01.06.2023

Creative Days 23

«Zur Förderung der Diversität braucht es alle»

Das Kreativfestival steht vor der Tür. Bestandteil des Programms vom 8. bis 10. Juni ist ein Leadership-Programm für Frauen. Warum das nötig ist und weshalb sich Männer nicht ausgeschlossen fühlen müssen, beantworten Stefanie Huber und Inken Rohweder von Trotha vom ADC Switzerland.
Creative Days 23: «Zur Förderung der Diversität braucht es alle»
«Das ganze Programm ist ein Highlight»: Stefanie Huber, Vizepräsidentin ADC Switzerland (links), und Inken Rohweder von Trotha, ADC-Vorstandsmitglied, zu den Creative Days 23. (Bilder: zVg)
von Christian Beck

Stefanie Huber, Inken Rohweder von Trotha, warum braucht es mehr Frauen in Führungsfunktionen?
Stefanie Huber: Verschiedene Studien beweisen, dass divers zusammengesetzte Teams eine überdurchschnittliche Rentabilität erzielen, innovativer sind und Probleme schneller lösen können als Teams aus kognitiv ähnlichen Personen. Frauen ergänzen das Team mit anderen Führungsqualitäten und Sichtweisen.

Inken Rohweder von Trotha: Wir richten unser Augenmerk auf Führungskräfte in der Kreativindustrie. Leider sind Frauen auch in unserer Branche immer noch stark untervertreten, was sich auch in der Anzahl weiblicher ADC Jury Members widerspiegelt.

«ADC forward» heisst das Leadership-Programm speziell für Frauen. Dieses findet erstmals während der ADC Creative Days 23 statt. Warum ist dieses Programm an Frauen adressiert?
Huber: Kreativität braucht es nicht nur, um die kommunikativen Herausforderungen unserer Auftraggeberinnen und Auftraggeber zu lösen, sondern auch vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Wandels. Dazu benötigen wir alle kreativen Talente. Für den Auftakt des «ADC forward»-Programms während der Creative Days richten wir uns speziell an weibliche Kreativtalente, die vor dem nächsten Schritt in eine Führungsposition stehen. Denn leider ist es in der Kreativindustrie nicht anders als in anderen Branchen: Vom Berufsstart bis zum mittleren Management sind weibliche Kreative gleichwertig vertreten, in den Führungspositionen nimmt die Zahl dann aber von Stufe zu Stufe drastisch ab, und viele weibliche Talente steigen ganz aus.

Was ist das Ziel dieses Programms?
Rohweder von Trotha: Ziel des Programms ist es, alle unterrepräsentierten kreativen Talente bei ihrem nächsten Karriereschritt zu unterstützen und sichtbarer zu machen, damit sie das tun können, was sie am besten können: Auf kreative Art und Weise Probleme lösen. Langfristig möchten wir damit auch den ADC diverser und damit erfolgreicher machen in seinem Bestreben, die Werbung zu verbessern. In diesem Sinne ist «ADC forward» so konzipiert, dass wir in einem nächsten Schritt auch auf weitere Diversitätsthemen wie kulturelle Vielfalt und Altersvielfalt eingehen können.

Die Platzzahl für das Leadership-Programm ist auf 20 Frauen limitiert. Warum das?
Rohweder von Trotha: Je kleiner die Teilnehmerzahl, desto intensiver das Learning. Kennt man ja vom Skikurs. Das Programm nur für eine Frau pro Durchführung stattfinden zu lassen, wäre jedoch zu teuer geworden. Ausserdem ist es wichtig, dass sich die Frauen vernetzen. Sie können sich in einer kleineren Gruppe in einem geschützten Rahmen vielfältig austauschen und auf diese Weise schneller und intensiver kennenlernen.

«Männer sollen unbedingt wissen, was Frauen beschäftigt»

Bei den ADC Creative Days geht es auch um Diversität und Inklusion. Als Mann fühle ich mich bei «ADC forward» aber ausgeschlossen. Warum dürfen Männer nicht wissen, was Frauen beschäftigt?
Huber: Männer sollen unbedingt wissen, was Frauen beschäftigt, denn zur Förderung der Diversität braucht es alle. Wir möchten zum Start des «ADC forward»-Programms dieses Jahr aber bewusst nur Frauen einladen, damit wir gezielt auf die Herausforderungen eingehen können, mit denen sich vorwiegend Frauen konfrontiert sehen. Da es in der Kreativbranche zu wenige Frauen in Führungspositionen gibt, fehlen die weiblichen Rollenmodelle, die vormachen, wie es geht. Das Programm möchte diese Lücke schliessen.

Rohweder von Trotha: Das Programm heisst aber aus gutem Grund «ADC forward» und nicht «ADC female»: Unsere männlichen Kollegen können sich also schon jetzt auf zukünftige Angebote freuen. Und um zu wissen, was Frauen beschäftigt, am besten gleich und öfter mal nachfragen.

Die Workshops von «ADC forward» dauern zwei Tage. Welches sind die Highlights?
Huber: Das ganze Programm ist ein Highlight. Die Talks und Workshops ergänzen sich in der Behandlung verschiedener Themen. Wir freuen uns auf Pascal Geissbühler, Markenberater und Coach, mit seinem Workshop «Creative Self-Direction» zum Thema kreative Führungsstile und Schärfung des persönlichen Berufsprofils, Dora Osinde, CCO Ogilvy Deutschland, mit ihrem Talk und Q&A zum Thema «Come as you are», Nicole Hoefer-Wirwas, Creative Director und Coach, mit ihrem Workshop «Female Leadership Tools» zu den Themen Auftrittskompetenz und Self-Branding, Wies Bratby mit ihrem Talk «You don't drift to success» zum Thema Verhandlungsgeschick und auf den Round Table «Motherhood & Ambition» mit verschiedenen Vertreterinnen der Kreativbranche, bei dem wir uns zum Thema Rollen und Vereinbarkeit austauschen.

Auch beim öffentlichen Programm der ADC Creative Days sind Frauen stark vertreten. Auf welche Keynote oder welchen Workshop freuen Sie sich besonders?
Rohweder von Trotha: Wir haben ein vielfältiges und inspirierendes Programm mit verschiedenen parallel stattfindenden Talks und Workshops. Wenn wir nicht beim «ADC forward»-Programm eingeplant wären, würden wir sehr gerne an den Talks und Workshops von Tina Touli, «Blending the analogue & the digital worlds», dem «Co-Creation mit AI: Playful Exploration in Midjourney» Workshop von Grit Wolany und Arne Völker und dem Vortrag von Uwe Brückner, «Scenography – or the Art of Staging», teilnehmen.

«Um Strukturen zu verändern, muss sich die Branche mit Zahlen und nicht nur mit dem Bauchgefühl beschäftigen»

Eine Keynote ist von Ringier-Finanzchefin Annabella Bassler. Sie spricht über «EqualVoice». Die Initiative will unter anderem Frauen in der Medienberichterstattung sichtbarer machen. Was kann die Kreativbranche von «EqualVoice» lernen?
Huber: Die «EqualVoice»-Initiative von Ringier zeigt, wie's geht, indem sie die Sichtbarkeit von Frauen in den Medien erhöht, mehr weibliche Vorbilder schafft sowie Frauen und Männern in der Medienberichterstattung die gleiche Stimme gibt. Ziel ist es, die diverse Realität in den Medien abzubilden. Wir freuen uns, dass wir Annabella Bassler, die Mitinitiantin dieser Initiative, für einen Talk bei den Creative Days gewinnen konnten. Genauso wie die Medientitel von Ringier und Ringier Axel Springer Schweiz hat die Werbung als Medium eine starke Wirkung, da sie täglich millionenfach gesehen wird. Die Kreativbranche sollte sich dieser Wirkung bewusst sein, um ebenfalls die vielfältige Realität der Schweizer Bevölkerung in der Werbung abzubilden. Gerne verweise ich hier auf das Gisler-Protokoll, welches dazu bereits wegweisende Arbeit leistet.

Rohweder von Trotha: Um Strukturen zu verändern, muss sich die Branche mit Zahlen und nicht nur mit dem Bauchgefühl beschäftigen. Ich weiss, das klingt komisch aus Sicht Kreativschaffender, ist aber unerlässlich. Man verbleibt sonst im Gefühl, Dinge änderten sich oder wären ohnehin ganz anders, auch wenn das gar nicht stimmt. In puncto Gleichstellung sieht man das beispielsweise gerade daran: Junge Männer haben vermehrt den Eindruck, heutzutage gegenüber Frauen benachteiligt zu sein und so kaum noch Chancen auf einen Führungsposten zu haben. So ein nicht mit Fakten untermauerbares Gefühl erschwert beiden Geschlechtern den Weg in eine ausgeglichenere Zukunft.

Ganz konkret: Was kann Werbung dazu beitragen, um Frauen sichtbarer zu machen, ohne sich Stereotypen zu bedienen?
Huber: Wir machen Kommunikation für eine diverse Zielgruppe. Dies sollte von den Marken und Auftraggebern schon im Briefing berücksichtigt werden. Es hilft, wenn die Kunden schon von Anfang an Wert darauf legen, Stereotypen zu vermeiden. Weiter geht es bei den Ideen, die am besten auch von einem geschlechterausgewogenen Team erdacht werden sollten. Bei der Umsetzung sind die Produktionen gefragt, auch weibliche Regisseurinnen, Fotografinnen, Komponistinnen, Kamerafrauen vorzuschlagen, die dann wiederum diversere Casting-Vorschläge machen, welche die Zielgruppe angemessen repräsentieren können, ohne die Idee zu schwächen.

Was haben Sie persönlich schon unternommen, um andere Frauen zu fördern?
Rohweder von Trotha: Meiner Meinung nach ist «Frauenförderung» ein Wort, das am Ziel vorbeischiesst. Es erweckt den Eindruck, bei Frauen läge ein Mangel vor, den man mit Nachhilfeunterricht ausgleichen müsste, auf dass man endlich mit Männern mithalten könne. Auf Englisch sagt man so schön: Don't fix the women, fix the system. Da mache ich gerne mit.



Die Teilnahme an «ADC forward» ist nach Anmeldung und mit dem Creative-Days-Festivalpass möglich. An den Creative Days 23 im Schloss Sihlberg in Zürich dreht sich für drei Tage alles um Kreativität und Women's Empowerment. Zum Ticketpreis von 195 Franken erwarten die Gäste Talks, Workshops, Apéros sowie die ADC Ceremony und eine Partynacht.



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