25.05.2018

Agentur am Flughafen

«Workshops am Bodensee sind befreiend»

25 Jahre Agentur am Flughafen: Die Ostschweizer Kreativschmiede feiert am Freitag ihr Jubiläum. Ein Gespräch mit Firmengründer René Eugster über den ungewöhnlichen Agenturstandort und die zweite Generation, die bereits in den Startlöchern steht.
Agentur am Flughafen: «Workshops am Bodensee sind befreiend»
René Eugster ist Kreativkopf und Inhaber der Agentur am Flughafen. (Bild: Niklas Stadler)
von Matthias Ackeret

Herr Eugster, herzliche Gratulation zum 25-Jahr-Jubiläum Ihrer Firma. Hätten Sie sich damals, im Gründungsjahr 1993, vorstellen können, dass Ihre Agentur ein Vierteljahrhundert alt würde?
Nein. Aber als knapp Dreissigjähriger denkt man auch nicht an Betriebsjubiläen. 

Ihre Frau Patrizia und Sie hatten überhaupt keine Werbeerfahrung. Wie kamen Sie darauf, eine eigene Agentur zu gründen?
Das stimmt so nicht. Wir hatten schon Werbeerfahrung, nur waren wir auf der Kundenseite. Unsere Gegenüber und ihre überschaubare Kompetenz spornten uns an, die Seite zu wechseln. Na ja, so einfach, wie wir gedacht hatten, war das dann doch nicht. Aber wir hatten Blut geleckt. Das Wichtigste waren für uns die Selbstständigkeit und die damit verbundene – vermeintliche – Entscheidungsfreiheit.

Wer war Ihr allererster Kunde?
Das waren gleich zwei: Der eine kam aus der Verlagsbranche – wir durften den neuen «Mantel» des «Flawiler Volksfreunds» launchen. Der andere war ein Sportgeschäft, für das wir danach während fast zwanzig Jahren sehr kreative Arbeiten machten.

Sie haben aber – und das ist überraschend – schon sehr früh auf das Internet gesetzt.
So ganz überraschend ist das nicht. Ich verfüge ja über einen technischen Hintergrund. Zudem haben meine Frau und ich auf Kundenseite in einem IT-Konzern gearbeitet. Das hiess damals noch EDV. Wir beide interessierten uns immer für den Kundendialog und sahen in der neuen Technologie bereits 1994 eine Riesenchance.

Im fünften Jahr Ihres Bestehens konnten Sie mit Hertz und wenig später mit der Schweizerischen Post zwei sehr grosse Kunden an Land ziehen. Wie ist Ihnen dies gelungen?
Ich habe bis zu meinem fünfzigsten Lebensjahr an verschiedensten Schulen rund 30’000 Lektionen in Marketingstrategie unterrichtet. So kam ich auch in Kontakt mit den damals neuen Geschäftsleitern von Hertz. Überzeugt haben wir dann aber in einem Pitch. Den ersten Auftrag der Post hingegen gabs Jahrzehnte und einige hundert Direct-Marketing-Awards später.

Bildschirmfoto 2018-05-24 um 15.44.31

Bildschirmfoto 2018-05-24 um 15.44.11

War Ihr Standort, am östlichsten Rand der Schweiz, je ein Nachteil – oder gar ein Vorteil?
Ich weiss, Sie sind vor ein paar Jahren mit dem «persönlich»-Verlag aus dem Kanton St. Gallen nach Zürich gezogen. Für uns ist der selbst gewählte Standort in der Ostschweiz Fluch und Segen zugleich. Wir sind zwar sehr weltoffen, aber Rheintaler mit Innerrhoder Wurzeln. Da geht man nicht so gerne für immer weg. Unsere Kids wuchsen wohlbehütet am Bodensee auf. Die Lebensqualität zwischen Säntis und Bodensee ist unschlagbar, und wir haben den Wirtschaftsraum Euregio vor der Haustür. Aber ganz ehrlich: Diese Euregio funktioniert nicht wirklich, zumindest nicht für Schweizer Werbeagenturen. Da kocht jeder in den vier Ländern sein eigenes Süppchen. Oft ist nicht die beste Lösung gefragt, sondern die aus dem eigenen Landstrich. Wir hatten bei den Kunden nie eine starke regionale Bindung. Die Schweiz ist ja nicht so gross. Man kann locker an einem Tag vom einen Ende zum anderen und wieder zurück gelangen.

Weltweit einmalig ist wohl, dass sich eine Agentur direkt neben einer Flugpiste befindet. Wie kam dies? Und gab es auch schon Verwechslungen?
Klar, solche Verwechslungen gibts bis heute täglich. Für uns ist das eine Art Running Gag. Das hat wohl auch mit dem Selbstverständnis der Zürcher zu tun (Flughafen gleich Flughafen Zürich). Lassen Sie es mich ein für alle Mal klarstellen: Ja, wir sind am Flughafen – und zwar in Altenrhein. Und ja, wir haben internationale Linienflüge hier. Okay, das ist nicht immer so lustig, aber wir haben uns jetzt, nach fünfundzwanzig Jahren, auch eine Dépendance am Flughafen Zürich geleistet. Damit wäre dieses Thema wohl vom Tisch. Grundsätzlich gilt: Uns kann der Kunde dort haben, wo er will. Wir sind Dienstleister. Was den Namen «Agentur am Flughafen» angeht: Zuerst hiessen wir kurz, knackig und erfolgversprechend «René Eugster Kommunikationsberatung ASW». Nach einigen wachstumsbedingten Umzügen suchten wir einen Standort mit Story. Das Rorschacher Schlachthaus schien meiner Frau unangemessen. Da fiel die Wahl auf eine alte, riesige Halle am internationalen Flugplatz St. Gallen/Altenrhein. Und ja, das ist unseres Wissens weltweit einzigartig.

Haben Sie bei Ihren nationalen Kunden auch schon eine Zürich-Müdigkeit gespürt?
Vor zehn Jahren hätte ich dazu Ja gesagt. Heute weiss ich nicht so recht. Ich denke, Zürich ist multikulti genug, um nicht einem geistigen Protektionismus zu verfallen. In Zürich gehts um die beste Lösung, egal, woher sie kommt. Als Dialogmarketingagentur mit hoher Kompetenz im datenbasierten Marketing sowie im Bereich B2B-Marketing betreuen wir Kunden und Projekte in der ganzen Schweiz und in einigen deutschen Grossstädten. Doch in einem Punkt vermuten Sie schon richtig: Nicht nur für unsere Mitarbeitenden, sondern auch für unsere Kunden (die zu 50 Prozent aus Zürich und zu 25 Prozent aus Bern stammen) sind Strategieworkshops bei uns am Bodensee befreiend und regen zum freien Denken an. Damit haben aber sicher unsere einmalige Location und die Stimmung in unserer Agentur zu tun.

Planen Sie einen weiteren Ausbau Ihrer Agentur?
Wir sind im zurzeit optimal aufgestellt: Wenn wir die Betriebsjahre addieren, sitzt da ganz viel konzentrierte Erfahrung auf einem Haufen. Ich denke, dass Erfahrung in unserem Job wieder ein zentrales Element sein wird – gepaart mit der Euphorie, der Unbekümmertheit und den Skills der Jugend. Wir haben einen super Mix mit den zwei Generationen in unserer Agentur. Wenn der Eurokurs so weiter steigt, könnte ein Ausbau wieder ein Thema werden, aber ansonsten setzen wir – im Sinne unserer Kunden – weiterhin erfolgreich auf Co-Working-Partnerschaften mit den Besten ihrer Zunft. Wir kennen da keine Berührungsängste oder Animositäten.

Ihre Kinder engagieren sich auch bereits in der Agentur. Planen Sie einen sanften Ausstieg?
Ist das eine Fangfrage? Ich bin noch im Unruhezustand des Unternehmers. Doch in sechs Jahren werde ich sechzig Jahre alt. Jetzt ist es wohl offiziell: Vor wenigen Wochen wurde unser ältester Sohn Maximilian in den Verwaltungsrat gewählt. Er hat schon seit Längerem (er behauptet, seit seiner Geburt) ein Teilzeitpensum bei uns, wird aber wie ein Nachwuchstalent im Fussball an verschiedene Kunden ausgeliehen, um seine Sporen abzuverdienen. Daneben absolviert er eine berufsbegleitende Ausbildung an der FH. Unsere zwanzigjährige Tochter Katharina kommt im Sommer in ihr letztes von vier Lehrjahren als Interactive-Media-Designerin in der Agentur am Flughafen und will nachher an die Miami Ad School. Etwas Besseres kann einem Familienunternehmen wohl kaum passieren.

Würden Sie rückblickend wieder in die Werbung gehen oder eher etwas anderes machen?
Zum Rockstar und Frontmann haben meine Gitarrenkünste leider nicht gereicht, und hinten beim Trommler wollte ich nicht stehen. Daher stellt sich die Frage für mich auch heute nicht. Aber im Ernst: Ja, ich würde wieder in die Werbung gehen. Ich habe einen Traumberuf: Ich lerne dauernd neue Menschen kennen, sehe in unendlich viele Branchen und Betriebe rein, darf oft als Unternehmer andere Unternehmer auf Augenhöhe beraten, unterhalte und bewege mit meinem Tun und Handeln Menschen, mein Intellekt wird gefordert, es wird mir nie langweilig, ich darf kreativ sein und kriege erst noch Geld dafür. Was will man mehr?              

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des «persönlich»-Magazins.



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240426