16.04.2004

"Hans-Kaspar Schwarzenbach, wird Arosa zur 'Mickey-Mouse-Destination'?"

Am kommenden Montag startet eine von Frank Baumann realisierte TV-Kampagne für Arosa. "persoenlich.com" hat aus diesem Anlass mit dem innovativen Kurdirektor Hans-Kaspar Schwarzenbach (Bild) gesprochen, der im vergangenen Jahr für seine ArosaCard den "Milestone"-Tourismuspreis erhielt und kürzlich eine Exklusivpartnerschaft mit Walt Disney eingegangen ist. Das Interview:
"Hans-Kaspar Schwarzenbach, wird Arosa zur 'Mickey-Mouse-Destination'?"

Am 26. April startet eine Kampagne für Arosa. Wie sieht diese aus?

Wir möchten für einmal andere Berge zeigen -- wie schön die unsrigen sind, weiss man schliesslich (lacht). Wir waren deshalb in Gran Canaria, wo wir Fleischberge filmten, ein ganz neuer Ansatz, bisher warben alle Destinationen mit ihrer Natur. Der Running-Gag in den Spots von Frank Baumann lautet "In Arosa sind die Bergbahnen gratis." Zum Beispiel stellen unsere vom Komiker-Duo Lapsus gespielten "Experten" fest, dass das Bier in Gran Canaria zwar billiger ist, alles andere aber etwas kostet -- so etwa Badetücher. Natürlich wollen -- und können -- wir nicht zu Bade-Destinationen in Konkurrenz treten. Wir wollen aber Aufmerksamkeit erregen und auf die ArosaCard hinweisen.

Auf welchen Kanälen werden die Spots zu sehen sein?

Das weiss ich noch nicht mal. Entweder auf Sat.1 oder im Tele-News-Combi. Jedenfalls nicht beim Schweizer Fernsehen DRS, weil dort der Tausender-Kontakt-Preis zu hoch ist.

Sind neben Spots auch andere Medien vorgesehen?

Nein, dafür haben wir kein Geld. Der Umsatz von Arosa wird auf 250 Millionen Franken jährlich geschätzt, jener von Arosa Tourismus beträgt demgegenüber lediglich sechs Millionen. Dabei dürfen wir für Werbung aus gesetzlichen Gründen keine Kurtaxen einsetzen, so bleiben gerade mal 1.2 Millionen. Und mit diesem Geld bezahle ich neben den Werbemitteln auch noch Personal und Büro.

Beinhaltet das auch die Werbung im Ausland?

Im Prinzip ja. Immerhin können wir Plakate in Baden-Württemberg und in Dortmund dank guter Stammgäste aus Deutschland bei verfügbarem Platz umsonst hängen lassen. Solche Angebote ermöglicht unsere hervorragende Klientel zudem in anderen Städten. Daneben unternehmen natürlich auch einzelne Hotels eigene Werbeanstrengungen. Meine Vision besteht aber darin, dass alle Anbieter in Arosa zusammenarbeiten -- nicht etwa weil sie auf Grund von Reglementen oder Absprachen müssten, sondern weil ihnen das Vorteile bringt. So erhöhen sich durch eine gute Partnerschaft wie etwa mit Disney die Anreize zur Zusammenarbeit. Letztlich veranstalten wir auch die im Grund genommen defizitären Anlässen wie unser Humor-Festival oder den Snowboard-Weltcup der Fis, weil wir die Attraktivität von Kooperationen vergrössern wollen.

Zumindest bei der ArosaCard scheint Ihre Vision zu funktionieren. Erklären Sie doch bitte, worum es dabei geht.

Alle öffentlichen Einrichtungen wie Bergbahnen, Pedalo, Ortsbus, die RhB zwischen Arosa und Langwies oder Parkhäuser sind für alle in Arosa übernachtenden Gäste kostenlos. Dass auf Dorfebene alle Anbieter zusammenspielen, ist ein Novum im Schweizer Bergtourismus.

Mit welchen Argumenten konnten Sie die einzelnen Anbieter überzeugen?

Die Bergbahnen entschädigen wir aus den Kurtaxen. Zudem verzeichnen sie in ihren Bergrestaurants beträchtlich höhere Einnahmen. Des weiteren hatten wir im vergangenen Sommer 15 Prozent mehr Gäste, deren Mehrkonsum indirekt die Steuereinnahmen der Gemeinde erhöhte. Dann ist es nachweislich so, dass die Gäste ein fixes Ferienbudget zur Verfügung haben und Einsparungen -- etwa beim Transport -- mit Mehrkonsum wettmachen. So verzeichnete unser Glace-Stand bei den Pedalos im vergangenen Sommer den 16-fachen Umsatz! Auch fuhr früher kaum jemand bei schlechtem Wetter auf einen Gipfel, um dort im Restaurant zu jassen. Heute, wo die Seilbahn gratis ist, hingegen schon. Und letztlich verringern sich durch das "all inclusive"-Angebot unsere administrativen Kosten.

Welche Vorteile erhoffen Sie sich langfristig?

Primär ging es um die Schaffung eines USP, denn ob unsere Berge wirklich wunderschöner sind als anderswo, lässt sich diskutieren. Wandern kann man auch überall und darüber hinaus herrscht Rezession. Das spüren wir, jährlich verschwinden Hotels, deren Kapazität uns dann im Winter fehlt. Unser Ziel ist daher, für den Sommer innert drei Jahren ein nachhaltiges Wachstum um zwanzig Prozent zu generieren. Im ersten Jahr rechnete ich mit einer Zunahme um fünf Prozent, dank der Hitze erreichten wir das Dreifache. Den Einfluss des guten Wetters schätze ich allerdings nicht höher als zwei Prozent ein.

Wie reagiert man an anderen Destinationen auf Ihre Idee?

Wir stellen ein grosses Interesse fest, viele Verantwortliche kommen sich bei uns umsehen.

Was hat Sie überhaupt auf die Idee der ArosaCard gebracht?

Als ich hier oben mit meinen Kindern einmal kurz nach einem Besuch im Europapark Rust wandern ging und von oben auf Arosa schaute, da merkte ich, dass unser Dorf ebenfalls ein Park ist -- man sollte im Tal daher eigentlich eine Barriere aufstellen, Eintritt verlangen und dann bei uns alle Dienstleistungen kostenlos abgeben. Für diese Vision kämpfe ich, und ich habe auch bereits die Internet-Domain alpenpark.ch reservieren lassen. Bergferien im Sommer waren nicht mehr sexy, deshalb müssen wir mehr Unterhaltung bieten. Wobei ich damit nicht Kitsch meine, sondern lediglich eine akzentuierte Inszenierung der bestehenden Schönheit.

Dabei schrecken Sie auch vor einer Exklusivpartnerschaft mit Walt Disney nicht zurück. Befürchten Sie nicht, aus dem Brand "Arosa" eine "Mickey-Mouse-Destination" zu machen?

(Zögert) Diese Frage kommt immer wieder, und ich muss jedes mal kurz nachdenken. Wir sind auf diese Problematik sehr sensibilisiert und werden alles gegen eine Schädigung unserer Marke tun. Das ist auch nicht so schwierig, weil Disney keinerlei Druck ausübt -- im Gegenteil: Euro Disney in Paris sähe in allzu starken Aktivitäten eine Konkurrenz. Nun rennen bei uns ja auch nicht überall Micky-Mäuse rum, vielmehr streben wir mit dem "Alpenclub Mickey" ein hochqualitatives Angebot an: Die Hotels haben ihre Kinderräume ausgebaut, dürfen auf ihren In-house-Kanälen Walt-Disney-Filme zeigen und können Playstation-Spiele vergünstigt abgeben. Von diesem Verbesserungen profitieren nicht zuletzt die Eltern. Das Schöne ist, dass wir im Segment Kinder als erste Destination bei Skischule, Gemeinde, Bergbahnen und Hotellerie mit dem gleichen Brand arbeiten -- noch dazu dem weltweit bekanntesten. Diese Einheitlichkeit fehlte früher, jeder Anbieter setzte eine eigene Figur ein. Erklären Sie mal einem Kind aus Holland, wer Globi ist!

Wollen Sie Arosa demnach als Familien-Destination positionieren?

Das liegt nur schon deshalb nahe, weil sechzig Prozent unserer Gästebetten unmittelbar neben den Pisten untergebracht sind. Ganz präzis ist unsere Zielgruppe aber eher 35+, wozu die Familie einfach gehört. Auch macht eine Positionierung als Jugend- oder Trend-Destination keinen Sinn, wenn sich in unmittelbarer Nähe bereits Laax/Flims oder Davos so definieren.

Dem Schweizer Tourismus ging es auch schon besser. Trotzdem wollte Bundesrat Christoph Blocher die Zuschüsse auf einen Franken kürzen. Ihr Kommentar?

Das kann man machen, wenn die Bundesbeiträge auch sonst überall um hundert Prozent gekürzt werden. Gegenwärtig bezahlt beispielsweise unsere Hotellerie für Fleisch und Milchprodukte wegen der gestützten Preise doppelt so viel wie die Konkurrenz im Ausland.

Was müssten die Schweizer Bergregionen tun, um sich gegen die österreichische Konkurrenz besser zu behaupten?

Die Frage ist zu komplex, als dass ich eine Patentlösung anbieten könnte. Ganz grundsätzlich geht es im Moment auch um eine Frage des Preises, der wird herunterkommen müssen. Zweitens hätte ich die Einführung des Euro in der Schweiz sehr begrüsst, weil Preisvergleiche erst so fair werden -- subjektiv rechnet man nämlich immer zu pessimistisch um. Und letztens ist unsere Auslastung verglichen mit ausländischen Destinationen ja nicht so schlecht -- bloss war sie früher noch viel besser. Auch hier ist eine Angleichung nur logisch.


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