19.09.2017

Mediaschneider

«Die Werbefeindlichkeit wird zweifellos zunehmen»

Mediaschneider ist die grösste unabhängige Mediaagentur des Landes. Im Interview sprechen Gründer Urs Schneider und CEO Manfred Strobl über die Krise im Werbemarkt und die Möglichkeit, diese zu bewältigen.
Mediaschneider: «Die Werbefeindlichkeit wird zweifellos zunehmen»
Den etablierten Medien, aber auch den Werbeagenturen geht es heute schlechter als früher. Was bedeutet das für Sie?
Urs Schneider: Mediaschneider ist in der Vergangenheit jährlich um 16 Prozent gewachsen. Das hatte aber nur wenig Auswirkungen auf das Ebita. Früher war die Relation zwischen Gewinn und Umsatz ausgeglichener. Mit 25 Mitarbeitenden erzielten wir eine höhere Ebita-Marge als mit 60 Leuten. Das bedeutet: Den Gewinn kann man nur durch zusätzliche Effizienz steigern, was aber nicht so einfach ist. In Zukunft wird unser Business also sicherlich noch schwieriger werden.

Inwiefern?
Urs Schneider: Ich glaube, dass Mediaagenturen in fünf Jahren ganz andere – wirklich ganz andere – Kompetenzen haben müssen. Dies hängt stark mit der Digitalisierung und der Transformation der Medien zusammen.

Was heisst das konkret?
Urs Schneider: Ich beobachte, dass viele Kunden im Hinblick auf den momentanen Zustand der Werbung verunsichert sind. Kunden suchen aber immer Investitionssicherheit. Konkret: Kommt ein Chef einer Firma von seinem Silicon-Valley-Besuch in die Schweiz zurück, verlangt er oftmals von seinen Marketingleuten, dass ein fixer Prozentsatz, also sagen wir mal zwanzig Prozent, der werblichen Investitionen in die digitale Kommunikation fliessen soll.

Ist das gut?
Urs Schneider: Es kann gut sein, muss aber nicht. Was wir brauchen, sind massgeschneiderte Lösungen für individuelle Business-Cases. Darum heissen wir Mediaschneider (lacht). Doch das ist das Problem der ganzen Branche. Eigentlich wäre eine permanente Optimierung von On- und Offline während der ganzen Kampagne wichtig, doch bis jetzt wird dies nur im Digitalen praktiziert. Früher beschäftigte sich eine Mediaagentur vor allem mit den klassischen Medien – und den Rest überliess sie dem Kunden. Das ergibt in der heutigen Zeit nur wenig Sinn, da es mittlerweile eine Unzahl von Werbemöglichkeiten mit verschiedenen Reichweiten gibt. Es gibt Kunden, die betreiben ausserhalb der bezahlten Werbung zusätzlich noch ein eigenes Publishing oder gar eigene Fernsehsender. Diese Unübersichtlichkeit führt zu einer grossen Verunsicherung. Was die Kunden wollen, sind Multichannel-Lösungen, die aus einem Guss sind.

Was bedeutet das für Sie?
Urs Schneider: Unsere Zukunft liegt in der strategischen Beratung, und dafür sollten wir auch bezahlt werden. Heute beobachtet man die Werbeausgaben auf der obersten Ebene einer Firma sehr genau. Der Grund ist ganz einfach: Nähme man diese weg, würde das Ebita höher ausfallen. Nicht zuletzt deswegen müssen die Mediaagenturen in Zukunft die Wirkung der eingesetzten Werbegelder noch stärker begründen. Dazu benötigt man datengestützte Prognosen. Die internationalen Agenturen haben erkannt, dass sie ihren Fokus vermehrt auf multidimensionale Datenanalysen richten müssen. Das bedeutet eine bessere Auswertung der CRM-Daten und eine bessere Steuerung des Targeting in den Onlinemedien und beim Fernsehen.

Ist dies heute nicht der Fall?
Urs Schneider: Viele Mediaagenturen lassen sich heute beim Einkauf durch möglichst günstige Pay-Faktoren treiben. Dadurch wird auch sehr viel Blödsinn geplant. Für einen Franken und weniger kann man online zwar tausend Kontakte kaufen, gleichzeitig befindet man sich in einem Umfeld, das dem beworbenen Produkt überhaupt nicht entspricht. Deswegen fokussieren wir beim Einkauf ausschliesslich auf qualitative Kriterien. Wichtig sind für uns die programmatischen Lösungen. Wir erzielen heute im Onlinebereich bereits einen Umsatz von zwölf Millionen Franken mit programmatischer Aussteuerung. Entwickeln sich die Mediaagenturen nicht in diese Richtung, werden sie bald überflüssig werden.

Manfred Strobl: Es findet zurzeit ein grundlegendes Umdenken statt. In vielen Firmen wurde das Marketing in der Vergangenheit oftmals auch als Kostenfaktor wahrgenommen, wobei der Marketingchef in den Augen vieler CEO derjenige war, der Geld ausgibt, ohne dies weiter begründen zu müssen. Dies hat sich komplett geändert: Die Marketingabteilung ist zu einer Profit-Abteilung geworden, die ihre Ausgaben rechtfertigen und auch den Beweis antreten muss, dass die Werbegelder richtig eingesetzt wurden. Das erklärt auch den Rückgang der imagebildenden Werbung. Es gehört mittlerweile zu den Hauptaufgaben der Mediaagenturen, die Daten verstärkt im Griff zu haben und die Beweislast mitzutragen. Teilweise werden im Vorfeld mit den Kunden Business-KPI vereinbart, die es zu erreichen gilt. Dies hat Einfluss auf unsere Bonifizierung, und das sind wichtige Einnahmen, um eine Agentur wirtschaftlich zu führen. Dadurch intensiviert sich aber auch das Verhältnis zum Kunden.

Aber hat dies bis jetzt nicht stattgefunden?
Urs Schneider: Doch, doch. Wir sind heute bereits imstande, die Wirkung der verwendeten Werbegelder zu prognostizieren. Anhand der CRM-Daten sind wir in der Lage, gewisse Kampagnen personenbezogen zu steuern und entsprechend auch Prognosen abzugeben. Wir verfügen mittlerweile über 5,7 Millionen digitale User-Profile, die wir im Targeting einsetzen können. Die Erfahrung zeigt: Eine Kampagne, die nach dem Giesskannenprinzip grossräumig geschaltet wird, erzielt signifikant weniger Response als eine kundenfokussierte und individuell geschaltete. In diesem Bereich wird in Zukunft noch einiges passieren, auch in den anderen Medienkanälen.

Manfred Strobl: Werbung, die nach dem Giesskannenprinzip gestreut wird, empfindet man heute vielfach als stossend. Dank Targeting, also individuell geschalteter Werbung, kann dies vermieden werden. Unser Geschäftsmodell hat sich in den letzten Jahren drastisch geändert. Vor einem Jahr haben wir das Unternehmen Hoy gegründet, das sich ausschliesslich dem Thema Advertising- und Daten-Technologie verschrieben hat. Für dieses haben wir vor Kurzem eine Mathematikerin angestellt, die sich federführend um die Auswertungen der gesamten Daten kümmert. Aus Big Data muss Smart Data werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse stellen wir unseren Kunden und anderen Interessierten auf einer gesicherten Plattform zur Verfügung.

Sie haben die Werbefeindlichkeit angesprochen. Worauf beruht diese?
Urs Schneider: Die Werbefeindlichkeit wird zweifellos zunehmen. Momentan wird das Konsumverhalten durch unsere Generation, die langsam ins Rentneralter übergeht, die Babyboomer, und die Generation der Dreissig- bis Fünfzigjährigen, also die Generation X, geprägt. Diese Generationen sind mit Werbung aufgewachsen. Die darauffolgende aber, die der Millennials, steht der Werbung viel kritischer gegenüber. Wer heute ein Produkt bewerben will, muss sich vor allem auf diese Zielgruppe, das heisst die Millennials, fokussieren. Das klassische Fernsehen hat bei ihnen eine geringere Bedeutung und wird nur noch zum Zelebrieren gemeinsamer Events genutzt.

Das ist für Mediaagenturen eine sehr schwierige Ausgangslage.
Manfred Strobl: Nur bedingt. Die sozialen Medien verraten sehr viel über den einzelnen Nutzer. Auch bekommt man schneller eine Response als bei den traditionellen Medien, was bedeutet, dass man eine Kampagne praktisch in Echtzeit anpassen und wirklich zielgerecht planen kann.

Ist das erst heute so?
Urs Schneider: Die ganze Planung stützte sich bislang auf Leserschafts- und Fernsehnutzerzahlen. Das ist gut und recht, aber was nützt es, wenn die anvisierte Zielgruppe, beispielsweise die Millennials, diese Medien weniger nutzt? Ich glaube, langfristig wird die Umfeldplanung immer wichtiger. Man platziert ein Produkt wirklich da, wo auch die Kunden sind. Das kann sowohl Print als auch Fernsehen sein. Wir haben für unsere Kunden Fernsehumfeldkampagnen gemacht und dabei festgestellt, dass man durch optimales Einsetzen der Werbegelder mit weniger Aufwand eine grössere Wirkung erzielen kann. Die Medien fokussieren immer auf die Reichweite ihrer Produkte. Ich glaube aber, es wäre viel wichtiger, verstärkt den Inhalt einer Publikation, deren Leserschaft und das so geschaffene Werbeumfeld hervorzuheben. Das gilt für die NZZ genauso wie für «persönlich».

Kann man eine Marke ausschliesslich mit Online gross machen?
Manfred Strobl: In der Regel wohl nicht, wobei es zunehmend zu Ausnahmen kommen kann – abhängig davon, wie man «gross» definiert. Eine grosse Marke braucht noch immer öffentliche Präsenz. Sie muss sich inszenieren dürfen und einen gewissen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung einnehmen. Da spielt «Broadcast» nach wie vor eine Rolle, ob über Out of Home oder auch Fernsehen. Die Wirkungen von Broadcast und Narrowcast, also von digitalem Targeting, sind additiv analog zur Customer-Journey. Eine grosse Marke braucht immer ein grosses Klavier, denn für einen überzeugenden Hörgenuss braucht es nun einmal viele Tasten.

Das ausführliche Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe «persönlich». Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

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