12.12.2021

Medienförderung

«Das ist doch eine reine Symptombekämpfung»

Den Schweizer Medien fehlt ein nachhaltiges Konzept für die Zukunft. Deshalb lehnt der ehemalige SRF-Projektleiter David Elsasser das Mediengesetz ab, über das im Februar 2022 abgestimmt wird. Er plädiert für Kooperation und nicht für Konfrontation.
Medienförderung: «Das ist doch eine reine Symptombekämpfung»
David Elsasser ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens ReMindset. Bis im Frühling 2021 war er Verantwortlicher des Transformationsprojekts «SRF 2024». (Bild: zVg)

Herr Elsasser, Sie haben sich in der NZZ am Sonntag sehr kritisch zum geplanten Mediengesetz geäussert (persoenlich.com berichtete). Warum?
Weil meiner Ansicht nach ein Konzept fehlt, welches die Schweizer Medien auch wirklich zukunftsorientiert und nachhaltig fördert. Gemäss Gesetzestext sollen die zusätzlich rund 150 Millionen Schweizer Franken jährlich mehrheitlich ins angestammte Geschäft fliessen. Die eigentlichen Problemstellungen in der digitalen Medienwelt werden kaum behandelt.

Was meinen Sie damit?
Ein Medienunternehmen hat grundsätzlich zwei Aufgaben zu erfüllen: die Herstellung von Medieninhalten und die Verbreitung von Medieninhalten. Obwohl die Ursache der Medienkrise primär in der Verbreitung liegt, fokussieren die medienpolitischen Diskussionen immer noch mehrheitlich auf die Herstellung. Sprich, wir beschäftigen uns zu stark mit der Finanzierung von Medieninhalten und zu wenig mit der Frage, wie gut diese Inhalte das Publikum noch erreichen. Der Fokus liegt aus meiner Sicht am falschen Ort.

«Die Ursache der Medienkrise liegt primär in der Verbreitung»

Können Sie das bitte konkreter formulieren?
Mit der Digitalisierung findet der Medienkonsum zunehmend auf den Mobiltelefonen statt. Und dort stehen die klassischen Medien in einem globalen Wettbewerb mit den mächtigen Technologieunternehmen, wie Google oder Facebook. Diese vereinen die Inhalte verschiedener Medien auf ihren eigenen Plattformen und machen ihnen so sehr erfolgreich ihre Werbeeinnahmen und damit ihre Finanzierungsquellen streitig. Wir reden da schätzungsweise von rund zwei Milliarden Schweizer Franken jährlich. Gerade jüngere Zielgruppen nutzen kaum noch Apps von Schweizer Medien, sondern konsumieren deren Inhalte, wenn überhaupt, über die Plattformen der grossen Technologieunternehmen – und dies gerne kostenlos. Damit entgehen den Schweizer Medien viele Werbeeinnahmen und wertvolle Nutzerdaten. Die Ursache der Medienkrise liegt also primär in der Verbreitung. Die finanziellen Verluste sollen nun durch die neue Medienförderung kompensiert werden. Mehr politische Gelder für die Finanzierung von Medieninhalten bedeutet aber am Ende vor allem auch wiederum mehr Werbeeinnahmen für die grossen Plattformen.

Fordert Bundesrätin Simonetta Sommaruga nicht auch deswegen zu Recht ein Leistungsschutzrecht?
Ob ein Leistungsschutzrecht, eine Digitalsteuer oder eine Lex Netflix, am Ende führen all diese Konzepte doch einfach einen Anteil der Einnahmen von den mächtigen Plattformen zu den klassischen Medien zurück, damit diese die Herstellung der Medieninhalte indirekt refinanzieren können. Wir nähren damit nur das System, das uns in die heutige Lage gebracht hat. Das ist doch eine reine Symptombekämpfung. Für einen Ökonomen ist es deshalb auch wenig überraschend, dass inzwischen Google selbst mit ihrem «Digital News Innovation Fund» die Herstellung von Medieninhalten in Europa mit jährlich rund 150 Millionen Euro unterstützt, denn die Plattform hat ein grosses Eigeninteresse an hochwertigen Inhalten, die viel Werbegeld bringen.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht ein möglicher Lösungsansatz?
Wir müssen den Fokus auf die Verbreitung legen und sicherstellen, dass die Schweizer Medien ihre Nutzenden direkt erreichen. So wie wir dies in der Vergangenheit bei den Zeitungen mit der Subventionierung der Postzustellung oder beim Digitalfernsehen mit der «Must Carry Rule» auch schon erfolgreich gemacht hatten. Für die neue Medienwelt bedeutet dies, dass wir einen direkten Zugang über die digitalen Plattformen sicherstellen müssen. Denn wer den direkten Zugang zu den Medienkonsumenten hat, bestimmt das inhaltliche Angebot, kann Werbung schalten und Nutzerdaten generieren. Warum wohl bezahlt Google jährlich geschätzte 15 Milliarden Franken an Apple, nur damit die Google-Suchmaschine auf deren iPhones vorinstalliert ist? Weil Google selbst über keine weltweit verbreitete Hardware verfügt und nur so einen direkten und gesicherten Zugang zu den Nutzenden bekommt. Die Verbreitungsfrage stellen sich also auch die ganz grossen Player. Aus solchen Fakten können wir lernen. Auch der Detailhandel und andere Branchen leiden unter den globalen Gesetzen der Plattformökonomie. Deshalb sind wir wirtschaftlich wie auch politisch gefordert, gute Konzepte zu finden.

Und wie gelingt dies?
Da bin ich auch sehr gerne bereit, die Verantwortlichen zu unterstützen. Nur schaffen wir das nicht, solange da jeder nach seinen Partikularinteressen für sich selbst weiterwurstelt. Und auch wenn wir alle am gleichen Strick ziehen, bleiben wir im Ungleichgewicht zu den grossen Technologieunternehmen. Deshalb plädiere ich für Kooperation und nicht für Konfrontation. Denn wenn wir es nicht schaffen, für die Herausforderungen der Plattformökonomie eine gute Lösung zu finden, ist nicht nur das Geschäftsmodell der Medienunternehmen, sondern vor allem auch die mediale Grundversorgung und gewünschte Medienvielfalt in der Schweiz gefährdet.

«Gefragt sind beidseitig gewinnbringende Konzepte»

Und mit Kooperationen meinen Sie: Private und die SRG gemeinsam an einem Tisch?
Die Privaten und die SRG, aber eben auch die grossen Technologieunternehmen. Aus meiner Erfahrung ist es nicht so, dass die internationalen Plattformanbieter nicht kooperieren wollen, denn sie haben ja ebenfalls wirtschaftliche, aber zunehmend eben auch politische Interessen, was deren Akzeptanz in den einzelnen Ländern betrifft. Gefragt sind beidseitig gewinnbringende Konzepte. Davon sind wir heute aber noch weit entfernt.

Weil das Referendum gegen die verschiedenen direkten und indirekten Fördermassnahmen ergriffen wurde, hat nun am 13. Februar das Stimmvolk das letzte Wort zum Medienpaket. Wie lautet Ihre Prognose?
Ich würde gerne die Zukunft voraussagen können. Wenn das Stimmvolk Ja sagt, bedeutet dies, dass der Bevölkerung ein starker Schweizer Medienplatz wichtig ist, was ich ja grundsätzlich ebenfalls unterstütze. Ein Nein würde die Medienunternehmen fordern, aus der Komfortzone herauszutreten und nach echten neuen und gemeinsamen Lösungen für eine digitale Zukunft zu suchen. Deshalb hoffe ich zugunsten eines nachhaltig erfolgreichen Schweizer Medienmarktes auf ein Nein.


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