von Edith Hollenstein
Jonas Projer soll die NZZ am Sonntag in die nächste digitale Phase führen: So begründetet die NZZ-Gruppe ihren Entscheid, anstelle von Luzi Bernet den früheren SRF-Moderator als neuen Chefredaktor zu installieren. Bernet beende seine Tätigkeit wegen «unterschiedlicher Auffassungen über die weitere Entwicklung des Blattes», hiess es in der Medienmitteilung vom Freitag (persoenlich.com berichtete).
Nun, einige Tage nach der überraschenden Neuigkeit, wird unmissverständlich: Bernets Abgang war nicht freiwillig. Wie persoenlich.com aus gut unterrichteten Quellen weiss, zeigte sich Bernet in einer internen virtuellen Mitarbeiterinformation vom Freitag sehr enttäuscht. Er habe perplex gewirkt und gesagt, er selber habe von den Vorgängen im Hintergrund nichts gewusst. «Es fühlt sich an, wie wenn man auf der Autobahn mit 200 km/h unterwegs ist und plötzlich auf null runtergebremst wird. Das geht in die Magengrube», habe der 56-Jährige gesagt.
Habe Zukunftspläne nicht vorstellen können
Bernet, der als loyaler und teamorientierter Chef von vielen Mitarbeitenden geschätzt wurde, hatte in den dreieinhalb Jahren als Chefredaktor der NZZaS mehrere Neuerungen eingeführt, etwa ein frisches Zeitungskonzept, zusätzliche Newsletters, Leserkonferenzen oder Podcast-Serien. Doch, wie ebenfalls aus der Mitarbeiterinformation hervorging, ist es ihm verwehrt geblieben, die Zukunftspläne (Projekt «Futura»), die er gemeinsam mit der gesamten NZZaS-Redaktion ausgearbeitet hatte, der NZZ-Geschäftsleitung und dem -Verwaltungsrat vorzustellen. «Es ist mir also nicht gelungen, unsere Führung davon zu überzeugen, dass wir auf dem richtigen Weg sind», habe Bernet bei der Veranstaltung gesagt.
Bernets Zukunft ist völlig offen
Das Projekt «Futura» der NZZaS hätte aufzeigen wollen, wie der Titel die von der Geschäftsleitung angepeilten Print- und Online-Ziele erreichen will. Im Sommer letzten Jahres hatte die NZZ-Gruppe bekannt gegeben, dass sie bis in zehn Jahren die Zahl der Bezahlabos auf 400'000 erhöhen will.
An dieser Zielvorgabe wird sich nun Jonas Projer orientieren müssen. Der 39-Jährige wird spätestens im September als NZZaS-Chefredaktor starten. Bernets Zukunft hingegen ist völlig offen. «Ich mache nun jetzt erst einmal ein paar Tage frei und schaue dann weiter», sagt Bernet am Samstag auf Anfrage von persoenlich.com. Weitere Details nannte er nicht, auch ein Interview lehnte er ab.
Keine Dankesworte in der NZZ
Bemerkenswert in dieser Angelegenheit ist ausserdem, wie knapp die Abschiedsworte der NZZ ausfallen. In ihrer Samstagsausgabe informierte sie «in eigener Sache». Für Bernet, der während 20 Jahren in verschiedenen, verantwortungsvollen Positionen im Haus gearbeitet hatte, wurden gerade einmal neun Zeilen eines Einspalters freigemacht. Dankesworte oder ein Lob suchten Leserinnen und Leser vergebens.
Immerhin bedankt sich NZZ-Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod in der NZZ am Sonntag für seine «hervorragenden Leistungen und sein langjähriges Engagement»: «Wir hoffen sehr, weiterhin auf seine Mitarbeit bei der NZZ-Gruppe zählen zu können».
Kommentare
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Frederic Rios, 16.03.2021 11:25 Uhr
Der Entscheid ist schwer nachvollziehbar - zumal Blick TV nun wirklich keine grandiose Neuerfindung von WebTV darstellt. Was da innovativ sein soll ist mir nicht klar. Was die bösen Kommentare zu Herrn Gujer betrifft: wer sagt denn dass der NZZ Chefredaktor in diesen Entscheidungsprozess eingebunden war? Möglich, dass die Wahl Projer aus dem Verwaltungsrat kam und die Geschäftsleitung (der auch Luzi Bernet angehörte) übergangen wurde. -
Maya Ziegler-Bodmer, 15.03.2021 23:29 Uhr
Was mit Luzi Bernet, einer respektierten und geschätzten Redaktions-Persönlichkeit, geschehen ist, ist unverständlich. Sein unermüdliches Schaffen und Wirken hat mit tief beeindruckt. Nun muss er das Zepter völlig überraschen abgeben. Der Verwaltungsrat ist auf dem Holzweg, wenn er glaubt mit dem neuen Chefredaktor die NZZ am Sonntag auf dem gleichen Niveau zu halten. Projer mag ein guter TV-Moderator sein, die Lücke von Bernet wird er niemals füllen können. Welch eine Fehlentscheidung. Das Abo habe ich bereits gekündigt.. -
Thomas Schweizer, 15.03.2021 18:50 Uhr
Jonas Projer als Chefraktor der NZZaS kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht hätte eher Guyer statt Bernet gehen müssen. Was da in der NZZ-Gruppe vor sich geht, schadet dem Qualitätsjournalismus in der Schweiz. -
Peter Eberhard, 15.03.2021 09:04 Uhr
Das man über die Weiterentwicklung der NZZaS unterschiedlicher Meinung sein kann, ist das eine. Aber dass man Luzi Bernet offenbar nicht einmal anhört, sondern auf diese Weise abserviert, ist unwürdig. Das hätte ich der NZZ-Gruppe bisher nicht zugetraut. In der ersten Verlautbarung war noch von "unterschiedlichen Ansichten zur Weiterentwicklung der NZZaS" die Rede. Das würde aber heissen, man hat miteinander geredet, was laut Bernt offenbar nicht der Fall war. Also reine Lüge. Halten jetzt personalpolitisch an der Falkenstrasse die Methoden der beiden anderen Medienhäuser Einzug? -
Hans Peter Mauchle, 15.03.2021 08:18 Uhr
Die Herabwürdigung der Leistungen von Jonas Projer durch Victor Brunner aufgrund seines Engagements bei Blick TV ist sehr unfair. Immerhin hat Projer bei SRF einen guten Job gemacht und verfügt wahrscheinlich über eine solide journalistische Ausbildung. Auch die Leistungen der ModeratorInnen von BlickTV, insbesondere von Reto Scherrer dermassen abzuqualifizieren, wird diesen JournalistInnen absolut nicht gerecht. Das Projekt BlickTV hingegen ist für mich bis jetzt nicht zufriedenstellend. So regen mich die ständigen und x-fachen Wiederholungen nach 2 bis 3 Beiträgen auf, sodass ich spätestens bei der 3.Wiederholung BlickTV verlasse. Dafür sind aber die ModeratorInnen nicht verantwortlich. -
Claude Bürki, 15.03.2021 06:58 Uhr
Gujer/Schwartz: "Klima der Angst", "Chefredaktor zum Fürchten" (Aus: Schweizer Jounalist:in). Offenbar ist da was dran. -
Robert Weingart , 14.03.2021 18:44 Uhr
Stillos. Aber in einem Laden mit Gujer wohl kein Wunder. Würde man ihn mit gleichen Ellen messen wie Bernet, wer weiss, ob er noch bei der NZZ wäre. -
Victor Brunner, 14.03.2021 18:20 Uhr
BLICK TV ist doch Biedermann-Fernsehen. Wenn das der Leistungsausweis von Projer sein soll kann man nur schmunzeln. Schnelle Schnitte, kurze Unterbrecheungen. Hyperventilieren, Moderatoren wie Reto Scherrer, total überfordert, ebenso die Moderatorinnen, auch überfordert und im Dauerstress kompetent zu erscheinen. Der Leistungsausweis von Projer, die Printausgabe des Blicks für die TV Präsentation aufzubereiten, für Leute die konsumieren wollen aber nicht bezahlen, Fastfood-TV! Der Umgang mit Bernet zeigt den Charakter von Guyer und dem VRP. Bei Guyer verständlich, Leute die ihm ebenbürtig sind haben keinen Platz an der Falkenstrasse! -
Rudolf Penzinger, 14.03.2021 15:47 Uhr
Gujer treibt es auf die Spitze.