17.08.2004

"Penetrantes Lobbying ist kontraproduktiv"

Seit bald drei Jahren präsidiert der St. Galler Textilunternehmer Ueli Forster (Bild) economiesuisse. Mit Forster wurde erstmals ein KMU-Vertreter an die Spitze des grössten Wirtschaftsverbandes der Schweiz gewählt. Ueli Forster ist der Ehemann der St. Galler FDP-Ständerätin Erika Forster. Wo er die grössten Probleme der Schweizer Wirtschaft sieht und warum er selbst einen Teil seiner Textilfirma Forster Rohner ins Ausland auslagern musste, erklärt der 64-Jährige im neusten “persönlich blau”. "persoenlich.com" bringt einen Ausschnitt:
"Penetrantes Lobbying ist kontraproduktiv"

Immer mehr Arbeitsplätze werden aus der Schweiz ins Ausland verlagert, in Billiglohnländer.

Das lässt sich nicht vermeiden, vor allem auch deshalb nicht weil viele dieser Länder stark wachsen. In dieser Hinsicht müssen wir deshalb auch als Gesellschaft wach und offen bleiben. Wir müssen mit dem Neuen das Alte kompensieren. Selbst in den Bereichen von Forschung und Entwicklung gibt es Routinearbeiten, die man problemlos auslagern kann. So kann zum Beispiel die Pharmaindustrie klinische Tests in Indien durchführen. Ich betone aber, dass es wichtig ist, dass wir die Grundlagenforschung in der Schweiz nicht vernachlässigen.

Wie kann man aus der Schweiz ein Silicon Valley machen?

Das Silicon Valley entstand nicht auf dem Reissbrett, sondern ist das Produkt eines glücklichen Zusammenspiels von vielen Faktoren. Deshalb interessiert die Frage, wie man eine Aufbruchstimmung erzeugt, wie sie früher im Silicon Valley vorherrschte. Zunächst müsste die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft verbessert werden. Auf dem Papier ist diese gut, doch in der Umsetzung hapert es. Für die einzelnen Betriebe müsste der Zugang zu den Universitäten erleichtert werden. Ebenso bemängle ich die Finanzierung der Hochschulen. Das schweizerische Hochschul-System sollte marktorientierter und weniger bürokratisch sein.

Wie versuchen Sie, die Politik von Ihren Standpunkten zu überzeugen?

Das ist manchmal delikat. Stichwort Gentechnologie. Wir dürfen dieses zukunftsträchtige Gebiet nicht vollständig den Amerikanern überlassen, die in dieser Frage weniger ethische Bedenken hegen als wir. Economiesuisse engagierte sich deshalb stark gegen die Genschutzinitiative und für den Gegenvorschlag, die Genlex. Ein Land, das sich als Forschungs- und Denkplatz sieht, kann neue technologische Möglichkeiten nicht einfach verdammen. Nicht das Verbot, sondern der verantwortungsvolle Umgang soll unser Denken und Handeln bestimmen. Eine von Angst und Unsicherheit geprägte Haltung verunmöglicht Innovationen.

Wie bewerten Sie heute den politischen Einfluss von economiesuisse?

Als langjähriges Vorstandsmitglied des Vororts und heutiger Präsident von economiesuisse glaube ich, dass unser Einfluss auf der Ebene Bund und Bundesverwaltung beachtlich ist. Wir pflegen einen intensiven Meinungsaustausch. Auch die Beziehung zu unseren Mitgliedern, den Wirtschaftsverbänden, sind im Allgemeinen sehr gut; obwohl die Interessen der einzelnen Branchenverbände manchmal nicht mit dem Gesamtinteresse deckungsgleich sind. Schwieriger ist die Kommunikation mit der Bevölkerung. Da sind wir auf die Medien angewiesen, und so ist es nicht immer möglich, unseren Standpunkt 1:1 darzustellen. Gegenwärtig versuchen wir die Ängste vor der EU-Erweiterung und dem freien Personenverkehr abzubauen. Ich glaube persönlich, dass wir da allerdings gute Chancen haben. Eine Mehrheit der Leute sieht ein, dass unser Land auf dem bilateralen Weg das Verhältnis zur EU verbessern kann.

Auf welche Weise lobbyieren Sie bei Politikern?

Das direkte Politlobbying wird weltweit immer wichtiger. Bei uns existiert dies auch, ist aber diskreter und weniger aggressiv als anderswo. Zudem sind Milizparlamentarier auf Hintergrundinformation angewiesen. Wir versuchen, dieses Lücke zu füllen. Neben der bundesrätlichen Botschaft und den Berichten in den Medien haben die Parlamentarier auch ein Bedürfnis zu hören, was die Wirtschaft über eine Sache denkt. Also informieren wir. Penetrantes Lobbying betreiben wir nicht, das wäre kontraproduktiv.

Sie sind vor einem Jahr selber in die Schlagzeilen geraten, als Sie in Ihrer Firma Forster Rohner Arbeitsplätze nach China und Rumänien auslagerten. Was waren Ihre Erfahrungen?

Als Unternehmer und Präsident von economiesuisse trage ich zwei verschiedene Hüte. Als Unternehmer muss ich primär entscheiden, was für unser Unternehmen notwendig ist. Rückblickend wie auch vorausschauend gesehen, waren und sind unsere Entscheide richtig. Die Textilbranche ist eine sehr schwierige Branche. Der innovative Bereich unseres Unternehmens mit den Abteilungen Design, Entwicklung, Verkauf, Technik und Logistik bleibt bei uns in St. Gallen, die Produktion haben wir hingegen aus Kostengründen teilweise ins Ausland verlagert. Dabei spielen nicht nur Kostenüberlegungen eine Rolle. Für uns war eine andere Tatsache mitentscheidend: Ein Grossteil unserer Kunden befindet sich nicht mehr in Europa, sondern in Asien, und dort wiederum immer häufiger in China. Soeben habe ich eine Studie gelesen, wonach in den für uns relevanten Bekleidungssegmenten bereits heute 65 Prozent aller amerikanischen Importe aus China stammen. Konkret: Wenn Amerikaner dasjenige ausziehen müssten, was in Niedriglohnländern produziert wurde, so wären 98 Prozent der Bevölkerung nackt. Lediglich zwei Prozent des Materials stammen also in den USA noch aus der Fertigung reicher Industrieländer. Bei den Schweizern ist diese Quote etwas tiefer, aber auch sehr hoch. Einer Firma wie Forster Rohner bleibt nichts anderes übrig, als den Kunden zu folgen, wenn sie den Anschluss nicht verlieren will.


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren