25.04.2018

Reporter ohne Grenzen

Pressefreiheit in Europa bedroht

Die Schweiz platziert sich im neusten Bericht auf Rang 5 weltweit. Dies ist das beste Ergebnis seit 2002. Schlechter sieht die Situation der Medien in vielen anderen europäischen Staaten aus.
Reporter ohne Grenzen: Pressefreiheit in Europa bedroht
Um die Pressefreiheit ist es in der Schweiz nach wie vor gut bestellt, sogar besser als im vergangenen Jahr. Zu dieser Einschätzung gelangt die in Paris ansässige Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen. (Bild: Keystone)

Hetze gegen Journalisten vergiftet nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zunehmend das politische Klima in Europa. In keiner anderen Weltregion habe sich 2017 die Lage der Pressefreiheit derart verschlechtert, heisst es im Jahresbericht der Organisation, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Diese feindselige Stimmung bereite oft den Boden für Gewalt gegen Medienschaffende oder staatliche Repression, heisst es weiter.

Pressefreiheit

Vier der fünf Länder, die in der neuen ROG-Rangliste der Pressefreiheit am stärksten nach unten gerutscht sind, befinden sich in Europa: Die EU-Mitglieder Malta, Tschechien und Slowakei sowie Serbien. In diesen Ländern seien Spitzenpolitiker durch Anfeindungen, Beschimpfungen und juristische Schritte gegen Journalisten aufgefallen. Auch in so unterschiedlichen Staaten wie den USA, Indien und den Philippinen verunglimpften hochrangige Politiker, darunter auch Staatschefs, kritische Journalisten gezielt als Verräter.

Die Schweiz hat sich um zwei Plätze verbessert

An der Spitze der Rangliste mit 180 Ländern steht weiterhin Norwegen, gefolgt von Schweden, den Niederlanden und Finnland. An 5. Stelle steht die Schweiz, die sich um zwei Plätze verbessern konnte. Rang 5 ist das beste Ergebnis, das die Schweiz erzielte, seit Reporter ohne Grenzen im Jahr 2002 die erste Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht hat.

Die Stabilität der Schweiz sei begrüssenswert, heisst es im Bericht, gerade auch weil sich die Situation der Medien in vielen europäischen Ländern verschlechtert habe. Als Begründung für ihre Einschätzung der Schweizer Situation gibt Reporter ohne Grenzen mehrere Faktoren an:

1. Der wirtschaftliche Druck auf die privaten Medien, insbesondere die Printmedien, habe 2017 weiter zugenommen. Der Rückgang der Werbeeinnahmen, vor allem zugunsten der grossen «sozialen Netzwerke», widerspiegle sich in einem kontinuierlichen Rückgang der Zahl der Journalisten und einem erhöhten Stress für die Verbleibenden.

2. Die schwierige wirtschaftliche Situation habe auch dazu geführt, dass mehrere grosse Verlage ihre Redaktionen örtlich konzentriert hätten – ausgenommen die regionalen Ressorts – und Zeitungsmäntel geschaffen hätten. Genannt wird Tamedia sowohl in Bezug auf die Deutschschweiz wie auch auf die Romandie. Dies führe zu mehr Konzentration, zum Abbau von vielen Journalistenstellen und zu einem Verlust an Vielfalt. Dasselbe gelte für das Joint Venture der NZZ-Regionalzeitungen mit den Zeitungen der AZ Medien.

3. 2017 sei auch durch das Verschwinden von «L’Hebdo» nach mehr als 35 Jahren des Bestehens sowie durch die Restrukturierung von «Le Temps» geprägt worden.

4. Ausserdem sei 2017 die Fusion zwischen der Schweizerischen Depeschenagentur SDA und Keystone eingeleitet worden, die zu einem Verlust von mehreren Dutzend journalistischen Stellen und, insbesondere bei den französisch- und italienischsprachigen Redaktionen, zu einer Verschlechterung der Qualität führen dürfte. Es sei noch nicht klar, ob irgendeine Form der öffentlichen Unterstützung die Folgen dieser tiefgreifenden Umstrukturierung mildern könne.

5. Die Intensität der Debatte rund um die No-Billag-Initiative habe gezeigt, dass die SRG, ihre Finanzierung und der Umfang ihrer Aktivitäten in nie dagewesenem Masse in Frage gestellt werden. Trotz der deutlichen Ablehnung der Initiative am 4. März habe dies bereits zu einer Begrenzung der Gebühren für die SRG geführt, die sie zu Einsparungen von rund 100 Millionen Franken zwingt. Eine ähnlich heftige Debatte sei bei der Diskussion über das neue Bundesgesetz über die elektronischen Medien zu erwarten.

Die Verlierer der Rangliste

Ein Blick auf den östlichen Nachbarn der Schweiz zeigt: Österreich verlor fünf Plätze und landete noch an 9. Stelle. Deutschland ist um einen Rang auf Platz 15 vorgerückt. Schlusslichter sind Nordkorea, Eritrea und Turkmenistan.

Reporter ohne Grenzen allerdings warnt davor, die Rangierung allzu absolut zu nehmen. Denn es müsse festgehalten werden: «Um eine bessere Rangierung zu erreichen, muss sich ein Staat nicht unbedingt verbessern, es kann auch sein, dass sich die Situation in bisher weiter vorne platzierten Ländern verschlechtert hat. So hat etwa Dänemark, das in der vorjährigen Rangliste noch auf Platz 4 lag, fünf Plätze verloren, weil dort die schwedische Journalistin Kim Wall ermordet wurde», heisst es im Bericht.

Der Mörder, dem derzeit in Kopenhagen der Prozess gemacht wird, ist nach Darstellung der Ankläger allerdings ein Perverser, der sich auf den Eigenbau von U-Booten kapriziert hat. Der Journalistenmord stünde also in gar keinem journalistischen Zusammenhang. (sda/dpa/cbe)

 



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Kommentare

  • Bettina Büsser, 25.04.2018 18:13 Uhr
    Eine Bemerkung zum letzten Abschnitt: Kim Wall wurde im Zusammenhang mit ihrer Arbeit als Journalistin ermordet, sie war als Journalistin in diesem U-Boot - weshalb kommt man hier zum Schluss "Der Journalistenmord stünde also in gar keinem keinen journalistischen Zusammenhang."?
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