie in der Schweizer Abstimmungsgeschichte wurden so viele tolle Content-Elemente für die sozialen Medien produziert», sagt Balsiger von «Nein zum Sendeschluss».
Bei Facebook-Abonnenten liegen Befürworter vorn
Vor allem Kreative und Kulturschaffende – Musikerinnen oder Filmer – engagieren sich, ohne Geld dafür zu verlangen. Auch wenn drei Wochen vor der Abstimmung allmählich die Luft draussen zu sein scheint und die Gegner laut den aktuellsten Abstimmungsumfragen im Vorsprung sind (persoenlich.com berichtete): Entschieden ist noch nichts. Denn es könnte durchaus sein, dass sich die Befürworter nicht mit Testimonials, Shares, Kommentaren oder Stickern brüsten wollen, sondern ihre Meinung still und leise für sich selber bilden und deshalb im öffentlichen Diskurs weniger wahrgenommen werden.
«Abgerechnet wird immer am Abstimmungssonntag», wie der Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler sagt. Entscheidend wird sein, wer tatsächlich zur Urne gehen wird. Dafür müssen die Komitees nun die virtuelle Mobilisierung real auf den Boden bringen. Dabei dürfte Videocontent, verbreitet über soziale Medien, nicht unwesentlich sein. Die Befürworter haben auf Facebook 64'700 Abonnenten, die Gegner 29'200.