07.06.2004

"Martin Kall, ist ein Regionalsplit ein geeignetes Druckmittel?"

Martin Kall (Bild) räumt auf. In den letzten zwei Jahren hat der neue CEO der Tamedia an seiner neuen Arbeitsstätte einiges bewegt: So hat er die Zahl der Mitarbeiter um einen Fünftel reduziert, aber auch Neuinvestitionen wie die Pendlerzeitung 20 Minuten getätigt. Nun will der ehemalige Ringier-Mann die Stellung von Tamedia in der Grossregion Zürich weiter stärken. Nach dem Relaunch des Tages-Anzeigers streckt er seine Fühler nach den umliegenden Regionalzeitungen aus. Quo vadis, Tamedia? "persoenlich.com" bringt einen Auszug aus dem Interview, das in voller Länge im aktuellen "persönlich rot" erscheint:
"Martin Kall, ist ein Regionalsplit ein geeignetes Druckmittel?"

Beim Kauf von 20 Minuten haben Sie eine kriegerische Sprache verwendet. Auch heute, so hört man, verwenden Sie diesen Ton, bei Gesprächen mit Zeitungsverlegern im Zürcher Ober- und Unterland. Ist dies die neue Tamedia-Kultur?

Beim Kauf von 20 Minuten haben wir Begriffe gebraucht, die Journalisten nicht unbekannt sind. Wirtschaftsjournalisten verwenden gerne Begriffe wie Kriegskasse. Aber sonst kann ich mich nicht an eine solche brachiale Ausdrucksweise erinnern.

Sie sprachen von ihren Soldaten, die in den Krieg ziehen.

Das war eine Strategie. Wir wollten 20 Minuten signalisieren, dass es uns mit unserer eigenen Pendlerzeitung sehr ernst ist. Ansonsten habe ich diese Begriffe noch nie verwendet.

Wenden Sie jetzt dieselbe Strategie an, um Regionalzeitungen wie Zürcher Ober- und Unterländer, Zürichsee-Zeitung und Landbote auf eine geeignete Weise in Ihr Boot zu holen?

Nehmen wir das Zürcher Oberland als Beispiel. Dort ist alles sehr friedlich. Seit anderthalb Jahren bin ich im Verwaltungsrat des Anzeigers von Uster, an welchem Tamedia mit 10 Prozent beteiligt ist. Dieser ist heute ein Split des Zürcher Oberländers. Mit dessen Chefs Oscar Fritschi und Peter Edelmann arbeite ich mit Vergnügen zusammen.

Wir möchten nachhaken. Wenden Sie dieselbe Strategie wie bei 20 Minuten an: Entweder Kooperation oder der Tagi greift auf dem Land an? Man hört, dass der Tagi an Regionalsplits arbeitet, mit welchen Sie aufrüsten, um noch einmal bei den "Lokalfürsten" anzuklopfen.

Ihr Wort aufrüsten erschreckt mich in diesem Zusammenhang. Im Ernst: Ich glaube nicht, dass man eine Strategie, die in der Vergangenheit erfolgreich war, einfach wiederholen kann.

Weshalb haben Sie ein Interesse an Kooperationen?

Ein Verleger sollte von seinen Konkurrenten lernen. Die NZZ zeigt uns, wie die Regionalzeitungsstrategie erfolgreich sein kann. Viele dieser Publikationen existieren seit 150 Jahren. Warum? Weil sich die Verleger durch Fusionen und Kooperationen immer wieder den Zeitabläufen angepasst haben. Der soeben zurückgetretene Oscar Fritschi hat in seiner 32-jährigen Tätigkeit als Chefredaktor des Zürcher Oberländers die Auflage von 17'000 Exemplaren auf über 43'000 gesteigert -- unter anderem durch Zukäufe und die Lancierung von Splits.

Was unternehmen Sie also, wenn es keine Kooperationen gibt? Dringen Sie mit dem Tagi in die Regionen vor mit eigenen Splits?

Ich denke, dies ist eine vernünftige Strategie. Wir werben um unsere Nachbarn, offerieren ihnen Vorteile und bieten Kooperationen an. Es steht jedem frei mitzumachen oder nicht. Ich bin überzeugt, dass Tamedia sehr gute Zusammenarbeitsmöglichkeiten anbietet. Wenn sie aber nicht mitmachen, handeln wir eigenständig. Ein Regionalsplit ist ein Weg.

Ist ein Regionalsplit überhaupt ein geeignetes Druckmittel? Immerhin hat der Tages-Anzeiger den Winterthur-Teil vor kurzem erst abgeschafft.

Sie haben eine falsche Vorstellung: Ich gehe nicht zu meinen Verlegerkollegen und drohe ihnen mit Regionalsplits. Meine Vorgehensweise ist differenzierter. Ich suche das Gespräch und erkundige mich nach Problemen. Wir berichten trotz Abschaffung der Winterthur-Seite laufend aus dieser Stadt, wo wir mit einer eigenen Redaktion vertreten sind. Die Berichte findet man im zweiten Bund, demjenigen über das Millionen-Zürich.


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