17.02.2004

"Wer es in China schafft, hat wirklich Zukunft"

Mitte des Jahrhunderts wird China als Werkbank der Welt wirtschaftlich mit den USA gleichziehen. Dadurch eröffnen sich unzählige Chancen auch für schweizerische Unternehmen. Doch wer China erobern will, muss einige Konzessionen und Schikanen in Kauf nehmen, die er anderswo nicht eingehen würde. Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften in China ist ein tiefes Verständnis für Gesellschaft und Kultur. China-Kenner Uli Sigg nimmt im neusten "persönlich blau" eine Einschätzung vor. "persoenlich.com" bringt einen Ausschnitt aus dem Interview:
"Wer es in China schafft, hat wirklich Zukunft"

Sie haben sich in den letzten Monaten stark engagiert für das Pekinger Olympiastadion, das von dem Schweizer Architekturbüro Herzog & DeMeuron realisiert wird. Welche Rolle spielten Sie?

Ich führte die Architekten in China ein und bin für ihr Coaching besorgt. Das Olympiastadion wird das Wahrzeichen der Olympiastadt.

Inwiefern sind Sie heute in China wirtschaftlich engagiert?

Ich leiste meinen Beitrag zu den dortigen publizistischen Projekten von Ringier, ich bin in Bereichen wie Finanzdienstleistung und Automobillogistik investiert und bin im Advisory Board der China Development Bank, welche die grossen Infrastrukturvorhaben wie Dreischluchtendamm und Autobahnen finanziert. Ich reise sechs bis acht Mal jährlich geschäftlich nach China.

Wie kommt ein Schweizer zu einem Amt von bedeutender politischer Ausstrahlung in China?

Ich wurde in den Advisory Board gewählt, weil ich sowohl den Westen als auch China sehr gut kenne. In den letzten 25 Jahren ist mir in China wohl schon alles zugestossen, was einem passieren kann, und so weiss ich mittlerweile um die Chancen und Risiken. Aber ich bin nicht der einzige Ausländer in diesem Rat, es sind auch der ehemalige amerikanische Aussenminister Henry Kissinger und der einstige französische Ministerpräsident Raymond Barre mit dabei.

Sie führten anfangs der Achtzigerjahre das erste Joint Venture zwischen einem westlichen und chinesischen Unternehmen in China durch, mit Schindler. Welches waren damals die grössten Schwierigkeiten?

Es gab keinerlei gesetzliche Grundlagen. Wir wussten bei der Neugründung zum Beispiel noch nicht, ob das nun eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH würde und welcherart unser Eigentum sei. Wir mussten auch aushandeln, wie man einen Gewinn ermittelt und wie hoch man ihn in der Folge versteuert. Der Technologietransfer mit tausenden von Dokumenten in mehrere Fabriken war sehr komplex. Ich war damals jung und unbedarft genug, um das Unmögliche zu versuchen. Eines war aber klar: Wenn das Joint Venture gelänge, würde es zum Vorzeigemodell in der Zusammenarbeit mit China -- und so war es dann. Denn damals war es noch höchst umstritten, westliche Technologie und Geld in ein chinesisches Unternehmen zu investieren.

Man fürchtete, dass sich China das Know-how aneignen und sich der Westen dadurch einen künftigen Konkurrenten selbst schaffen würde. Andere sahen stattdessen den riesigen Exportmarkt. Welches Szenario hat sich bewahrheitet?

Beide. Der Westen hat sich mit China in allen Bereichen einen starken Konkurrenten aufgebaut. Doch dies war ohnehin nicht zu vermeiden. Die Frage, um die sich auch weiterhin alles dreht, ist daher: Sind wir bei dieser Entwicklung dabei oder nicht?

Wie schätzen Sie den chinesischen Markt heute für Schweizer Unternehmen ein?

China ist immer noch ein schwer zu bearbeitender Wirtschaftsraum. Da sich aber viele Unternehmen grosse Stakes versprechen, nehmen sie bei der Erschliessung Konzessionen und Schikanen in Kauf, die sie anderswo nicht eingehen. Wer es indes in China schafft, hat wirklich Zukunft.


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