11.10.2018

Republik

«Das ist kein Exodus, sondern eine Transformation»

Gleich vier Leitungsmitglieder verlassen das Medienprojekt. Nun gehe es «vom Sprint der Gründung in den Marathon des Alltagsbetriebs», sagt Co-Gründer Christof Moser zu persoenlich.com. Im Interview spricht er über die Abgänge, Aboerneuerungen und Aussichten.
Republik: «Das ist kein Exodus, sondern eine Transformation»
«Machen wir uns nichts vor: Die ‹Republik› ist und bleibt ein Projekt gegen die Wahrscheinlichkeit, ein Hochrisikounterfangen», sagt Co-Gründer Christof Moser. (Bild: Republik)

Herr Moser, wie zufrieden sind Sie mit dem ersten Jahr?
Danke der Nachfrage, ich bin zufrieden! Wobei Sie uns älter machen, als wir sind: Die «Republik» ist gerade mal zehn Monate jung.

Letzte Woche wurde bekannt, dass sich auf Ende Oktober Geschäftsführerin Susanne Sugimoto, VR-Präsident Laurent Burst, Genossenschaftspräsidentin Nadja Schnetzler sowie Finanzchef François Zosso von der «Republik» verabschieden (persoenlich.com berichtete). Was sind die Gründe für diesen Exodus?
Das ist kein Exodus, sondern eine Transformation. Vom Sprint der Gründung in den Marathon des Alltagsbetriebs, vom Start-up zum Unternehmen. Die genannten vier Spezialistinnen in ihren Fachgebieten haben mit ihren Ideen, ihrem Know-how und ihrer Hartnäckigkeit den Aufbau der «Republik» überhaupt erst ermöglicht. Sie sind zu einer Zeit an Bord gekommen, als das Projekt von Visionären über Organisationstalente bis zu Finanzexpertinnen alles Mögliche brauchte, nur noch keine Journalisten. Jetzt ist die erste Phase des Aufbaus abgeschlossen, der Betrieb läuft und wir können den Fokus noch stärker darauf legen, worum es geht: Journalismus.

Die vier Spezialisten gehen nun neuen Aufgaben nach. Geht durch diese Abgänge bei Ihnen nicht sehr viel Know-how verloren?
Susanne Sugimoto, Laurent Burst, Nadja Schnetzler und François Zosso waren allesamt Glücksfälle für die Aufbauphase der «Republik». Selbstverständlich werden wir sie vermissen! Gleichzeitig haben wir in den letzten zwölf Monaten mit vielen neuen Köpfen auch viel Know-how gewonnen. Die vier Führungspersonen haben ausserdem dafür gesorgt, dass ihre Erfahrungen an das neue Team übergegangen sind. Teils war ihr Engagement von Anfang an zeitlich begrenzt, teils sind wir rechtzeitig über den geplanten Rückzug informiert worden. So können wir zum Beispiel im Verwaltungsrat mit dem neuen Finanzchef Tobias Asch einen lückenlosen Übergang sicherstellen.

«Dieser Aufbau hat die Superkräfte der ersten Generation gebraucht»

Sie sprechen davon, dass es jetzt einen Generationswechsel brauche. Ist dies nicht nach zehn Monaten nicht sehr früh?
Schauen Sie: Wir haben das Unternehmen auf der grünen Wiese aufgebaut. Anfang 2017 war die «Republik» nicht mehr als eine Idee auf Papier. Jetzt ist sie ein kleiner Medienkonzern mit 50 Angestellten. Dieser Aufbau hat die Superkräfte der ersten Generation gebraucht. Im Juni haben wir das erste Geschäftsjahr abgeschlossen. Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir die nächste Phase einläuten? Im Unterschied zur Phase vor dem Start kennen wir jetzt das Produkt. Der Generationenwechsel gibt uns die Möglichkeit, die Organisation nochmals neu zu denken und gezielter aufzustellen – so schlank wie möglich fokussiert auf das, was wir liefern wollen: guten, bestenfalls sogar begeisternden Journalismus. 

Ihr Konzernverlust beträgt gemäss Ihrem Geschäftsbericht 2,85 Millionen Franken. Wie holen Sie dieses Geld wieder rein?
Die Mitgliederbeiträge in der Höhe von 4,63 Millionen Franken sind nicht über die Erfolgsrechnung, sondern direkt als Stammkapital in die Bilanz gebucht worden. Dies ist bei der Bewertung des ausgewiesenen Verlust zu berücksichtigen. Nach Abschluss des ersten überlangen Geschäftsjahres weisst der konsolidierte Abschluss Eigenkapital in der Höhe von 1,9 Millionen Franken aus. Das Defizit liegt im Businessplan und wird von der Project R Genossenschaft getragen. Im Januar kommt die entscheidende Hürde: die Erneuerung der fast 16’000 Mitgliedschaften, die vor dem Start des Magazins an Bord gekommen sind. Parallel dazu gleisen wir wie geplant eine zweite Finanzierungsrunde auf. Der Businessplan sieht vor, dass die «Republik» bis zum Break-even rund sieben Millionen Franken Anschubfinanzierung brauchen wird. Daran hat sich nichts geändert. Was uns anspornt: Das Mitgliederwachstum übertrifft unsere Erwartungen und steuert jetzt auf 22’000 Verlegerinnen und Verleger zu.

«Eine Erneuerungsquote von 50 Prozent würden wir überleben»

Sie sagen es: Bald müssen die Verlegerinnen und Verleger ihren Beitrag wieder erneuern. Wie zuversichtlich sind Sie, dass dies klappt?
Wir sind zuversichtlich. Und haben konservativ budgetiert, gemäss den Erfahrungen vergleichbarer Projekte: Eine Erneuerungsquote von 50 Prozent würden wir überleben. Kämpfen werden wir für 66 Prozent. Aber machen wir uns nichts vor: Die «Republik» ist und bleibt ein Projekt gegen die Wahrscheinlichkeit, ein Hochrisikounterfangen. Für den langfristigen Erfolg werden wir auch Verlegerinnen und Verleger brauchen, die an Bord bleiben, obwohl sie uns vielleicht nicht oder nur selten lesen, aber das gemeinsame Ziel unterstützen: ein funktionierendes Geschäftsmodell für unabhängigen, werbefreien und leserfinanzierten Journalismus abseits der zusammenfusionierten Grossverlage.

Welche Neuerungen auf der Redaktion sind geplant?
Wir haben uns von der Idee der Jahreszeiten-Chefredaktion verabschiedet, weil wir mehr Kontinuität brauchen. Die nächste Chefredaktion nach Mark Dittli und Andrea Arezina wird den Posten für ein Jahr übernehmen und steht in den Startlöchern. Das nächste grosse Projekt ist die Wahl des Genossenschaftsrats, also die Institutionalisierung der Community als unser wichtigstes Sounding Board für die Weiterentwicklung des Unternehmens. Gleichzeitig planen wir die Kampagne für die Erneuerungsphase.

«Reibungsverluste sorgen hin und wieder für Ärger oder Frust»

Wie ist momentan die Stimmung im Team?
Ich kann nicht für das Team sprechen. Ich denke, vielen geht es wie mir: Wenn uns publizistisch Aussergewöhnliches gelingt, sind wir glücklich. Gleichzeitig wäre es unehrlich zu verschweigen, dass Reibungsverluste in noch nicht festgezurrten Strukturen hin und wieder für Ärger oder Frust sorgen. Ich verneige mich vor der Ausdauer des ganzen Teams! 

Welches sind die grössten Baustellen, die Sie momentan anpacken müssen?
Auf der operativen Ebene arbeiten wir hart daran, die verschiedenen Arbeitskulturen von Journalisten, Entwicklerinnen, Community- und Marketing-Experten in einen publizistischen Weiterentwicklungsprozess zu vereinen. Das ist eine Herkulesaufgabe, die mehr Zeit in Anspruch nimmt, als wir erwartet haben. Bei dieser Reorganisation unterstützt uns Organisationsberaterin Elisabeth Michel Alder. Auf der strategischen Ebene steht die zweite Finanzierungsrunde zuoberst auf der Traktandenliste.

Sie selbst haben dieses Jahr auch ein Sabbatical gemacht. Was waren die Gründe?
Erstens: zwei Jahre Arbeit praktisch rund um die Uhr. Zweitens: die erwähnten Reibungsverluste, die mich nach dem geglückten Start der «Republik» ohne etwas Distanzgewinn zu zermürben drohten. Drittens: die Überzeugung, dass loslassen können – im Leben generell und für Start-up-Gründer speziell – zu den entscheidendsten Fähigkeiten gehört.

Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen?
Dass der Laden auch ohne mich läuft. Und dass ich gerne wieder zurückkehre.

Wenn Sie zurückschauen, was war für Sie der beste Moment in diesem Jahr?
Der Sonntag, 14. Januar um 14.59 Uhr, als die «Republik» online ging und auf ein erfreutes, wohlwollendes und interessiertes Publikum stiess. Und dass dieser Moment seither andauert.


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