04.02.2020

Clear Channel

«Wir sind eine Plakatfirma und keine Zensurbehörde»

CEO Christoph Marty hatte kein ruhiges Wochenende. Nun wehrt er sich gegen Vorwürfe des Tages-Anzeigers. Rabatte bei politischen Kampagnen seien nicht ungewöhnlich, sagt der CEO von Clear Channel.
Clear Channel: «Wir sind eine Plakatfirma und keine Zensurbehörde»
Von selber abgefallen und inzwischen ein Fall vor Gericht: Ein Plakat des Egerkinger-Komitees mit abgebildeten FDP-Politikern, am Freitag, 4. Oktober 2019, in Thun. (Bild: Keystone/Peter Schneider)
von Matthias Ackeret

Herr Marty, der Tages-Anzeiger hat Clear Channel vorgeworfen, den Plakaten vom Egerkinger Komitee 60 Prozent Rabatt gewährt zu haben. Ist dies politische Sympathie?
Offensichtlich hat sich der Tages-Anzeiger nicht mit der Preispolitik von Aussenwerbung auseinandergesetzt. Was notabene auch unternehmensintern bei Neo Advertising möglich gewesen wäre. Politische Kampagnen jeglicher Herkunft sind grundsätzlich mit 40 Prozent rabattiert. In diesem Fall wurde die Kampagne eine Woche vor effektiven Aushang gebucht. Zu diesem Zeitpunkt kommen Last-Minute-Konditionen zum Tragen. Dies ist wie beim Bäcker kurz vor Ladenschluss oder auch bekannt aus der Reisebranche bei sehr kurzfristigen Hotelbuchungen. Beide Informationen – sowohl zum politischen Rabatt als auch zu last minute – sind auf unserer Website ersichtlich. 

Wie waren die Reaktionen auf den Tages-Anzeiger-Artikel?
Aufgrund des Artikels der uns indirekt unterstellt, diese Kampagne gezielt unterstützt zu haben, sind bei uns einige Reaktionen eingegangen – ein ruhiges Wochenende war es definitiv nicht.

Die Plakate mussten nach einer superprovisorischen Verfügung des Gerichtes in Andelfingen überklebt werden. Konnten Sie diesen Entscheid nachvollziehen?
Wir prüfen alle politischen und andere inhaltlich anspruchsvollen Aufträge vor Aushang, auch juristisch – in diesem Fall habe ich für einen Aushang entschieden. Was am Ende beim Prozess beurteilt werden wird, kann ich nicht kommentieren.

Und ist dies passiert?
Ja, wir haben unmittelbar nach dem Eingang der Aufforderung die Plakate zu überkleben, damit begonnen. Dies ist an einem Freitag geschehen und wir haben aufgrund unseres Systems zu jedem Plakat den genauen Überklebungszeitpunkt dokumentiert und der Staatsanwaltschaft dargestellt. Dies hat wohl auch zur Einstellung des Verfahrens geführt.

Wieso bekunden Sie Mühe mit der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft, deren Inhalt Sie einem Artikel des Tages-Anzeigers entnommen haben?
Für mich ist es im Kontext des Auskunftsbegehrens nicht nachvollziehbar, warum die Preise und weitere Details in der Einstellungsverfügung stehen. Sie haben mit meinem jetzigen Wissen mit der Beurteilung, ob alles unternommen worden ist, die Plakate schnellstmöglich zu überkleben, nichts zu tun. Wir haben aufgrund der genannten Details Akteneinsicht eingefordert, um eine Einordnung vornehmen zu können.

Würden Sie die Kampagne wieder schalten?
Schwierige Frage nach diesem Wochenende und vor dem Hintergrund, dass ein erstinstanzlicher Entscheid vorliegt. Aber die politische Auseinandersetzung wird von allen Seiten kontroverser und härter geführt. Am Ende ist der Absender für den Inhalt verantwortlich und ich sehe uns als Plakatfirma nicht in der Rolle einer Zensurbehörde.

Welche Lehren ziehen Sie aus dem Tages-Anzeiger-Artikel und dem Shitstorm?
Wir haben die Entscheidungsmatrix für zukünftige Fälle überprüft in Bezug auf Meinungsäusserungsfreiheit, Diskriminierungsverbot und Persönlichkeitsschutz und auch den Prozess noch einmal detailliert überprüft, der bei einer Überklebung zur Anwendung kommt. Dies aufgrund der gängigen Praxis, die der Verband Aussenwerbung Schweiz, die Lauterkeitskommission und die Wettbewerbsbehörde veröffentlicht haben. Dies hatte zur Folge, dass wir unsere Haltung intern noch klarer dokumentiert haben. Zudem haben wir das Entscheidungsprozedere und den dazugehörenden Prozess verfeinert sowie die betroffenen Absender breiter gefasst.

 



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Kommentare

  • Thorsten Stutzmann, 05.02.2020 09:00 Uhr
    Seltsame Berichterstattung des Tagesanzeigers. Wie kann man von einem Spezialrabatt reden ohne die Preise zu recherchieren? Als ob APG oder Neo diese Aufträge nicht angenommen hätten? Heute wird so kurzfristig gebucht, dass es logistisch eine Meisterleistung ist. Ja, definitiv ein Plakatanbieter ist keine Zensurbehörde. Hätte der TagesAnzeiger gleich berichtet, wenn NEO Advertising die Plakatkampagne erhalten hätte?? Etc.
  • Victor Brunner, 04.02.2020 13:51 Uhr
    Bestimmt wird die SVP, Walter Wobmann, Thomas Matter Clearchannel weiterhin mit Aufträgen mandatieren!
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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