25.06.2020

NZZ-Mediengruppe

«Strategisches Wachstum findet digital statt»

Die NZZ-Gruppe will bis in zehn Jahren die Zahl der Bezahlabos auf 400'000 erhöhen. Zuerst muss aber der Gürtel enger geschnallt werden. CEO Felix Graf und die Chefredaktoren von NZZ und NZZ am Sonntag, Eric Gujer und Luzi Bernet, über die Folgen der «Strategieschärfung».
NZZ-Mediengruppe: «Strategisches Wachstum findet digital statt»
Besprechen die Zukunft der NZZ (v.l.): NZZ-Chefredaktor Eric Gujer, Felix Graf, CEO der NZZ-Mediengruppe, und Luzi Bernet, Chefredaktor der NZZ am Sonntag. (Bild: NZZ/Annick Ramp)
von Matthias Ackeret

Herr Graf, persoenlich.com weiss: Die NZZ-Gruppe will ihre Strategie schärfen. Was heisst das genau?
Felix Graf: Fokus auf den Qualitätsjournalismus und den Nutzermarkt: Dies sind die Pfeiler unserer vor einiger Zeit formulierten Strategie im Zuge der Transformation, in der wir uns befinden. Und wir sind diesbezüglich auf gutem Wege: Das für 2022 gesetzte Ziel von 200'000 Abonnentinnen und Abonnenten werden wir voraussichtlich erreichen. Stand heute sind wir bei rund 187'000. Aber selbstverständlich haben wir auch ein langfristigeres Zielbild: Bis 2030 möchten wir 400'000 Bezahlabos haben. Um dies zu erreichen, haben wir eine Reihe von strategischen Stossrichtungen formuliert. Unter anderem: Die NZZ und die NZZ am Sonntag sollen in Zukunft über dasselbe Portal zugänglich sein. Wir haben die zentralen Komponenten unserer Angebotsstrategie definiert. Zudem entwickeln wir unser Veranstaltungsportfolio weiter. Und in Deutschland, wo wir ein grosses Potenzial für unsere Qualitätstitel sehen, bauen wir das Angebot weiter aus.

Was ist der Anlass für diese Schärfung der Unternehmensstrategie?
Graf: Wir haben geprüft, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Eine Transformation des Unternehmens angesichts des laufenden Strukturwandels ist unabdingbar. Dem Umsatzrückgang im Print-Werbemarkt müssen wir etwas entgegensetzen. Wir sind im Lesermarkt gerade in den letzten Monaten erfreulich gewachsen, aber die Einbussen im Werbemarkt können dadurch noch nicht kompensiert werden. Wir sind aber überzeugt, dass wir langfristig unsere Profitabilität über unsere journalistischen Produkte – dazu zählen wir auch unsere Veranstaltungen – sicherstellen können.

«Es wird vereinzelt auch Entlassungen geben»

Was bedeutet das konkret? Kommt es zu einem Personalabbau, wie Sie bereits früher schon einmal angetönt haben?
Graf: Im Rahmen der Transition werden wir gezielt Investitionen tätigen, aber auch Kosten von weniger als 10 Prozent senken müssen – in erster Linie beim Marketing, im Vertrieb, in den Servicebereichen sowie beim Druck und der Logistik. Dazu gehört auch ein Stellenabbau von unter 5 Prozent, den wir teilweise über natürliche Fluktuation abfedern können. Darüber hinaus wird es vereinzelt auch Entlassungen geben. Zusätzlich wollen und müssen wir auch investieren. Auch dies wird zu personellen Veränderungen führen.

Herr Gujer, Herr Bernet, welche Auswirkungen hat diese Strategieschärfung auf Ihre Publikationen?
Eric Gujer: Sie kommt allen Titeln zugute. Im Zentrum stehen nach wie vor die Qualität und Vielfalt unserer publizistischen Inhalte. Um ein Beispiel herauszugreifen: Die Etablierung eines Dachmarkenportals etwa schafft eine einheitliche, produkt- und titelübergreifende Nutzerführung und ein entsprechendes Nutzererlebnis. Damit werden die Grundlagen zur Gewinnung von neuen Abonnentengruppen geschaffen, was auch für den Werbemarkt interessant ist.

Was bedeutet eine engere Zusammenarbeit zwischen NZZ und NZZaS genau?
Luzi Bernet: Es bedeutet, dass wir in Zukunft vermehrt dort Synergien nutzen werden, wo es publizistisch und organisatorisch Sinn macht. Damit schaffen wir gezielt Mehrwert für unsere Leserinnen und Leser. Das konkrete Modell der Zusammenarbeit werden wir in den nächsten Monaten gemeinsam und unter Einbezug der Redaktionen erarbeiten. Fest steht, dass sowohl die NZZ wie auch die NZZ am Sonntag ihre jeweilige journalistische Identität, Eigenständigkeit und Positionierung beibehalten werden, um ihr Publikum weiterhin massgeschneidert bedienen zu können. Und es wird weiterhin zwei unabhängige Chefredaktionen geben. Oberstes Ziel bleiben die finanzielle Unabhängigkeit und ein konsequent kundenorientierter Qualitätsjournalismus.

«Wir haben in den letzten Jahren viel investiert»

Welche Bedeutung kommt dabei dem Digitalangebot zu, das während Corona auf grosses Interesse stiess?
Gujer: Dem Digitalangebot kommt eine zentrale Bedeutung zu. Mittelfristig bildet es den Kern unseres wirtschaftlichen Unternehmenserfolges. Wir haben in den letzten Jahren viel investiert und neue Produkte entwickelt. Mit unserer Angebotsstrategie wollen wir bewusst neue Zielgruppen und -Segmente ansprechen. Jüngstes Produktbeispiel ist der neue tägliche Podcast «NZZ Akzent». Klar ist: Strategisches Wachstum wird künftig über Digital stattfinden. Der Anteil von Printlesern, die keine Online-Produkte nutzen, liegt inzwischen bei weniger als 25 Prozent.

Wie lange, glauben Sie, wird es den Print in der jetzigen Form noch geben?
Bernet: Print ist im Wandel und wird in absehbarer Zeit nicht sterben. Die besten Chancen räumen wir einem hochwertigen, sorgfältig kuratierten Angebot ein, das einem heutigen Kundenbedürfnis entspricht.

Gujer: Geschätzt wird die Konzentration auf das Wesentliche. Die Reduktion des Umfangs der NZZ auf 32 Seiten hat primär dieses Ziel. Daneben sparen wir so auch Kosten.

Herr Gujer, gerade in Deutschland stiess das Angebot der NZZ auf steigendes Interesse. Felix Graf spricht einen Ausbau an …
Gujer: Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung und werden die Berichterstattung und unser Produktangebot in Deutschland weiter ausbauen. Die Details sind derzeit noch in Ausarbeitung.

Herr Graf, kann die Zunahme der Digitalabos den Verlust beim Print wettmachen?
Graf: Aus Lesermarktperspektive ja. Aus Werbemarktperspektive gelingt uns dies derzeit noch nicht.

«Unsere Paywall wird schrittweise optimiert und verhärtet»

Planen Sie eine stärkere Paywall?
Graf: Diesen Schritt haben wir bereits vollzogen beziehungsweise sind wir laufend dran. Unsere Paywall wird seit Anfang 2019 schrittweise optimiert und verhärtet. Wir stellen fest, dass die Bereitschaft, für Qualitätsinhalte zu bezahlen, durchaus besteht. Darum gehen wir diesen Weg weiter.

Welche Bedeutung hat für Sie die Login-Allianz?
Graf: Die NZZ-Mediengruppe ist ein aktives Mitglied der Schweizer Login-Allianz, weil wir das gemeinsame Ziel verfolgen, die Bedingungen für eine persönliche Nutzerbeziehung über ein Login zu verbessern. Die Nutzung von wertvollen Synergien innerhalb der Schweizer Medienbranche halten wir für sehr sinnvoll. Das zahlt insbesondere auch auf unsere Pay-Strategie mit ein.

Passt eine CH Media mit Ihren Radio- und vor allem TV-Produktionen im Unterhaltungsbereich überhaupt zum NZZ-Profil?
Graf: Ja, durchaus. Die Regionalmedien gehörten während vielen Jahren zum NZZ-Portfolio und waren entsprechend Teil der Unternehmensstrategie. Auch hier liegt der Fokus auf hochwertigen Inhalten. Insofern haben sich dank dem Zusammenschluss von AZ Medien und der NZZ Regionalmedien zwei ideale Partner gefunden. Die Beteiligung der NZZ-Mediengruppe an CH Media ist langfristiger Art. Die Etablierung von zwei strategischen Pfeilern – regionale Publizistik sowie Entertainment – erachten wir als optimal für die Weiterentwicklung von CH Media. Die für uns relevante Frage ist somit, ob nationales TV zu CH Media passt. Wir sind der Überzeugung: Es passt.

Und wo sieht die NZZ-Gruppe weitere Wachstumsfelder? Sie beteiligen sich ja gerade an der Architektur-Plattform ArchDaily …
Graf: Bei Architonic, unserer Online-Community für Designprodukte, konnten wir mit dem Zukauf von ArchDaily, der weltweit reichweitenstärksten Plattform für kuratierte Architekturprojekte, einen strategisch bedeutenden Schritt für die Weiterentwicklung dieser Plattformen tätigen. Beide sind hochwertig digital und passen darum gut zu unserer Marke. Der Marken-Fit ist für uns die zentrale Voraussetzung für Kooperationen jeglicher Art.

Welchen Stellenwert nehmen das Swiss Economic Forum (SEF) und Zurich Film Festival (ZFF) mittel- bis langfristig in Ihren Aktivitäten ein?
Graf: Die hochwertigen Businesskonferenzen im SEF-Portfolio – dazu gehören unter anderem auch die Real Estate Days und das Swiss International Finance Forum – sind Teil unseres Kerngeschäfts und machen somit eine wesentliche Komponente unserer Strategie aus. Und auch das ZFF ist ein einzigartiges Festival und gewissermassen vor unserer Haustür.

Werden diese beiden Veranstaltungen dieses Jahr überhaupt durchgeführt?
Graf: Ja, und das freut uns sehr. Das Swiss Economic Forum findet am 2. und 3. September erstmals in Montreux statt, und das Zurich Film Festival geht vom 24. September bis zum 4. Oktober über die Bühne – natürlich unter Einhaltung aller nötigen Hygiene- und Distanzregeln. Diesbezüglich sind wir bestens vorbereitet. Wir hoffen, dass wir mit der Durchführung der Konferenzen einen aktiven Beitrag zur Wieder-Ankurbelung der Schweizer Wirtschaft leisten können.



Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.

 



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Kommentare

  • Sebastian Renold, 25.06.2020 14:35 Uhr
    Gujer: "Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung und werden die Berichterstattung und unser Produktangebot in Deutschland weiter ausbauen." Ob die Schweizer Leser mit der fortschreitenden Germanisierung unter Gujer auch zufrieden sind? Ich habe das Abo gekündigt, als das Inland-Korrespondentennetz abgebaut wurde und einige der profiliertesten Inland-Journalisten die NZZ verlassen haben.
  • Adrian Sandmeier, 25.06.2020 11:23 Uhr
    400'000 Bezahlabos in 10 Jahren!? Warum nicht in 2 Jahren? Denkt man in der heutigen Welt, wo alles exponentiell sich verändert, noch an 10 Jahres Zielen?
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