08.06.2015

bsw leading agencies

"Mich würde nicht wundern, wenn der Begriff Branchen-Burnout auftaucht"

Bsw-Geschäftsführer Peter Leutenegger tritt vor der diesjährigen Generalversammlung seines Verbandes zurück. Im Interview zeigt er sich nachdenklich über den Zustand der Branche und übt Kritik am grössten Auftraggeber des Landes, der Migros.
bsw leading agencies: "Mich würde nicht wundern, wenn der Begriff Branchen-Burnout auftaucht"

Herr Leutenegger, Sie treten nun als Geschäftsführer des bsw zurück. Ihre Nachfolgerin wird Catherine Purgly. Was waren die Gründe für diesen Schritt?
Ich bin nun seit 35 Jahren in der Werbung, das ist eine lange Zeit. Es war nicht vorgesehen, dass ich den Verband über längere Zeit führe. Ich habe vor vier Jahren interimistisch als Geschäftsführer übernommen. Mit meinem Background als ehemaliger Agenturinhaber, Vorstandsmitglied und Präsident des bsw leading swiss agencies konnte ich schnell und problemlos einsteigen und dringende Aufgabe anpacken. Schon vor gut einem Jahr habe ich dem Vorstand mitgeteilt, dass es Zeit ist zu übergeben. Mit Catherine Purgly wurde eine sehr gute Nachfolgerin gefunden. Ich kann also mit gutem Gewissen abgeben.

Verabschieden Sie sich nun endgültig von der Werbung?
Nicht endgültig, aber mehrheitlich. Ich werde für den Verband noch einige Aufgaben im Hintergrund wahrnehmen und ihn in ein paar wenigen Kommissionen vertreten. Dann schau ich mal was auf mich zukommt und wie ich mein Wissen noch einsetzen werde.

Wie beurteilen Sie den Zustand des bsw?
Dem bsw leading swiss agencies geht es gut. Wir haben die Zahl der Mitglieder in den vergangenen vier Jahren stark ausgebaut und weitere Mitglieder aus anderen Disziplinen dazu gewonnen. Das ist eine gute Entwicklung. Doch sagen wir es mal etwas prononciert: Wie es dem Verband geht ist eigentlich egal. Der Verband hat keinen Selbstzweck. Wichtig ist wie es den Mitgliedern geht. Der Verband ist für die Mitglieder da, bringt er keinen Mehrwert, wird er nicht benötigt, kann man ihn schliessen. bsw leading swiss agencies tut darum viel, dass dieser Mehrwert geliefert wird, dass es den Mitgliedern ein bisschen besser geht und dass es sich deshalb lohnt dabei zu bleiben.

Was sind momentan die grössten Probleme?
Die Anforderungen an das Know-how steigen, die raren Fachleute sind teuer und die Investitionen in Technologie waren noch nie so hoch wie heute. Um das zu bewältigen braucht es eine gewisse Profitabilität der Agenturen. Dies hat in den letzten Jahren stark abgenommen und ist heute ungenügend. Dazu kommt, dass viele Auftraggeber oft gnadenlos sind in ihren Forderungen und ihrem Druck auf Preise und Margen. Das hält zwar die Agenturen effizient – vermutlich sind in kaum einem Land die Agenturen so leistungsfähig wie in der Schweiz – bringt aber auch eine Branche an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Mich würde nicht wundern, wenn in den nächsten Jahren der Begriff Branchen-Burnout auftauchen wird. Irgendwann kann man einfach nicht noch mehr leisten. Das müsste auch auf Auftraggeberseite verstanden und akzeptiert werden.

Gibt es Auftraggeber, die besonders auffallen?
Wenn der grösste nationale Grossverteiler, die Migros, einerseits dafür wirbt in der Schweiz einzukaufen, gleichzeitig aber das Werbebudget der Interio aus Kostengründen nach Deutschland vergibt, ist das falsch, kurzsichtig und einem solchen Unternehmen nicht würdig. Das gilt übrigens auch für die Swisscom, die das schon vorexerziert hat. Was ebenfalls besorgniserregend ist, ist das Verhalten einzelner Auftraggeber bei Konkurrenzpräsentation.

Sie sprechen über Ihren Disput mit den SBB (persoenlich.com berichtete).
Dieses Beispiel war jüngst in der Presse. Generell werden die gemeinsamen Empfehlungen des bsw leading swiss agencies und des SWA Schweizer Werbeauftraggeberverband ignoriert und oder offen abgelehnt. Auch von Mitgliedern des SWA. Das ist inakzeptabel und entspricht nicht unserem Verständnis von anständigem Umgang in der Geschäftswelt. Ich weiss nicht woher das alles kommt, es könnte ja sein, dass wir heute einfach zu viele 'Manager' haben, denen die Bodenhaftung 'Schweiz' fehlt und denen das Wohlergehen dieses Landes nicht wirklich am Herzen liegt.

Sie waren lange Jahre auch Agenturinhaber. Wie hat sich die Werbung und das ganze Umfeld in den letzten Jahren verändert?
Die Werbung und ihr Umfeld ist immer noch spannend und interessant, einfach multidimensionaler, schneller, komplexer, anspruchsvoller. Was ich beobachte ist der zunehmend fehlende Glaube an die Markenführung und damit der Glaube an gute kreative Markenkommunikation. Der Glaube, dass Kommunikationstechnologie, günstiger Preis und der schneller Abschluss das Geschäft mache, hat überhandgenommen. Das birgt die Gefahr, dass keine emotionalen Präferenzen mehr geschaffen werden und sich am Schluss alles über den Preis abspielt. Es gibt viele Beispiel von Märkten in denen das heute schon der Falle ist.

Geschäftsführer oder Präsident des bsw. Was war schwieriger?
Schwierig war keins von beiden, eher anspruchsvoll. Ich hatte früher als Präsident gute Kolleginnen und Kollegen im Vorstand und ich habe heute als Geschäftsführer gute Kolleginnen und Kollegen im Vorstand und ein sehr gutes Team in der Geschäftsstelle. Man war sich zwar nicht immer einig in der Sache, dafür aber im Ziel, für die Branche Standards und Rahmenbedingungen zu definieren um diesem Land eine leistungsfähige Kommunikationsbranche zu erhalten, in der es sich lohnt zu arbeiten.

Wenn Sie zurückschauen, was waren Ihre wichtigsten Vorkehrungen, die Sie getroffen haben?
Den Absprung nicht verpasst zu haben, indem ich dem Vorstand frühzeitig ans Herz legte meine Nachfolge zu regeln und meiner Nachfolgerin einen Verband hinterlassen zu haben, der auf soliden Fundamenten steht.

Was planen Sie als nächstes?
Drei Monate Italien.

Interview: Matthias Ackeret


Peter Leutenegger ist seit Mai 2011 Geschäftsführer des bsw leading agencies. Bereits von 2002 bis 2009 war er Mitglied des Vorstandes des Werberverbandes und leitete den Vorstand als Präsident von 2004 bis 2006. Während mehr als 25 Jahren war er Inhaber der eigenen Agentur FCB Leutenegger Krüll, die später in Draftfcb umbenannt wurde. 2009 hatte er die Anteile an seiner Agentur verkauft und arbeitet seither als Unternehmens- und Kommunikationsberater.


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