19.07.2023

Fussball-WM der Frauen

Nur die NZZ schickt niemanden nach Down Under

Am Donnerstag startet die Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen in Neuseeland und Australien. Welchen Stellenwert räumen die Redaktionen dem Turnier mit Schweizer Beteiligung ein? Eine Umfrage bei den grossen Medienhäusern.
Fussball-WM der Frauen: Nur die NZZ schickt niemanden nach Down Under
Die Chefredaktorinnen und Sportchefs der Medienhäuser äussern sich zur Fussball-WM der Frauen. (Hintergrundbild: Keystone-SDA)
von Michèle Widmer

Das Eröffnungsspiel der Fussball-WM der Frauen findet in Auckland statt. Am Donnerstag um 9 Uhr Schweizer Zeit ist Anpfiff – Gastgeber Neuseeland trifft auf Norwegen. Nachdem sich die Schweizerinnen vor vier Jahren nicht für die WM in Frankreich qualifiziert hatten, ist die hiesige Nationalmannschaft dieses Jahr mit von der Partie. Bereits am zweiten Spieltag betritt die Schweizer Mannschaft das Spielfeld gegen die Philippinen.

Das Interesse am Frauenfussball in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren verstärkt – nicht zuletzt wegen der Teilnahme der Nationalmannschaft an der Europameisterschaft vom letzten Jahr. «Der Frauenfussball hat sich über die letzten Jahre stark weiterentwickelt», sagte Sportmarketing-Experte Christian Lang damals im Interview dazu. Vor allem das ganze Drumherum habe sich professionalisiert. Auch die Qualität der Spiele sei besser geworden.

Die Medien spielen eine wichtige Rolle dabei, wie viel Aufmerksamkeit die Fussball-WM der Frauen dieses Jahr erhält. Welchen Stellenwert räumen die Redaktionen dem Wettkampf diesen Sommer ein – auch im Vergleich mit der WM der Männer in Katar vor einem halben Jahr?

SRF mit sieben Personen vor Ort

Bei SRF ist dieser Stellenwert «hoch», sagt Susan Schwaller, Chefredaktorin Sport, auf Anfrage. Wie beim Wettkampf der Männer in Katar zeigt das Medienhaus alle 64 Spiele vom Fifa Women’s World Cup 2023 auf den SRG-Sendern live und kommentiert diese auch. Auf dem Onlineportal und der SRF-Sport-App wird es eine eigene Multimedia-Rubrik sowie ein Tippspiel geben. Expertinnen kommen als tägliche Studiobegleitung zum Einsatz, und mit Fokus auf das Schweizer Nationalteam wird ein WM-Magazin zur Primetime auf SRF zwei gezeigt. SRF ist mit dem mit Abstand grössten Aufgebot vor Ort. Sieben Personen reisen nach Neuseeland und Australien. Über die gesamte SRG sind es sogar 25 Personen. Ein Grossteil der Delegation kehre nach einem allfälligen Ausscheiden des Schweizer Nationalteams zurück in die Schweiz, sagt Schwaller. Man werde jedoch bis zum Final vor Ort präsent bleiben.

Für den Tages-Anzeiger ist es matchentscheidend, dass sich die Frauen dieses Jahr qualifiziert haben. Diesem Umstand wolle man Rechnung tragen, sagt Ueli Kägi, Co-Leiter Sport. Die Mantelredaktion Tages-Anzeiger, die auch Titel wie Basler Zeitung oder BZ/Bund mit Sportinhalten beliefert, schickt eine Person nach Neuseeland und Australien. Sie bleibt dort, solange das Schweizer Team im Rennen ist.




Steffi Buchli, Chefredaktorin Sport beim Blick, nennt die Fussball-WM der Frauen «ein echtes Highlight in diesem Sportjahr». «Wir werden das Turnier breit abdecken», sagt sie auf Anfrage. Für die Redaktion vor Ort ist Fussballchef Christian Finkbeiner. Ein Teil der erweiterten Berichterstattung kommt beim Blick aus dem Newsroom, die «Blick-Kick»-Sendungen werden im TV-Studio produziert. Zum Fokus der Berichterstattung sagt Buchli: «Im Gegensatz zu früher nehmen wir als Medien die Sportlerinnen heute ernst. Mit allem, was das mit sich bringt: Wie bei den Männern vergeben wir Noten – auch ungenügende, wenn's sein muss. Das wäre früher undenkbar gewesen, ist meiner Meinung nach aber zentral für die Weiterentwicklung einer Sportart.»

Mit zwei Redaktoren ist 20 Minuten mit «exakt der gleichen Präsenz vor Ort wie bei der Männer-WM in Katar», sagt Sportchef Tobias Wedermann. Im Rahmen der personellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten wolle man so nah wie möglich an den Nationalmannschaften dran sein – bei den Männern, bei den Frauen oder kürzlich auch bei der U21. Im Vergleich mit dem Männerturnier seien die Herausforderungen für die Redaktion etwas grösser, die Begeisterung der Redaktoren vor Ort auf die Leserinnen und Leser rüberzubringen. Als Grund nennt Wedermann die Zeitverschiebung und Spiele am frühen Morgen.

Für die CH-Media-Titel wird ein Sportreporter das Turnier bis zum Final vor Ort begleiten. «Das Interesse der Leserschaft an Frauenfussball hat in den letzten Jahren stark zugenommen und damit auch der Stellenwert in der Redaktion», sagt François Schmid gegenüber persoenlich.com. Der Sportchef von CH Media blickt dabei auch in die Zukunft: «Der Trend zu mehr lizenzierten Fussballerinnen im Land ist offensichtlich und mit der Frauenfussball-EM im eigenen Land findet 2025 ein Höhepunkt in der Schweiz statt.»

Suboptimale Anspielzeiten und wenig Interesse

Bei der Neuen Zürcher Zeitung wird diese Relevanz etwas anders eingeschätzt. Die Zeitung hat als einzige grössere Zeitung keine Vertretung in Neuseeland und Australien vor Ort. Das Turnier wird von einer Redaktorin und einem Volontär von Zürich aus abgedeckt. Bei Bedarf greife man auf die Ozeanien-Korrespondentin für Geschichten aus Australien zurück, sagt Christoph Krapf, stv. Leiter vom NZZ-Sportressort. Er sieht die Zeitverschiebung als Herausforderung. «Die suboptimalen Anspielzeiten dürften sich auf das allgemeine Interesse auswirken. Obwohl sich der Frauenfussball laufend entwickelt und für den NZZ-Sport relevant ist, sind die Lesezahlen von Frauenfussball-Themen erfahrungsgemäss tiefer als bei einer Männer-WM.» Um diesem Trend entgegenzuwirken, lege man den Fokus gezielt auf «spannende und überraschende Geschichten».

Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA, die viele der oben erwähnten Medien als Kunden beliefert, hat ein Zweierteam in Neuseeland und Australien im Einsatz. In den Stadien dabei sein werden Simone Frey, die seit Dezember für die Agentur von Sydney aus berichtet, und der Fotograf Michael Buholzer, der sonst in Zürich arbeitet. Der verantwortliche Sportredaktor berichtet von der Schweiz aus und unterstützt das Team vor Ort mit fundiertem Fussballwissen. «Simone Frey ist sehr fussballbegeistert und eine passionierte Sportlerin», sagt Nicole Meier, Chefredaktorin von Keystone-SDA, dazu. Man habe ihre Bereitschaft gerne angenommen, den kurzen Weg nach Neuseeland zu fliegen und die Berichterstattung über die WM zu übernehmen.



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