10.01.2023

Medienförderung

«Einer der grössten Vorteile ist die Zukunftsorientierung»

Weg von der gattungsgebundenen, hin zur technologieneutralen Medienförderung: Die Eidgenössische Medienkommission schlägt einen grundlegenden Systemwechsel vor. Präsidentin Anna Jobin über den Vorschlag, der allen mehr Freiheit und Handlungsspielraum bringen soll.
Medienförderung: «Einer der grössten Vorteile ist die Zukunftsorientierung»
«Eine technologieneutrale Förderung schafft mehr Freiheit und mehr Handlungsspielraum»: Anna Jobin ist Präsidentin der Eidgenössischen Medienkommission. (Bild: Keystone/Peter Schneider)
von Michèle Widmer

Frau Jobin, die Emek schlägt einen grundlegenden Wandel bei der Medienförderung vor. Warum braucht es diesen? 
Das heutige Medienfördersystem unterstützt keine journalistischen Angebote dort, wo sich die Leute seit 2018 hauptsächlich informieren – nämlich online. Wir finden aber, es muss Medienorganisationen freigestellt sein, über welche Kanäle sie ihre Recherchen oder Berichte produzieren und nach aussen tragen.

Sie wollen anstatt der jetzigen gattungsgebundenen eine technologieneutrale Medienförderung. Was sind die grössten Vorteile dieses neuen Systems?
Die grössten Vorteile sind die Zukunftsorientierung der Förderung und die betriebliche Freiheit von Medienunternehmen. Unser Förderungsvorschlag ist offen und so auch anwendbar, wenn sich in 10 oder 20 Jahren das Nutzungsverhalten nochmals verändert. Auch wenn es dann neue Technologien gibt, können journalistische Angebote immer noch gefördert werden. Deswegen schlagen wir ja auch keine spezifische Onlineförderung vor. Denn im Zeitalter der Konvergenz macht es keinen Sinn, noch immer in verschiedenen Medienkanälen zu denken und zu unterstützen.

Sie wollen die Subventionen für die Zeitungszustellung abschaffen. Einige Verlage, vor allem in den Regionen, dürften bei diesem Vorschlag um ihre Printausgaben bangen. Wie können Verlage künftig unterstützt werden?
Wir wollen die Unterstützung für Zeitungen nicht abschaffen, sondern durch eine Förderung ersetzen, welche die Verleger nicht mehr zwingt, Zeitungen herauszugeben und zu vertreiben. In einigen Kontexten mag das nach wie vor die zielbringendste Investition sein. Dann steht es jedem Medienhaus frei, die Gelder dieser technologieneutralen Medienförderung weiterhin in den Vertrieb von Printzeitungen zu stecken. Aber insgesamt schafft eine technologieneutrale Förderung mehr Freiheit und mehr Handlungsspielraum. Sie nimmt grundsätzlich niemandem etwas weg.

«Wir wollen gezielt Neugründungen fördern»

Trotz Digitalisierung bleiben die verschiedenen Mediengattungen unterschiedlich kostenintensiv. Wie wollen Sie dem gerecht werden?
Einer der Möglichkeiten, die wir auch im Bericht äussern, wäre die Übernahme eines bestimmten Prozentsatzes der Betriebskosten. Das würde auch der Tatsache Rechnung tragen, dass zum Beispiel die Kosten bei audiovisuellen Inhalten höher sind.

Der Grossteil der Medienförderung fliesst aktuell in die SRG. Eine Studie der Avenir Suisse zur Medienförderung der Zukunft benannte die SRG als «Hauptnutzniesserin» des jetzigen Systems. Warum geht die Emek im Papier nicht stärker auf die SRG ein?
Die Emek hat sich in der Vergangenheit ebenfalls schon ausführlich mit dem Service public beschäftigt und wird dies auch weiterhin tun. Der Fokus dieses Berichts liegt aber bewusst auf der Förderung von privaten Medien, die für die Medienvielfalt zentral sind und durch die wirtschaftlichen Herausforderungen besonders unter Druck sind.

Für die Vergabe zuständig sein könnte eine Stiftung oder eine Medienregulierungsbehörde. Wie stellen Sie sich das genau vor?
Es ist nicht das erste Mal, dass die Emek vorschlägt, die Vergabe von Medienfördergeldern staatsferner auszugestalten, als das heute der Fall ist. In anderen Ländern ist dafür nicht die Bundesverwaltung zuständig wie in der Schweiz. Schlussendlich geht es darum, dass eine Struktur besteht, wo die grösstmögliche Unabhängigkeit des journalistischen Schaffens gewährleistet ist und eben auch die potenzielle Gefahr einer politischen Einflussnahme auf redaktionelle Inhalte so gering wie möglich gehalten wird.

«Wir wollen, dass Journalismus auch in Zukunft dort unterstützt wird, wo er genutzt wird»

Das neue System soll die Entstehung neuer Medienangebote fördern.
Lokaljournalismus ist zurzeit am stärksten unter Druck. Das zeigt die Liste der Medien klar auf, die in den letzten 20 Jahren eingestellt werden mussten oder aufgekauft wurden. Hier wollen wir die Vielfalt stärken. Wir wollen gezielt Neugründungen fördern und andererseits die Innovation bei bestehenden Organisationen unterstützen. Es soll mehr Spielraum geben, um auf Veränderungen reagieren zu können. Wir schlagen darum eine zeitlich begrenzte Projektförderung vor. Zusätzlich zur Finanzierung soll diese Förderung auch die Vermittlung von Know-how und Coachings beinhalten. Gerade in kleineren Medienhäusern fehlen ja manchmal nicht nur die Ressourcen, sondern auch das Know-how. Deshalb kann eine solche Förderung zielbringend sein, und sie funktioniert ja bereits in anderen Ländern wie zum Beispiel den Niederlanden. 

Wie liesse sich dieser grundlegende Systemwechsel implementieren? Welche Übergangsmassnahmen wären nötig?
Es wären rechtliche Anpassungen nötig und natürlich Übergangsmassnahmen, damit sich die Medien, die im jetzigen System gefördert werden, bei Bedarf neu ausrichten können. Denkbar wäre beispielsweise ein sukzessiver Abbau der jetzigen Massnahmen parallel zu einem Aufbau des neuen Fördersystems. Denn grundsätzlich gilt: Die Emek empfiehlt zwar, das bestehende Fördersystem zu ersetzen, aber nicht die bestehenden Medien.

Die Konzepte der Emek sind als Empfehlungen zu verstehen. Wie würde sich die Schweizer Medienlandschaft entwickeln, wenn das bestehende Fördersystem erhalten bliebe? Welches Szenario sehen Sie?
Ohne Änderungen geht die Medienförderung je länger, je weiter an der tatsächlichen Mediennutzung vorbei. Das hat weitreichende Konsequenzen, nicht nur für einzelne Medienorganisationen, sondern für den Wert von Journalismus in einer Gesellschaft als Ganzes. Die Bevölkerung nutzt Medien auf vielen verschiedenen Kanälen – hauptsächlich auch online. Und wir wollen, dass Journalismus auch in Zukunft dort unterstützt wird, wo er genutzt wird.



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Kommentare

  • Raphael Weber, 16.01.2023 18:18 Uhr
    Der SRG gehören sämtliche Werbeformen verboten und den privaten sämtliche Subventionen gestrichen. Es wurde ja schon mit der letzten Konzession und der no Billag Initiative das Blaue vom Himmel versprochen und nichts davon hatte sich bewahrheitet. Remember; «TeleTop, 3 verschiedene Regional TV-Versionen», Aargau-Solothurn und Südostschweiz je deren 2. ohne Billag werden Sendungen gestrichen… hat man ja dann trotzdem. Zudem braucht es mehr vielfallt, sowie eine Anzahl «Medientitel» Obergrenze pro Verlagshaus, um weitere Subventions-Fusionittis zu beenden. Und das drucken von News auf tote Bäume gehört in Anbetracht des sinnlos verbrauchten CO2 nach Verursacherprinzip besteuert und sicher nicht auch noch in Form von Frühzustellung subventioniert.
  • Victor Brunner, 12.01.2023 08:14 Uhr
    Die Bauern begründen ihren Raubzug auf Steuergelder mit der Versorgungssicherheit. Die Medien begründen ihren Hunger auf Steuergelder mit wichtig für die Demokratie, Meinungsvielfalt und der 4. Gewalt die staatliches Handeln kontrolliert. Stimmt nichts, die Meinungsvielfalt ist nicht mehr gegegben, TAmedia, flächendeckend die Meinung aus Zürich oder der SZ in München. Staat kontrollieren, Walder/Ringier schreibt vor wie über "Bern" zu berichten ist und der Staatssender SRF "diktiert" mit seiner linken Optik die ZwangsgebührenzahlerInnen. Geld verdirbt den Charakter. Keine Steuergelder, keine Zwangsgebühren, die Konsumenten entscheiden was sie sehen oder lesen wollen und bezahlen dafür!
  • Ueli Custer, 11.01.2023 09:30 Uhr
    Kaum zu glauben: Im Jahr 2023 beruft sich der VSM auf eine seit 150! Jahren bewährte Medienförderung. Dass sich die Medienlandschaft in den letzten 20 Jahren total verändert hat, wird ausgeblendet. Wie konservativ und am Alten festhaltend darf ein Verband eigentlich sein, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren?
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