15.05.2003

"Manchmal nehmen die Journalisten die Verantwortung, die sie uns anlasten, nicht wahr"

In den letzten Wochen stand die Swiss wie kein anderes Unternehmen im Kreuzfeuer der Kritik. Die Verunsicherung unter den Konsumenten über die Zukunft der Fluggesellschaft ist gross. Im Interview mit der Fachzeitung Schweizer Touristik vom 17. Mai äussert sich Swiss-CEO André Dosé (Bild) über Vertrauen, Kommunikation, die ungelöste Allianzfrage und Tyler Brûlé. "persoenlich.com" veröffentlicht exklusiv einen Auszug aus dem Gespräch.
"Manchmal nehmen die Journalisten die Verantwortung, die sie uns anlasten, nicht wahr"

André Dosé, inzwischen gibt es selbst Fachleute aus der Reisebranche, welche die mittelfristige Zukunft ohne die Swiss planen. Was macht Swiss dagegen -- abgesehen von der Inseratekampagne letzter Woche? Wie schaffen Sie Vertrauen?

Die Kommunikation ist für uns ein wichtiges Element. In den Inseraten haben wir Fakten aufgezeigt, wie sich die Situation tatsächlich präsentiert. Das muss man immer wieder repetieren. Da ist unsere Kommunikationsabteilung in einem erheblichen Mass gefordert. Leider ist es so, dass in unserem Land viele Schweizer die Krise der Luftfahrt nur bis zu den Landesgrenzen sehen. Es ist aber wichtig, die Probleme der Flugbranche in einem internationalen Kontext zu beurteilen. Kommt dazu, dass ich oft krass falsche Sachen lese. Manchmal nehmen die Journalisten die Verantwortung, die sie uns anlasten, nicht wahr. Wichtig ist: Swiss ist nicht gefährdet und wird auch im Herbst mit dem selben Programm fliegen. Da muss man absolut keine Bedenken haben. Unsere Liquidität ist bis Ende Jahr gesichert.

An der Medienkonferenz in Basel haben Sie versichert, für den Sommer seien keine gravierenden Einschnitte im Streckennetz geplant. Zwei Tage später berichtete die SonntagsZeitung über geheime Abbaupläne für die Langstrecke und beruft sich auf vertrauliche Swiss-Dokumente. Was gilt nun?

Das Sommerprogramm bleibt genau so, wie es ist, insbesondere auf der Langstrecke. Eine kleine Einschränkung gibt es: Wegen Sars mussten wir als temporäre Massnahme die Frequenzen für Tokio, Hongkong und Peking im Mai reduzieren. Das könnte auch noch für den Juni gelten. Für den Herbst werden wir einen neuen Businessplan erstellen und umsetzen. Da kann es sein, dass es weitere Änderungen gibt, aber es ist noch zu früh, um dazu etwas zu sagen. Sicher werden diese aber nicht massiv ausfallen.

Wenn von Änderungen die Rede ist, kommen neue Spekulationen auf.

Es geht um die Optimierung des Streckennetzes. Ich kann beim besten Willen nicht definitiv sagen, wie das im Detail aussieht. Angesichts der Konjunktur, der Erholung nach dem Irak-Krieg und Sars ist es im Moment ganz einfach unglaublich schwierig, eine Prognose für die Zukunft abzugeben. Wir stellen zudem fest, dass viel kurzfristiger gebucht wird. So kann man die Erfahrungszahlen aus der Vergangenheit nicht zur Planung der Zukunft verwenden.

In den letzten Wochen sind immer wieder vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangt. Weshalb?

Das ist höchst bedauerlich und macht uns zu schaffen. Es enttäuscht mich auch persönlich sehr. Wir versuchen, die Löcher zu stopfen.

Im Markt Schweiz konnte die Swiss ihre Position nicht steigern. Welchen Marktanteil streben Sie für 2003 an, und wie wollen Sie diesen erreichen?

Ja, der Anteil ist in etwa gleich geblieben. Der Gesamtertrag von Swiss weltweit zusammen mit der Technik und allen anderen Bereichen beträgt knapp fünf Milliarden Franken. Seit Sars sind es noch vier Milliarden. 30 bis 33 Prozent davon setzen wir im Markt Schweiz um. Unsere Vorlage ist klar. Wir wollen den Wert steigern. Dazu ist der Preis ein wichtiges Element. Das Zweite ist Vertrauen. Daran müssen wir arbeiten. Wenn sich die Stimmung stabilisiert, können wir uns um einige Prozentpunkte verbessern. Das gilt auch über die Firmen. Da liegt noch einiges drin.

Ungelöst ist nach wie vor die Allianzfrage. Inzwischen gilt der Standardsatz "Jeder spricht mit jedem". Ist keine Lösung in Sicht? Was ist an den Gerüchten mit Lufthansa dran?

Ich bin überzeugt, dass der Kosten- und Preisdruck weitergehen wird. Wenn die Fluggesellschaften profitabel arbeiten möchten, führt die Lösung zwangsläufig zu Fusionen, um die Synergien zu nützen. Ich weiss nicht, ob die Mergers nächstes Jahr oder in fünf Jahren eintreffen werden. Sicher ist, dass die Swiss nicht überlebensfähig sein wird, wenn wir nicht Teil eines Mergers sein werden. Heute schon leiden wir unter negativen Effekten, die auf die fehlende Grösse zurückzuführen sind. Wer grössere Kapazitäten hat, kann pro Sitz viel tiefer kalkulieren. Nach wie vor ist es unser Ziel, der OneWorld beizutreten. Gerüchte zur Lufthansa will ich nicht kommentieren.

Sie selber sind auch in Frage gestellt worden. Woher nehmen Sie die Motivation, nicht einfach aufzugeben?

In den letzten vier Wochen habe ich die härteste Phase seit meinem Amtsantritt bei der Swiss erlebt. Wenn eine Industrie in der Krise ist, erzeugt das mehr Druck, und wenn man den nicht aushält, ist man am falschen Platz. Ich bin eine Kämpfernatur und glaube an unser Konzept, das wir umsetzen wollen -- auch wenn sich mit dem Umsatzeinbruch unser Businessplan um ein, zwei Jahre verzögert.

Im Swiss-Management kam es in den letzten Wochen zu gewichtigen Änderungen. Wie sehr ist das so beabsichtigt? Täuscht der Eindruck, dass wieder vermehrt ehemalige Swissair-Leute in Führungspositionen gelangen?

Die Änderungen haben mit Ex-Swissair und Ex-Crossair überhaupt nichts zu tun. Es geht darum, dass man die beste Fachkraft optimal einsetzen muss. Von einer schleichenden "Swissairisierung" kann keine Rede sein. Wir brauchen ganz einfach Swiss-Leute, welche die Probleme in den Griff bekommen.

Von Tyler Brûlé hört man wenig. Ist seine Arbeit für Swiss beendet?

Seine Hauptarbeit war der Brand und dessen Lancierung. Das ist hervorragend gelungen, was selbst unsere Konkurrenz attestiert. Dazu hat er für einige Produkte beratend gewirkt. Nun ist seine Arbeit abgeschlossen. Es kann allerdings sein, dass wir ihn auch in Zukunft für einzelne Projekte kontaktieren werden.


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren