29.04.2015

Harald Schmidt

"Ich bin ein Bühnenmensch, der rein zufällig ins Fernsehen gekommen ist"

Harald Schmidt hat deutsche Fernsehgeschichte geschrieben. Seine Late-Night-Show setzte neue Massstäbe auf dem Bildschirm. Nun hat er dem Bildschirm den Rücken gekehrt und verbringt sein Frührentnerdasein als Weltenbeobachter und -interpret, aber auch als Börsenspekulant. Mit "persoenlich" sprach der 57-Jährige über seinen grössten Flop, Mohammed-Karikaturen und sein Bauarbeiterhandy.
Harald Schmidt: "Ich bin ein Bühnenmensch, der rein zufällig ins Fernsehen gekommen ist"

Herr Schmidt, Sie sind kurzfristig als Moderator beim Schweizer Fernsehen eingesprungen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Ich hatte grossen Spass. Ich kenne ja die Schweiz ein bisschen als Tourist und habe die hohe Lebensqualität Ihres Landes immer geschätzt.

Was war Ihre beste Schweiz-Erfahrung, die Sie während Ihres Aufenthaltes gemacht haben?
Die Perfektion und die Entspanntheit. Die Schweizer sind wesentlich unaufgeregter und höflicher als wir Deutschen. Das ist doch schon etwas.

Nun wird man als Superstar auch nicht angepöbelt.
Da haben Sie vollkommen recht. Und danke vielmals, dass Sie eingesehen haben, dass ich ein Superstar bin.

Wie haben Sie die Schweizer Medien wahrgenommen?
Was mir aufgefallen ist: Auch unsere Medien sind weitaus aggressiver als die Ihrigen. Das hängt sicherlich mit der Grösse des Landes zusammen, in dem alles kleiner und somit überschaubarer ist. Bei uns wird schon härter hingelangt.

Welches ist der grösste Schweizer, den Sie kennen?
Roger Federer. Roger Federer.

Nicht Roger Schawinski?
Roger Schawinski ist Kosmopolit. Er ist höchstwahrscheinlich grösser als die Schweiz.

Hat ihn die Schweiz am Ende gar nicht verdient?
(Lacht.) Oh doch, die Schweiz hat ihn mehr als verdient. Für die Thiel-Sendung hätte er in Deutschland sogar einen Preis gekriegt. Aber unter Weltstar-Aspekten kenne ich wirklich nur einen Schweizer – und das ist Roger Federer. Ich wüsste beim besten Willen nicht, wen man sonst noch erwähnen könnte.

Sie sind aktiv vom Fernsehen zurückgetreten. Haben Sie seit diesem Entscheid nie mehr aufkeimende "Fernsehgeilheit" verspürt?
Nein, niemals. Mein Rücktritt war eine aktive Entscheidung. Ich habe wirklich alles ausgelebt und habe dabei alle Sendungen, alle Formate und alle Sender ausprobiert, die es gibt. Rückblickend gesehen, war ich rund 25 Jahre für das Fernsehen tätig. Das sollte doch reichen. Es gibt wirklich nichts, was ich bereue.

Wirklich nicht?
Wirklich nicht. Für mich läuft der Motor weiter. Ich brauche das Fernsehen nicht als Plattform, um mein Publikum zu erreichen. Es genügt mir, wenn ich etwas für mich aufschreibe, um es bei einer geeigneten Gelegenheit, beispielsweise einer Talkshow, dem Publikum vorzutragen.

Das ist doch ungewöhnlich.
Überhaupt nicht. Ich war vor meiner TV-Karriere bereits achtzehn Jahre als Kabarettist unterwegs. Irgendwann hat man jede Halle im deutschsprachigen Raum gesehen. Als Konsument hat man oftmals den Eindruck, dass das Fernsehen langweiliger geworden ist. Das stimmt, früher war das Fernsehen mutiger. Heute gibt man sich handzahm, weil man sich vor jedem Flop fürchtet und glaubt, sich anschliessend nicht mehr erholen zu können. Ich habe mehrere glänzende Flops hingelegt.

Was war Ihr grösster Flop?
(Lacht.) Also Einspruch, aus meiner Sicht hatte ich keinen einzigen Flop. Das Publi- kum hat mich nur nicht richtig verstanden, aber ich habe ihm verziehen. Wenn Sie mich aber so direkt fragen, war ich vielleicht vor 25 Jahren nicht der ideale Moderator von "Verstehen Sie Spass?". Da aber die Sendung immer noch im Programm ist, war ich, rückblickend gesehen, sogar der ideale Moderator, die Sendung hat mich überlebt.

Sie waren der Nachfolger von Kurt Felix.
Nachdem Kurt Felix und Paola in 'Pension' gegangen waren, übernahm ich die Sendung Anfang der Neunzigerjahre von ihnen. Nachdem ich von dannen gegangen war, kamen Didi Hallervorden und Frank Elstner. Das Resultat kann sich sehen lassen: Die Sendung gibt es immer noch.

"Verstehen Sie Spass?" unter Kurt Felix war die erfolgreichste deutschsprachige Fernsehsendung aller Zeiten.
Unter Kurt Felix hatte 'Verstehen Sie Spass?' mehr Zuschauer als Deutschland Einwohner.

Bei Ihnen war dies nicht mehr der Fall. Woran lag es?
Die Zuschauer konnten sicherlich mit meinem Humor nichts anfangen. Ich mag mich gut erinnern, wie wir die erste Sendung live in Ludwigsburg aufgezeichnet haben. Am Vorabend habe ich in der Halle das ganze Programm bereits mit Studenten, die die Prominenten doubelten, durchgespielt. Die Vorführung war innerhalb von Minuten ausverkauft. Ich gab Vollgas, es war wirklich grossartig. Die Leute standen vor Begeisterung auf den Stühlen. That’s it: Für mich als Bühnenmensch war damit der Abend gelaufen. Mit dem Resultat, dass ich am nächsten Tag grosse Mühe hatte, um mich auf die eigentliche Sendung zu konzentrieren. Aber das ist der kleine Snobismus, den sich das deutsche Fernsehen leisten muss: Ich war Weltklasse im Saal – und die zehn Millionen Zuschauer an den Bildschirmen bekamen daneben beiläufig auch noch ein gutes Programm. Aber es war sicher nicht mehr so gut wie dasjenige im Saal. Aber ganz ernsthaft gefragt: Was kann ich dafür, wenn das deutsche Fernsehen die Generalprobe nicht überträgt?

Aber hatten Sie kein schlechtes Gewissen, als die Quote nach Kurt Felix völlig eingebrochen war?
Überhaupt nicht, die Quote ist etwas für die Arbeitsebene. Für mich war immer ausschliesslich das Gefühl entscheidend, ob ich so gut war, wie ich an jenem Abend hätte sein sollen.

Wer war Ihr Gradmesser? Ihre Familie? Ihre Kinder? Ihre Freundin oder Sie selbst?
Nein, für mich ist und war ausschliesslich die Reaktion im Saal entscheidend. Schlussendlich bin ich einfach ein Bühnenmensch, der rein zufällig ins Fernsehen gekommen ist. Ich benutzte das Fernsehen anfänglich nur aus PR-Gründen für meine Kabaretttourneen. 600 tobende Menschen an der Generalprobe in Ludwigsburg waren für mich viel wichtiger als jede TV-Quote.

Sie waren mit Ihrer Late-Night-Show auf Sat.1 lange Jahre absoluter Kult. Als Zuschauer hatte man den Eindruck, dass Sie jedes Tabu brechen. Anders gefragt: Gab es für Sie überhaupt ein Tabu?
Ja, es gibt für mich ganz klar das Grundgesetz, welches für mich und mein Humorempfinden eine natürliche Schranke bildet. Geschmacksfragen sind für mich – wie der Name sagt – Geschmacksfragen. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Aber ich lasse meine Finger von bestimmten empfindlichen Themen, wie beispielsweise Religion. Das betrifft aber alle Religionen. In diesem Bereich ist die Provokation einfach zu billig.

Hätten Sie Witze über Mohammed gemacht, wie beispielsweise Charlie Hebdo?
(Energisch.) Nein, weil mir klar gewesen wäre, welche Empfindlichkeiten ich damit tangieren würde. Islam war für mich schon vor sechs, sieben Jahren kein Thema.

Sie sind vom Fernsehen und auch vom Kabarett aktiv zurückgetreten. Wie sieht dann ein Tag im Leben von Harald Schmidt aus?
Ich fahre gegen neun Uhr morgens in mein Büro.

Sie haben immer noch ein eigenes Büro?
Ja, aber ich habe meine Studios momentan an die Kölner Oper vermietet. Dann fahre ich den Computer hoch und schaue, ob meine Börsenseite grün oder rot ist. Anschliessend surfe ich ein bisschen durchs Netz und lese gratis Zeitung. Das ist eine Entwicklung, für die ich nichts kann.

Wie viele Angestellte haben Sie noch?
Vier.

Und was machen die den ganzen Tag?
Die schauen zu, wenn die Oper probt, oder drucken für mich die hereinkommenden E-Mails aus. Ich habe ja kein Smartphone oder was Ähnliches.

Wirklich nicht?
Nein. Das ist mein Handy, ein Bauarbeiterhandy, das man aus einem Meter problemlos hinunterfallen lassen kann (Schmidt nimmt ein altes Nokia-Handy hervor und wirft es auf den Boden, dann lacht er).

Letzte Frage, Herr Schmidt. Wohin muss ich das Interview zum Gegenlesen schicken?
Ich lese keine Interviews gegen. Das wäre doch gar provinziell.

Interview: Matthias Ackeret

Bild: Keystone


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