02.06.2013

Erfolgreiche Frauen

"Echo der Zeit"-Redaktionsleiterin Isabelle Jacobi

"Das Echo soll keine Wadenbeisser-Sendung werden".
Erfolgreiche Frauen: "Echo der Zeit"-Redaktionsleiterin Isabelle Jacobi

Isabelle Jacobi führt die zehnköpfige Redaktion von "Echo der Zeit". Als Redaktionsleiterin ist sie dafür verantwortlich, dass die älteste Polit-Hintergrundsendung von Radio SRF auch im Internet-Zeitalter eine relevante und glaubwürdige Instanz bleibt. Im 27. Teil der Serie "Erfolgreiche Frauen" spricht die 44-Jährige über die Vorzüge der mäandrierenden Studienwahl, Marketing-Aktionen für's "Echo" und den Umgang mit Kritik.  

 

Frau Jacobi, Sie sind seit 2012 Redaktionsleiterin beim "Echo der Zeit". Wie kam es dazu?
Ich wurde berufen (lacht)! Vor meiner Beförderung arbeitete ich bereits vier Jahre lang als Produzentin beim "Echo", zudem war ich Stellvertreterin des damaligen Redaktionsleiters Markus Mugglin. Es gab also eine Kontinuität, als ich nach seiner Pensionierung diese Position übernehmen konnte.

Wie wichtig waren Netzwerke und Kontaktpflege für diesen Karriereschritt?
Netzwerke hatten hier wenig Einfluss – ich arbeite aber immerhin seit 15 Jahren bei SRF. Ich bin engagiert und einigermassen ehrgeizig. Mir selber und auch meinem Team setze ich hohe Ziele. Und ich stehe Veränderungen grundsätzlich positiv gegenüber, ich mag Bewegung. Zudem bin ich recht breit aufgestellt, was meine Kompetenzen anbelangt. Ich habe verschiedenste Fächer studiert, Journalismus, Geschichte, Englisch, Theaterwissenschaft und Wirtschaft. Ich lebte zwei Mal längere Zeit in den USA. Drei Jahre lang arbeitete ich als freie Journalistin in New York, was mein unternehmerisches Denken förderte. Das breite Wissen hilft mir heute beim Einordnen von Neuigkeiten. Sogar dass ich früher Theaterstücke schrieb – und selber Theater spielte – bringt mich im journalistischen Alltag weiter. Dass ich in Rollen mit unterschiedlichen Perspektiven denken kann, nützt mir bei politischen Analysen.

"Radiojournalistin ist mein Traumberuf", sagten Sie kürzlich in einem Interview mit medienwoche.ch. Hat es sich bereits in Ihrer Jugend abgezeichnet, dass Sie einmal beim Radio arbeiten werden?
Das Schreiben war schon immer mein Steckenpferd, seit ich sechs Jahre alt bin. Später, nach der Matura, ging ich nach Los Angeles, um Journalismus zu studieren. Doch ich schloss das Studium nicht ab, sondern startete in Bern eine andere Lebensphase: Das Literarische wurde immer wichtiger, im Studium und auf der Bühne. Nach dem Lizentiat stürzte ich mich mit Begeisterung in die Radioarbeit bei DRS2.

Welches Studium haben Sie schliesslich abgeschlossen?
Ich habe ein Lizentiat im Hauptfach Anglistik und in den Nebenfächern Schweizer Geschichte und Theaterwissenschaft sowie ein Business-Zertifikat der Columbia Universität.

Warum landeten Sie ausgerechnet beim Radio?
Radiojournalismus verbindet zwei Komponenten: Die mündliche Sprache und das Analytische. Mich fasziniert, wie ich beim Radio Denkarbeit mit einer ans Ohr gerichteten Sprache verbinden kann. Radiojournalismus ist komprimierte, klingende Komplexität. Schreiben fürs Radio – für die Mündlichkeit – hat etwas Besonderes.

Sprechen wir nochmals über Ihre Kindheit: Wie sind Sie aufgewachsen?
Ich wuchs ein Worb auf, einem Ort in der Nähe von Bern, in einem Haus mit einer sehr schönen Aussicht auf die Alpen – zusammen mit drei älteren Brüdern. Meine Eltern wohnen noch immer dort.

Wer waren Ihre Eltern?
Mein Vater war Direktor einer Holding in Bern, die u.a. Wein und Mineralwasser produzierte. Meine Mutter ist Psychologin. Beide sind jedoch heute pensioniert.

Wie leben Sie heute; haben Sie eine Familie?
Ich bin ledig und in einer Beziehung.

Hat die Tatsache, dass Sie keine Kinder haben, Ihre Karriere beeinflusst?
Kaum. Ich habe einige Freundinnen, die Kinder haben und trotzdem Karriere machen.

Die Digitalisierung führte zu einer Vervielfachung des journalistischen Angebots. Was tun Sie, damit das "Echo der Zeit" seine Position auch im Internet-Zeitalter beibehalten kann?
Das "Echo der Zeit" geniesst beim Publikum eine besondere Glaubwürdigkeit und hat einen hohen Qualitätsanspruch. Journalistische Qualität jeden Tag einzufordern, ist meine Aufgabe. Daneben ist es mein Ziel, vermehrt jüngere Leute als Echo-Hörer zu gewinnen. Ich will dazu die Sendung etwas stärker vermarkten als früher, und zwar auf eine intelligente Art und Weise. Ein Beispiel sind gelegentlich monothematische Sendungen. Im Herbst werden wir an drei Tagen live aus verschiedenen Bildungsinstitutionen senden. Wir werden das international als vorbildlich geltende Schweizer Bildungssystem durchleuchten.

Braucht es tatsächlich Spezial-Sendungen für mehr Aufmerksamkeit? Sie könnten einfach aktiver auf Ihre Primeure hinweisen, so dass das "Echo der Zeit" öfter zitiert wird und im Gespräch bleibt.
Tatsächlich könnten wir unsere Eigenleistungen etwas besser herausstreichen. Wir sind da vielleicht zu bescheiden oder zu gelassen. Diese Gelassenheit – nicht auf jeden Hype aufzuspringen – ist auf der einen Seite das Markenzeichen des "Echo der Zeit". Auf der anderen Seite verkaufen wir uns manchmal auch etwas unter unserem Wert. Ich überlege mir zudem, wie ich Social Media effizient einsetzen kann. Unsere Beiträge jeden Tag zu tweeten, bringt meiner Meinung nach nicht sehr viel. Aber spezielle Leistungen, ja.

Solche Marketing-Aktionen sind nötig, weil wegen der zunehmenden Angebotsvielfalt durch die Digitalisierung Hörerzahlen stark zurückgehen.
Es stimmt, dass wir leicht erodierende Hörerzahlen haben. Parallel zu den Hörerzahlen von Radio SRF 1 sinken auch unsere Werte über die Jahre. Doch schlecht sind sie nicht. Noch immer hört täglich mehr als eine halbe Million von Menschen das „Echo der Zeit.“ Zudem wachsen die Download-Zahlen des Podcast und auf der Webseite.

Das "Echo der Zeit" lässt sich politisch nicht verorten. Sie geben Themen oder Personen eher eine Plattform, als dass Sie kontrovers berichten. Sind Sie dennoch genug kritisch?
Wir pflegen durchaus angriffige Ansätze. Nicht jeder einzelne "Echo"-Beitrag muss in sich ausgeglichen sein, doch über eine gesamte Berichterstattung zu einem Thema ist Ausgeglichenheit sehr wichtig. Wir müssen verschiedene Perspektiven zeigen, um komplexe Realitäten auch nur annähernd vermitteln zu können. Auf gewisse Beiträge gibt es Hörer-Reaktionen. Besonders viele melden sich jeweils nach Beiträgen zum Israel-Palästina-Konflikt. Ich versuche alle Rückmeldungen zu beantworten, auch wenn sie manchmal schon sehr misslaunig sind. Doch als öffentlich-rechtlicher Sender sind wir zu Rechenschaft verpflichtet, wir müssen unsere Entscheidungen begründen können.

Sie würden aber gerne kritischer sein.
Das Echo soll keine Wadenbeisser-Sendung werden. Dies ist nicht unsere Aufgabe. Wir wollen fundiert und ruhig analysieren. Das ist unser Markenzeichen, welches unsere Hörerinnen und Hörer schätzen. Wir arbeiten aber zum Beispiel daran, unseren Expertengesprächen mehr Konturen zu geben. Wir wollen künftig noch stärker überlegen: Was ist das für ein Experte? Welche Meinung hat er? Wie argumentiert er, kann man ihm entgegen halten?

Und Sie selber, welche Pläne haben Sie persönlich für die Zukunft?
Journalismus ist meine Leidenschaft. Ich bin in meinem Beruf sehr engagiert und kann mir daher momentan keinen anderen Job vorstellen.

Interview: Edith Hollenstein

 

 

 



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