Das gemeindeweite Fotoverbot im Bündner Bergdorf Bergün hat zahllose Reaktionen ausgelöst im In- und Ausland. Nun soll dieses an der nächsten Gemeindeversammlung wieder aufgehoben werden. «Das alles war Teil der gesamten Dramaturgie und von Anfang an geplant», sagt Dennis Lück, Kreativchef bei der federführenden Kommunikationsagentur Jung von Matt/Limmat, gegenüber persoenlich.com. «Ehrlicherweise wurde ja auch niemand gebüsst», so Lück weiter. Die Agentur entwickelte diese Kampagne zusammen mit dem Gemeindevorstand von Bergün, mit Bergün Filisur Tourismus und der kantonalen Organisation Graubünden Ferien.
Dass das alles geplant war, davon zeugt auch ein am Donnerstag veröffentlichtes und professionell produziertes Video auf der Facebook-Seite der Ferienregion Bergün Filisur. Darin verkündet der Gemeindepräsident von Bergün, Peter Nicolay, dass man die negativen Reaktionen auf das «Herzliche Fotografierverbot» verstehen könne. Deshalb «erteilen wir jedem, der eine Kamera hat, eine herzliche Sondergenehmigung», so Nicolay. «Ab sofort ist das Fotografieren wieder frei.»
Das Verbot war am Montagabend von der Gemeindeversammlung nahezu einstimmig verabschiedet worden und trat schon am nächsten Tag in Kraft. Es wurde damit begründet, dass Bilder aus dem pittoresken Bergün Menschen unglücklich machten, die gerade nicht auf 1400 Metern über Meer im schönen Albulatal weilen könnten. Das wolle man verhindern (persoenlich.com berichtete).
Offenbar waren die Stimmberechtigten über die hinter dem Fotoverbot stehenden Absichten und auch dessen geplante Aufhebung informiert. Es scheint, als habe das halbe Dorf zwei Tage lang geblufft und Medien an der Nase herumgeführt. Nicht alle Journalisten goutieren das, wie branchenintern umgehend zu vernehmen war.
Das Fotoverbot im scheinbar verschrobenen Bergdorf in den Schweizer Alpen löste sofort ein riesiges, internationales Echo in Medien und auf Social Media aus. Obwohl den meisten Journalisten und Kommentarschreibern bewusst war, dass dahinter wohl eine Werbeaktion steckte, irritierte die gesetzliche Verankerung durch eine offenbar legitimierte Gemeindeversammlung.
Irritierte bis verärgerte Reaktionen
Viele Schreibende reagierten irritiert bis verärgert. In der Schweiz braute sich in den Kommentaren auf Zeitungsportalen ein Shitstorm zusammen. Der Tenor lautete: «Nach Bergün fahre ich nun erst recht nicht. Verbote gibt es in der Schweiz schon genug.» So hatten auch die «20 Minuten»-Leser wenig übrig für das Verbot: Bei einer Umfrage mit über 2000 Teilnehmern gaben 81 Prozent an, sie hielten es für eine «Frechheit». Die Kommentare im Ausland waren etwas wohlwollender, wenn auch selten überschwenglich.
hmmm #Bergün,.. i befürchta fascht, dä Schuss isch hinna usa, .. as isch z'schwierig für d'Lüt, as wird nit verschtanda.. guck z.B. Comments pic.twitter.com/23BZ3rWmRe
— I ❤ Graubünden (@graubuendner) 30. Mai 2017
Gemeindepräsident Nicolay zieht dennoch ein positives Fazit. Die Gemeinde hätte nie gedacht, ein derart grosse Medienecho auszulösen. Bilder des Dorfes seien nun gesuchter denn je. Nach Angaben der Beteiligten aus Werbung und Tourismus erreichte Bergün mit der Aktion Millionen von Menschen weltweit bei minimalen Ausgaben.
Mit Kritik gerechnet
Von den zahlreichen negativen und in der Schweiz nicht selten gar aggressiven Kommentaren wollen die involvierten Touristiker und Werber nicht überrascht worden sein, wie sie auf Anfrage erklärten. «Wir haben gewusst, dass die Geschichte kontrovers aufgenommen wird», sagte der Bergüner Tourismusdirektor Marc-Andrea Barandun zur Nachrichtenagentur SDA. Und auch Kreativchef Lück sagte bereits am Mittwochabend zu persoenlich.com: «Natürlich wussten wir, dass die Idee polarisieren wird.» Die negative Welle würde sich jedoch bereits legen, positive Kommentare häuften sich, ergänzte Cyrill Hauser, PR-Chef bei Jung von Matt/Limmat, am Donnerstag gegenüber der SDA.
Zur Frage nach der Verhältnismässigkeit eines Gesetzerlasses im Dienste einer Werbekampagne sagte Tourismusdirektor Barandun: «Die Gesetzesänderung war notwendig, damit die Kampagne die richtige Wirkung entfaltet». Wie viele der dadurch auf Bergün aufmerksam gewordenen Menschen nun tatsächlich den Weg ins Albulatal finden, werde sich allerdings erst zeigen. (sda/cbe)
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04.06.2017 13:51 Uhr
02.06.2017 08:11 Uhr
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