03.10.2019

25 Jahre TeleZüri

«Man ist Teil der Wohnzimmereinrichtung»

Am 3. Oktober 1994 ging TeleZüri zum ersten Mal auf Sendung. Aushängeschild seit 20 Jahren ist Markus Gilli, heute Chefredaktor von TeleZüri, Tele M1 und TeleBärn. Ein Gespräch über Aufbruchstimmung, Atomantriebe und alte weisse Männer.
25 Jahre TeleZüri: «Man ist Teil der Wohnzimmereinrichtung»
«Wir setzen ab kommender Woche klare Schwerpunkte in unserem Programm und feiern mit unserem Publikum», so Markus Gilli, Chefredaktor TeleZüri, Tele M1 und TeleBärn. (Bild: CH Media)
von Christian Beck

Herr Gilli, 25 Jahre TeleZüri. Blasen Sie am Donnerstag 25 Kerzen aus?
Wir zünden lieber 25 neue Kerzen für TeleZüri an. Im Alter muss man mit der Lungenfunktion sorgsam umgehen …

TeleZüri feiert nicht gross. Radio 24 hingegen zelebriert am Freitag das 40-Jahr-Jubiläum auf dem Zürichsee mit Ex-Programmschaffenden. Warum so bescheiden?
Wir setzen ab kommender Woche klare Schwerpunkte in unserem Programm und feiern mit unserem Publikum. In der Serie «Für TeleZüri us de Stube» besuchen wir die treuesten Zuschauerinnen und Zuschauer unseres Senders. Zudem beleuchten wir das Gründerjahr von TeleZüri in vielen Aspekten.

«Roger Schawinski hatte wieder den Piratenbart im Gesicht»

Am 3. Oktober 1994 ging TeleZüri erstmals auf Sendung (persoenlich.com berichtete). Damals waren Sie noch bei Radio 24. Wie hatten Sie den Senderstart miterlebt?
Es herrschte Aufbruchstimmung. Radio 24 hatte die Medienlandschaft seit 1979 verändert und geprägt. Nun diese Pionierrolle auch im Bereich Fernsehen. Die Anspannung war greifbar – Nervosität, Hektik –, aber auch eine innere Befriedigung und Stolz, Zeitzeuge zu sein. Roger Schawinski hatte wieder den Piratenbart im Gesicht und dieses Funkeln in den Augen von der Zeit auf dem Pizzo Groppera.

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War das Fernsehen für Sie als Radiomacher eher Bereicherung oder Bedrohung?
Als Programmleiter von Radio 24 war ich in einer schwierigen Situation. Zahlreiche Radio-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter wechselten zu TeleZüri – das neue Medium strahlte eine grosse Faszination und magnetische Anziehungskraft aus. Als Bedrohung empfand ich das jüngste Kind in unserer Medienfamilie nicht – von der Bereicherung wurde ich schnell überzeugt. Zudem waren die Einnahmen von Radio 24 sehr wichtig für die Finanzierung des Fernsehens.

Vor 20 Jahren wechselten Sie von Radio 24 zu TeleZüri. Was reizte Sie?
Die unbändige Überzeugungskraft von Roger Schawinski … Ich liebte das angestammte Medium und konnte mir weitere Jahre bei Radio 24 vorstellen. Gleichzeitig war nach 20 Jahren Radio die Zeit für eine Veränderung gekommen.

«Ich erkannte schlagartig die Wirksamkeit des Mediums Fernsehens»

Wie war das für Sie, als man plötzlich nicht nur Ihre Stimme hörte, sondern nun auch ein Gesicht zu Markus Gilli hatte?
Ich erkannte schlagartig die Wirksamkeit des Mediums Fernsehens. Radio ist ein sehr intimes Medium – ich wurde hin und wieder an der Stimme erkannt oder mit dem Namen beim Vorweisen der Kreditkarte. TV ist frontal – man ist rasch Teil der Wohnzimmereinrichtung neben der Häkeldecke und der Zimmerpflanze und wird nach jeder Geste und Lachfalte eingestuft.

Gründer Roger Schawinski verliess 2001 den TV-Sender, nachdem er diesen verkaufte. Wie war der Austausch mit ihm?
Roger Schawinski ging nach Deutschland – gründete nachher Radio 1. Am Mittwoch war er mein Gast im «TalkTäglich» – das unbelastete Wiedersehen zweier älterer weissen Männer …

Apropos «TalkTäglich»: Sie führten in den letzten Jahren viele Talks. Welches war der schlimmste?
Mit einem angeblichen Lachdoktor aus Deutschland. Ich empfand ihn als krankhaft humorlos – er hatte mich schon beim Vorgespräch auf dem Kieker. Nach zehn Minuten gingen mir die Fragen aus – und Zuschauerinnen und Zuschauer haben auch nicht angerufen. Schon bei meinem letzten Satz riss er seine rote Pappnase runter und stürmte in Richtung Ausgang.

Und welches Interview bleibt Ihnen in bester Erinnerung?
Mich bewegen die Schicksale, von denen Menschen betroffen werden. Die Heldinnen und Helden des Alltags. Sie erzeugen Demut und die Überzeugung, dass sich im Leben schlagartig alles verändern kann. Das Gespräch mit Donghua Li nach dem Tod seines Sohnes hat mich sehr bewegt.

Beim Fernsehen passieren ja auch immer wieder Pannen. Welche bleibt unvergesslich?
Mein Einsatz beim Grounding der Swissair auf dem Flughafen Zürich. Fluchend im Disput mit bürokratischen Grenzbeamten live in den News. Ich konnte die Szene erst nach zwei Jahren anschauen.


Pleiten, Pech und Pannen, ausgestrahlt zum 20-Jahr-Jubliäum von TeleZüri vor fünf Jahren – darunter auch die von Gilli erwähnte Szene am Flughafen Zürich.

Die ersten «ZüriNews» waren alles andere als professionell: Man sah viele Nasenlöcher. Wie hat sich die Bildsprache seither verändert?
Das Team von TeleZüri leistete Pionierarbeit. Heute setzen alle Sender Videojournalistinnen und Videojournalisten ein. Die technische Entwicklung verlief rasend schnell und wurde laufend perfektioniert.

«Alle rennen im gestreckten Galopp mit Atomantrieb dem bewegten Bild hinterher»

Und wie hat sich Fernsehen machen prinzipiell verändert in dieser Zeit?
Die Konkurrenz ist mit den Anfangszeiten nicht mehr vergleichbar. Alle rennen im gestreckten Galopp mit Atomantrieb dem bewegten Bild hinterher. Doch auch im digitalen Zeitalter warne ich vor übertriebener Hektik und Hysterie. Qualität und Kompetenz müssen die Basis für unsere tägliche Arbeit sein. Eine gute Story, die unser Publikum emotional erreicht, ist 2019 identisch mit den Anforderungen in den Anfangszeiten unseres Senders.

An vorderster Front sind jeweils die Videojournalisten. Hat Sie diese Arbeit nie gereizt?
Sie leisten eine grossartige Arbeit – Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer jeden Tag an der Newsfront. Doch, dieser Job hätte mich gereizt. Eine Option für mein nächstes Leben.

TeleZüri im Jahr 2044, also in 25 Jahren: Wie wird es aussehen?
Das ist eine lange Zeitspanne in einer sehr hektischen Medienwelt. Ich bin aber überzeugt: TeleZüri wird auch den 50. Geburtstag feiern können und weiterhin erfolgreich sein. Vielleicht gibt es ja mal Gebühren … In einer globalisierten Welt wird die Region – der unmittelbare Lebensraum – immer wichtiger. Der oberflächliche und unpersönliche Tweet wird sich totlaufen, das Fernsehen als Schaufenster zum Hof – Nahsehen – wird auch in Zukunft einen wichtigen Stellenwert beim Medienkonsum haben. Unsere Inhalte müssen wir aber auf allen Kanälen – verstärkt auch digital – verbreiten.

Nächstes Jahr werden Sie 65. Sind Sie froh, dann etwas kürzer treten zu können?
Ich freue mich sehr auf diesen neuen Lebensabschnitt. Die Nachfolge bei TeleZüri ist hervorragend geregelt. Ich werde entlastet von Sitzungsterminen, Bürokratie und Finanzproblemen mit noch mehr journalistischem Elan weiterhin Talksendungen für die Regional-TV-Sender von CH Media moderieren können. Schwer fällt mir aber der Abschied von meinem Team. Meine Mitarbeitenden werden mir im Alltag fehlen. Aber im nächsten Leben bin ich ja wieder bei ihnen als VJ …



Weitere Bilder aus 25 Jahren TeleZüri erscheinen in der Oktober-Ausgabe von «persönlich».



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Kommentare

  • Victor Brunner, 03.10.2019 09:53 Uhr
    TeleZüri gibt es nicht, es gibt ein Tele Mittelland, entsprechend schwammig ist das Profil des Senders. Man will in erster Linie über das urbane Zürich berichten bekommt aber Programmvorgaben aus dem Schlafkanton Aargau. Sieht man auch in SonnTalk, da müssen Wanner-Vorgaben akzeptiert werden und Leute wie Glarner oder andere farblose Mittelland-PolitikerInnen eingeladen werden. Auch Gilli verlor seine Kanten mit den Jahren, er ist ja mittlerweile mit Chreti und Pleti per Du und wenn Blocher oder Köppel im Studio sitzen strahlt er wie ein 8jähriger an Weihnachten! Wahrscheinlich bekommt er zum 65igsten von Fischerbettwareninauwädenswilamzürichsee eine komplettes Daunenset, Kopfkissen und Duvet, gerupft von toten polnischen Gänsen, wenn Fischer die Gänse erwähnt, warum kommt mit das TT mit Irina Beller in den Sinn? Aber trotzdem MG hat seine Sache mehrheitlich gut gemacht, professionell, engagiert, unermüdlich und mit Stolz
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