22.05.2017

Retargeting

«Videos sprechen Menschen emotionaler an»

Werbung, die einen auf Schritt und Tritt verfolgt, kann nerven. Wie können Unternehmen die Kundenansprache so gestalten, dass diese positiv aufgenommen wird? Inhalt und Frequenz bestimmen den Retargeting-Erfolg, sagt Christof Koller, Geschäftsführer bei Oyatec. Und er weiss, was in Sachen Online-Werbung noch zu erwarten ist.
Retargeting: «Videos sprechen Menschen emotionaler an»
Christof Koller: «Mit kurzen Videosequenzen lassen sich Informationen und Emotionen deutlich besser übertragen als mit Text und Standbildern.» (Bild: zVg.)
von Christian Beck

Herr Koller*, personalisierte Online-Werbung durch Tracking kennt mittlerweile jeder. Was bringt die Zukunft?
Tracking im Internet ist in der Tat nicht neu. Trotzdem schöpfen nur die wenigsten Unternehmen die vielfältigen Möglichkeiten dieser Technik voll aus. Gerade im Bereich der mobilen Kommunikation gibt es noch viel ungenutztes Potenzial. Ein Beispiel sind Geoinformationen, also der Standort der Benutzer. Sie werden mit Sicherheit künftig eine grössere Rolle spielen. Klar ist, dass ein Einverständnis des Users Voraussetzung ist. Liegt sie vor, können ihm Informationen und Werbung zugespielt werden, die er dann an seinem aktuellen Standort optimal nutzen kann.

Und das Ganze wird dann meist mit klassischen Werbebannern ausgespielt. Welche Werbemittel kommen künftig?
Hier sollte man vor allem die zunehmende Bedeutung von Videoinhalten nicht unterschätzen. Mit kurzen Videosequenzen lassen sich Informationen und Emotionen deutlich besser übertragen als mit Text und Standbildern. Da die Vorstellungskraft des Empfängers hier kaum mehr gefordert ist, lassen sich Videos einfacher konsumieren. Gerade beim Retargeting bieten Videoinhalte grosse Vorteile, da dynamische Videospots Menschen viel emotionaler ansprechen.

Im Trend sind personalisierte Kundenansprachen. Retargeting ist im Grunde aber noch keine personalisierte Ansprache.
Richtig. Diese Werbetechnologie liefert ausschliesslich Informationen über Bedürfnisse und Interessen von Personen und keinerlei persönliche Daten. Das Thema Customer Journey, also die Reise des Nutzers auf dem Weg vom ersten Kontakt zur Kaufentscheidung, macht das deutlich. Am Anfang der Reise geht es darum, Menschen zu finden, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren, um sie in den verschiedenen Phasen der Entscheidungsfindung mit passenden Informationen zu versorgen und zu unterstützen.

Und wann wird es richtig personalisiert?
Wenn der Kunde davon überzeugt ist, dass unsere Lösung sein Bedürfnis abdeckt, ist er meistens auch bereit, seine Anschrift und andere persönliche Daten preiszugeben. Erst jetzt ist es möglich den Kunden mit Namen persönlich anzusprechen. Beispielsweise über E-Mail-Marketing. Datenschutzrechtlich sind daher keinerlei Konflikte zu erwarten.

Und bis zu diesem Zeitpunkt sind die User tatsächlich immer nur eine «Nummer»?
Ja, beim Retargeting ist der Anwender nur als Teil einer Gruppe von Anwendern bekannt, die sich auf eine bestimmte Weise verhalten oder handeln. Sie besuchten beispielsweise eine Landing-Page, spielten ein spezielles Video ab oder klickten auf eine bestimmte Anzeige. Bekannt sind zu diesem Zeitpunkt der Customer Journey nur Verhaltensweisen und mögliche Interessen, aber keine persönlichen Daten.

Können Sie uns ein Beispiel nennen: Wie sieht eine typisch personalisierte Kundenansprache aus? Beginnt die mit «Grüezi Herr Beck»?
Personalisiert im Bereich Retargeting ist noch nicht persönlich, wir kennen die Person also – wie schon erwähnt – nicht mit Namen. Wir wissen lediglich, dass diese Person sich für ein Thema interessiert, weil sie eine spezifische Webseite besucht oder sich über ein bestimmtes Produkt informiert hat. Und aufgrund dessen wird für diese Person eine Anzeige genau zu diesem Thema geschaltet – etwa in Facebook oder im Google-Display-Netzwerk. Ich denke, es hat jeder schon erlebt, dass er sich über ein Produkt informiert hat und beim nächsten Facebook-Login genau dieses Produkt als Werbung geschaltet wird. Das ist personalisiert im Sinne von Retargeting. Persönlich mit Namen wird es erst, wenn der Kunde seine «Koordinaten» aktiv preisgegeben hat.

Manche Kunden fühlen sich durch Retargeting verfolgt. Wie lässt sich personalisierte Kundenansprache so gestalten, dass sie positiv aufgenommen wird?
Häufigkeit und Inhalt der Werbung sind die zentralen Faktoren, die für Unmut beim Kunden sorgen können. Das heisst, der Inhalt darf nicht aggressiv sein, sondern muss das Informationsbedürfnis des Kunden aufgreifen und adressieren – und muss ihm vor allem einen Nutzen bieten. Erfolgreiche Marketing-Aktivitäten stellen deshalb immer die individuelle Lage des Kunden ins Zentrum des Interesses. Wenn sich der Kunde beispielsweise Gedanken darüber macht, was er in seinen nächsten Ferien unternehmen könnte, hilft es ihm nicht weiter, ständig mit konkreten Angeboten konfrontiert oder – schärfer formuliert – «belästigt» zu werden. Besser ist es, ihm verschiedene Möglichkeiten und Ideen aufzuzeigen und ihn so bei seinem Entscheidungsprozess zu unterstützen. Die konkrete Hotel-Empfehlung kommt dann erst am Schluss der Customer Journey. Erfolgreiches Retargeting zeichnet sich deshalb durch wertvolle Inhalte und natürlich auch eine moderate Frequenz aus.

Und wie sieht ein falsches Vorgehen aus?
Nehmen wir an, ein Kunde besucht eine Webseite. Erhält er nun in der Folge durch Retargeting-Aktivitäten mehrmals täglich das gleiche Angebot präsentiert, obwohl er sich für das Thema gar nicht interessiert, empfindet er die Werbung als nervig – und zwar zu Recht. Schlimmstenfalls führen solche Aktionen sogar zu einem Imageverlust der Marke. Eine ähnliche Situation entsteht, wenn sich der Kunde konkret für ein Produkt interessiert, er aber auch nach zwei Monaten noch Angebote zu diesem Produkt erhält. Nach einer so langen Zeit hat er das Produkt entweder bereits gekauft oder er interessiert sich nicht mehr dafür. Auch in diesem Fall führen undurchdachte Retargeting-Aktivitäten zu einem berechtigten Unmut des Kunden.

Wie helfen Sie Unternehmen, solche Fehler zu vermeiden?
Kommunikation nach dem Giesskannen-Prinzip führt nur in den seltensten Fällen zum Ziel. Unternehmen sollten sich vielmehr bei jeder Aktivität fragen, welche Informationen für den Kunden relevant sind und ob sie ihm einen Mehrwert bieten. Hier kommt das Content-Marketing ins Spiel. Im Zentrum der Aktivitäten darf nicht die Werbung stehen. Nein, es muss vielmehr um gezielte Informationen gehen, die den Kunden bei seiner Entscheidungsfindung unterstützen. Oyatec bietet hierzu verschiedene Coachings an, in denen wir gemeinsam mit dem Kunden Tools und Services zusammenstellen, mit denen er seine Werbeaktivitäten erfolgreich selbst durchführen kann.


* Christof Koller ist Geschäftsführer bei Oyatec in Lommis. Das Schweizer Unternehmen ist auf Coaching, Consulting, Lösungen und Services rund um die Digitalisierung in den Bereichen Marketing und Vertrieb spezialisiert.



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