11.10.2000

Optiker

Marketing gegen Lädeli-Sterben

Die Globalisierung und die bilateralen Verträge krempeln die Binnenwirtschaft um. So ist auch der Augenoptik-Fachhandel in einem grundlegenden Umstrukturierungs-Prozess.

Die Optiker-Branche, etwa 1000 meist kleinere Optiker-Läden mit ihren rund 3500 Beschäftigten, verkauft in diesem Jahr Brillen, Kontaktlinsen und andere Produkte im Wert von rund 750 Mio. Franken. Dies entspricht Ausgaben von zirka 100 Fr. pro Einwohner und Jahr - ein olympischer Rekord. Daher konnten die Optiker-KMU ohne preisaktive Konkurrenz bis vor kurzem auch recht gut leben. Jetzt aber weht ein neuer Wind. Grösstes Problem der bislang geschützten Branche: die starke Expansion von klar positionierten Ketten, primär Fielmann, auf der Discount-Schiene.

Wird es auch im Augenoptik-Fachhandel zu einer Flurbereinigung kommen? Etwa in dem Ausmass, das den Uhren-Händlern vorausgesagt wird, nämlich Betriebsschliessungen von einigen Hundert Läden? Was sollen aktive Augenoptiker tun, um die Existenz ihrer KMU zu sichern, ja weiter zu wachsen? Und was kommt auf die Konsumenten zu? Dies waren Kernfragen der Marketing-Fachtagung, die die Fachhochschulen Solothurn und Freiburg gemeinsam mit der Trimbacher Firma Reize als Sponsor Ende September in Zürich veranstalteten.

Branche unter Druck

Die an der Tagung herausgearbeiteten Empfehlungen in Kurzform: Aktives Marketing betreiben, wie die deutschen Kollegen der Schweizer Augenoptiker es zwangsweise schon seit Jahren tun. Dadurch haben sie die Expansion der Ketten überlebt, sehr gut sogar, durch Rückbesinnung auf ihre exklusiven Stärken. Im Urteil der deutschen Konsumenten sind sie zu den beliebtesten und vertrauenswürdigsten Dienstleistern avanciert. Vermehrtes Dienstleistungs-Marketing, am besten im Verbund mit anderen, lautete daher die Schlussfolgerung. Generell lässt sich sagen, dass die Profitabilität der Branche unter Druck steht. Die Gründe dafür lassen sich mit der bei Börsen-Spezialisten beliebten Porter-Industrieanalyse darstellen. Nach Professor Porter (Harvard) bestimmen fünf Wettbewerbskräfte die jetzige und künftige Profitabilität einer jeden Branche.

Die Macht der Lieferanten: Je weniger mächtig diese sind, desto besser geht es der Branche. Über eine Vielzahl von Einkaufs-Organisationen haben es die Schweizer Augenoptiker in den letzten Jahren sehr geschickt verstanden, die Lieferanten "zur Kasse zu bitten". Diese Karte scheint jedoch weitgehend ausgereizt zu sein. Wahrscheinlicher ist es, dass bei den wenigen grossen internationalen Anbietern Konsolidierungen anstehen. Die Grossen werden tendenziell eher ihre Muskeln spielen lassen, als dass noch weitgehende Konzessionen zur Ertragstärkung der Augenoptiker wahrscheinlich sind. Zudem werden Fachkräfte sehr knapp, was sich in vermehrter Fluktuation verbunden mit Lohnsteigerungen niederschlagen dürfte.

Die Bedeutung von Ersatzprodukten: Ersatzprodukte für Brillen und Kontaktlinsen gab es bislang eigentlich nicht. Nun aber hat die Laser-Operationsmethode beachtliche Fortschritte gemacht. Es werden in diesem Jahr schätzungsweise bis zu 10'000 Operationen mit einem Kostenvolumen von 60 bis 70 Mio. Fr. durchgeführt werden. Damit gehen der Optik-Branche zunächst einmal eine Anzahl von "schweren Fällen" verloren, die bislang überdurchschnittlich teure Brillen kauften.

Die Macht der Konsumenten: Je wehrloser oder unkritischer diese sind, desto besser steht es um die Profitabilität einer Branche. Es gibt ihn zwar noch, den gläubigen Patienten, der den Augenoptiker als einen kleinen "Gott in Weiss" sieht und seinen Empfehlungen weitgehend folgt. Doch ist diese Generation sehr alt und kauft typischerweise weniger und weniger Brillen. Am anderen Ende des Alters-Spektrums hat sich ein Generationen-Wechsel vollzogen. Hier manifestiert sich der kritische Konsument, der sich auch nicht geniert, die Preis-Würdigkeit des Augenoptikers respektlos zu hinterfragen.

Konsument kann vergleichen

Dieser "smart global shopper" kennt die Preise im (nahen) Ausland und weiss die Preise von Brillen-Gestellen oder Linsen-Pflegemitteln auf dem Internet abzurufen. Er will auch nicht unbedingt "von einem Grufti-Verkäufer belabert werden", sondern zieht Selbstbedienung aus einer grossen Auswahl von Modellen vor. Schwere Zeiten künden sich für solche Augenoptiker an, die sich auf diese neuen Konsum-Tendenzen nicht einstellen können. Kurzfristig jedoch gibt es ein Zwischenhoch. Die Babyboom-Generation der frühen 50er-Jahre kommt in das Alter, in dem man sowohl weit- wie kurzsichtig wird und somit Gleitssicht-Gläser nötig hat. Diese sind sehr beratungsaufwendig und haben einen überdurchschnittlich hohen Preis. Für die nächsten Jahre könnte, allein auf Grund dieser demografischen Einmaligkeit, der Markt um einige Prozentpunkte wachsen. Eine Chance für die traditionellen Augenoptiker, falls es gelingt, diese Kunden zu gewinnen und sie nicht zur preisaktiven Ketten-Konkurrenz abwandern zu lassen.

Die Bedrohung durch neue Konkurrenten: Je schwieriger es ist, in einen Markt einzusteigen, desto sicherer können sich die in diesem Markt befindlichen Unternehmen fühlen und entsprechend hohe Preise verlangen. Dies galt bislang für die Schweizer Augenoptik-Branche, wie der Weltrekord-verdächtige Durchschnittspreis von 500 Fr. pro Brille zeigt. Ist es daher erstaunlich, dass neue Konkurrenten aus dem Ausland sich einen Teil dieses attraktiven Kuchens sichern wollen?

Noch mehr Konkurrenten

Aus Frankreich ist kürzlich die grosse Kette Grand-Optical in den Schweizer Markt eingetreten und wird über die zwei Läden in Lausanne und Zürich hinaus wohl weiter expandieren. Ob noch weitere ausländische Ketten, wie Pearls oder Afflelou, in den Schweizer Markt eintreten werden, lässt sich nur vermuten. Tatsache ist jedoch, dass sich der Konkurrenzkampf verschärfen wird. Dies umso mehr, falls sich auch, als Konsequenz der bilateralen Verträge, EU-Optiker in der Schweiz niederlassen sollten, oder die Fachhändler aus verwandten Branchen mit noch grösseren Problemen, wie z. B. die Uhren-Fachhändler, sich vermehrt dem Geschäft mit Optik-Artikeln zuwenden sollten.

Die Intensität der Konkurrenz, die das Geschäft hebt - die Frage ist für wen. Der für die traditionellen Augenoptiker ziemlich ungewohnte Konkurrenzkampf ist das schwerste Problem. Dieser droht die Branche umzukrempeln und könnte das Aus für manchen traditionellen Augenoptiker-Laden bedeuten. Symbol für diesen sich abzeichnenden Kampf um die Aufstiegs- oder Abstiegs-Runde ist Europas grösster Optik-Fachhändler, die Fielmann-Discountkette. Die führenden Unternehmen, primär Visilab und Fielmann, erreichten letztes Jahr mit etwa 100 Läden bereits 150 Mio. Fr. Umsatz. Beachtliche Zuwächse in Richtung 250 Mio. Fr. sind für die nächsten Jahre geplant und wahrscheinlich. Die restlichen etwa 900 Fachgeschäfte dürften ihren Umsatz in den nächsten Jahren auf rund 500 Millionen schrumpfen sehen. Da jetzt schon jedes zweite Fachgeschäft weniger als 500'000 Fr. Umsatz pro Jahr macht, so dürfte das untere Drittel der Geschäfte, besonders der nicht-spezialisierte Quartier-Laden, gefährdet sein.



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