26.04.2022

SRF

«News-Leidenschaft bleibt News-Leidenschaft»

Der «Tagesschau»-Moderator Franz Fischlin verlässt das Medienhaus nach 20 Jahren im Sommer. Ein Gespräch mit dem 59-Jährigen über seine Beweggründe, seine Zukunft – und über die vielen Abgänge von SRF-Aushängeschildern in den letzten Jahren.
SRF: «News-Leidenschaft bleibt News-Leidenschaft»
«Wenn viel los war an einem Tag oder Wichtiges, Aussergewöhnliches passierte, dann schlug mein Journalistenherz am wildesten», sagt «Tagesschau»-Anchor Franz Fischlin. (Bild: SRF/Oscar Alessio)
von Tim Frei

Herr Fischlin, Ihr Abgang bei SRF kommt überraschend. Hand aufs Herz: Wie schwer ist Ihnen dieser Entscheid gefallen?
Sagen wir es so: nicht leicht. Es ist und war ein Traumjob, den ich aufgebe. Aber gleichzeitig ist es ein Entscheid, der in mir gereift ist in den letzten Jahren. Mit dem allmählichen inneren Loslassen wuchs auch die Vorfreude auf einen Neuanfang. Und jetzt passt alles. Der richtige Schritt im richtigen Moment. Weiter geht’s. 

Sie verlassen das Medienhaus im Sommer, womit Ihre 18-jährige Ära als «Tagesschau»-Moderator endet. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Kurz gesagt: Der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und auch zeitlicher Flexibilität. Für neue, eigene Projekte. Die innere Stimme, die sagt: Jetzt auf in die nächste Etappe. Nicht zuletzt aber will ich meine Familie und meine Frau (Anm. der Red.: SRF-Kulturchefin Susanne Wille), die einen sehr anspruchsvollen und verantwortungsvollen Job hat, noch mehr unterstützen. Gleichberechtigung heisst für mich auch, selber zu handeln.

Sie sind schon länger auch als Hausmann tätig. Auf was freuen Sie sich besonders? 
Noch mehr Spielraum zu haben. Privat und beruflich. Mich zum Beispiel spontan mit jemandem treffen zu können, um ein spannendes Projekt zu entwickeln, mich in eine Aufgabe zu vertiefen. Und natürlich bei jedem, aber auch wirklich jedem Musikschulabend der Kinder da zu sein oder beim Volleyball-Match mitfiebern zu können. Oder noch öfters der Einladung von Freunden zu folgen oder selber einzuladen. Die Tagesschau zu moderieren, bedeutet ja auch regelmässige Einsätze, bei denen ich spät zu Hause bin, Einsätze an den Wochenenden, an den Feiertagen. Das habe ich viele, viele Jahre gern gemacht, besonders auch, weil das Publikum mich stets getragen hat. Es war ein Privileg. Nun – nach 18 Jahren in den News – freue ich mich, mich weiterhin vielseitig beruflich und privat zu engagieren, einfach ausserhalb eines fixen und eng getakteten Dienstplanes.

«Gleichberechtigung heisst für mich auch, selber zu handeln»

SRF weht mit der Halbierungsinitiative ein rauer Wind entgegen. Inwiefern hat Sie dies in Ihren Überlegungen beeinflusst?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich beteiligte mich schon an der «No Billag»-Diskussion und wäre bereit gewesen, dies erneut zu tun. Ganz grundsätzlich bleibe ich ja genau den medienpolitischen Themen, der Debatte um Medienqualität weiterhin verbunden.

Inwiefern möchten Sie sich nach wie vor für Medienqualität engagieren? Wie bis anhin über Ihre Arbeit in verschiedenen Gremien wie dem Verein Qualität im Journalismus?
Genau. Und auch als Juror für verschiedene Medienpreise. Hier geht es letztendlich um die Debatte, die solche Preise begleiten. Um die Rolle der Medien in der Gesellschaft, um den Blick aufs Handwerk. Beim Verein Qualität im Journalismus organisieren wir ja Branchentreffen wie den Journalismustag. Geplant sind auch vermehrt Diskussionen zu aktuellen Medienthemen. Wir haben derzeit einige Wechsel im Vorstand. Nächsten Monat werden die neuen personellen Besetzungen bekannt – und später dann versuchen wir neue und weitere Aktivitäten zu lancieren. 

Sie reihen sich ein in eine Abgangswelle von SRF-Aushängeschildern. Was ist Ihre Erklärung dafür? Sind die Privaten in der Tat attraktiver geworden, wie das Stefan Bürer in einem persoenlich.com-Interview gesagt hat?
Ich glaube, es ist ein Zeichen, dass der Markt spielt. Ich erinnere mich gut an die Zeit, als ich selber mal für einen privaten TV-Anbieter arbeitete. Da war eine Aufbruchstimmung in der ganzen Medienlandschaft zu spüren. Mit dem Ende von TV3, Tele24 oder dem Schweizer Fenster von RTL/ProSieben machte sich dann aber schnell wieder eine gewisse Ernüchterung breit. Nun sind die Auswahlmöglichkeiten für Journalistinnen und Journalisten wieder grösser geworden. Umgekehrt sind ja viele tolle neue Kolleginnen und Kollegen zu uns gekommen. Der Markt spielt in beide Richtungen. Das ist doch gut so. 

Gemäss dem Blick planen Sie aber nicht, für ein anderes Verlagshaus zu arbeiten. Weshalb reizt Sie das nicht?
Ich habe sowohl für die SRG als auch für Private gearbeitet. Nun freue ich mich auf die Selbstständigkeit. Aber klar: Man soll nie nie sagen (lacht).

«Der Markt spielt in beide Richtungen. Das ist doch gut so»

Sie haben in Ihrer langjährigen Zeit als «Tagesschau»-Moderator viel erlebt: Was war Ihr persönliches Highlight?
Da habe ich sehr viele Highlights erlebt. Wenn jeweils viel los war an einem Tag oder Wichtiges, Aussergewöhnliches passierte, dann schlug natürlich mein Journalistenherz am wildesten. Unvergessen etwa die Brexit-Abstimmung, die Trump-Wahl oder auch der Beginn des Pandemie-Shutdowns.

Welche Panne werden Sie nie vergessen?
Das war in der Anfangszeit als Moderator der Hauptausgabe. Wir hatten technische Probleme und mussten nach etwa zehn Minuten die ganze Sendung abbrechen. Ich hangelte mich von Moderation zu Moderation. Kaum startete ein Beitrag, endete er auch schon. Ich versuchte zu improvisieren, aber irgendwann fiel auch mir nichts mehr ein. Das führte mir deutlich vor Augen, wie abhängig man beim Fernsehen von der Technik ist. Aber im Nachhinein kann ich darüber schmunzeln. So unangenehm eine solche Situation ist: Live is Life. Und das Publikum reagiert auch in solchen Pannen-Szenen verständnisvoll.

Zum Schluss: Wenn Sie nicht mehr im Tagesjournalismus tätig sein werden, wie wird sich Ihr Medienkonsum verändern?
Ich denke, er wird sich kaum verändern. Mein grosses Interesse am Weltgeschehen, an Politik, Sport oder auch Kultur bleibt bestehen. Und ich fürchte, dass ich ebenso viel online am Newslesen bin wie bis anhin und auch die Menge an Altpapier der Zeitungen, die dort landen, nicht kleiner wird (lacht). Newsleidenschaft bleibt Newsleidenschaft.



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