13.09.2017

Dialogmarketing

Was Sophie schreibt, wird gelesen

100 Prozent Öffnungsrate: Handschriftliche Mailings erreichen Traumquoten. Kein Wunder, testet auch die Post im Herbst den Einsatz von Schreibrobotern. Wie funktioniert ein solches Gerät? Ein Augenschein in der Zürcher Stadtdruckerei Robert Hürlimann.
Dialogmarketing: Was Sophie schreibt, wird gelesen
Automatisierung trifft auf Tradition: Schreibroboter Sophie schreibt langsam, aber unermüdlich in Handschrift. (Bild: Fabienne Wild)

Sophie nimmt es gemütlich. Buchstaben für Buchstaben schreibt sie feinsäuberlich auf eine Weihnachtskarte. Angeschrieben werden die «lieben Mitarbeiter», unterzeichnet wird mit «B. Schäppi». Sophie ist ein Roboter – wie ihr jüngerer Bruder Jean-Paul, der gleich neben ihr steht. Zusammen erledigen sie, was von Menschenhand zu mühsam wäre: Sie schreiben Karten, Briefe und Adressen. Ohne Fehler. Ohne Kaffeepausen. Und wenn nötig 24 Stunden am Stück.

Das Resultat ist kaum zu unterscheiden von einer echten Handschrift (siehe Video oben). «Ich behaupte: Ein Brief, der von Sophie adressiert wurde, hat eine Öffnungsrate von 100 Prozent», sagt Robert Hürlimann, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Druckerei im Zürcher Oberdorf.

Handschriftliches wirkt

Auf handschriftliche Mailings setzte Anfang Jahr auch schon das E-Commerce-Unternehmen Blacksocks. 10'000 Kunden, die schon länger nichts mehr bestellt haben, wurden angeschrieben. Jeder Zehnte hat wieder bestellt. «Ein Riesenerfolg», sagte Blacksocks-Gründer Samy Liechti zu persoenlich.com.

Auch die Post will im Herbst mit einem Handschrift-Roboter einen Testversuch absolvieren. Eingesetzt werden soll dieser dann für Geschäftskunden (persoenlich.com berichtete). Angst vor der neuen Konkurrenz hat man bei der 120-jährigen Stadtzürcher Druckerei nicht. «Klar, vom Budget her können wir nie mit der Post mithalten», so Hürlimann. Sie hätten aber zwei Jahre Erfahrungsvorsprung, waren in der Schweiz Pioniere und halfen bei der Weiterentwicklung der Schreibroboter mit.

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Woher kommt die plötzliche Nachfrage? Dies liege daran, dass man heute mit E-Mails, Whatsapp, Facebook und anderem bombardiert werde, sagt Hürlimann. «Der Mensch sehnt sich zurück nach traditionellen Werten.» Auch bei den normalen Drucksachen stelle man dies fest, wo vermehrt haptisches statt glänzendes Papier verlangt werde.

Von Trauer- bis zu Weihnachtskarten

Das Einsatzgebiet der beiden Schreibroboter Sophie und Jean-Paul ist breit – Mailings, Flyer, Briefe, Einladungen, Speisekarten und vieles mehr. «Es begann mit Adressierungen – zum Beispiel bei Trauerkarten. Eine maschinelle Adressierung wäre hier zu unpersönlich», sagt Hürlimann. Die Schreibroboter hätten hier neue Möglichkeiten eröffnet.

Viele Kunden würden auch aus dem Finanzsektor oder der Uhren- und Schmuckbranche stammen. Häufig seien es Weihnachtskarten, aber auch Schreiben an Mitarbeiter oder Kunden. «Ein Verwaltungsratspräsident einer Bank lässt so von Sophie 1400 Karten schreiben», sagt Hürlimann. Und gerade bei einem Verwaltungsratspräsidenten rechne sich der Einsatz eines Schreibroboters schnell. «Hier ist das Verkaufsargument relativ einfach: Sie haben den teuersten Mann vom Unternehmen, der am Schreibtisch sitzt und Karten schreibt», so der 44-Jährige.

Sophie 1©Druckerei Hürlimann_1


Sophie hat aber auch ihren Preis. Soll sie Adressen auf 50 Umschläge schreiben, kostet dies 1.20 Franken – pro Couvert. Plus Einrichtungsgebühren. Die Preise sinken natürlich bei steigender Auflage. Im Schnitt umfasst ein Auftrag in der Stadtdruckerei um die 5000 Exemplare. Und jetzt steht Weihnachten vor der Tür. Sophie und Jean-Paul haben momentan wieder alle Roboterhände voll zu tun.

Unterschriften sind rechtsgültig

Sophie und Jean-Paul kommen mit vielen verschiedenen Schreibgeräten klar. «Der Fülli ist perfekt geeignet und lässt sich kaum mehr vom Original unterscheiden», so Hürlimann. Entweder schreiben die Roboter in einer individuellen Handschrift, die eingelesen wird. Oder man wählt – aus Kostengründen – eine von zwölf Standard-Schriftarten. «Jede Schrift wurde speziell für die Roboter programmiert, stammt von echten Menschen und hat pro Buchstaben mindestens zwei Varianten», sagt Hürlimann.

Unter dem Schreiben setzen Sophie und Jean-Paul wiederum echte Unterschriften. «Wir lassen eine Einverständniserklärung unterzeichnen, damit wir die Unterschrift für diesen Zweck benützen können», so der Druckerei-Chef. Die Unterschrift wäre rechtsgültig. «Aus diesem Grund sind die Roboter bewusst auch nicht ans Internet angeschlossen. Die Daten übertragen wir per SD-Karte.»

Wie lange personalisierte Direktmailings in Handschrift Wirkung zeigen, ist allerdings fraglich. Bisher waren Schreibroboter ein Nischenprodukt und erzielten nicht zuletzt deshalb ihre Wirkung. Fängt nun die Post an, handschriftlich adressierte Briefe im grossen Stil zu forcieren, dürfte die Öffnungsrate von 100 Prozent bald wieder zum Traum werden. Und was, wenn die Illusion beim Empfänger platzt, dass eben nicht der Chef persönlich zum Stift gegriffen hat? Fühlt man sich da nicht verschaukelt? «Das habe ich mich auch schon gefragt, ob dem so ist», gibt Hürlimann zu. Es zähle jedoch der Wille, etwas Persönliches machen zu wollen.

 

 


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