Die Zuspitzung von Vorwürfen zu Tatsachen in Titel und Lead von Medienberichten, die einen Sachverhalt verfälscht statt ihn auf den Punkt zu bringen, ist selbst dann unzulässig, wenn sie durch den Inhalt des Medienberichts relativiert wird. Denn bei unzulässigen Zuspitzungen erhält derjenige Teils des Publikums, das einen Medienbericht nur flüchtig zur Kenntnis nimmt, einen nicht den Tatsachen entsprechenden Eindruck. Zu diesem Schluss ist der Presserat in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme gelangt.
Im März 2000 berichtete die Zeitung La Regione mit Namensnennung des Betroffenen über die Verhaftung eines Exponenten der Tessiner Hanfszene. Der Haupttitel des Artikels lautete: "E un boss della canapa"; der Unteritel: "Il titolare di B. Chiusi altri tre negozi" und der Oberitel: "Gli inquirenti: il presidente dellassocanapa è un grande importatore". Die satirische Wochenzeitschrift Il Diavolo gelangte daraufhin an den Presserat und rügte eine Verletzung der Unschuldsvermutung. La Regione wies den Vorwürf zurück und machte u.a. geltend, das Wort "Boss" sei nicht unbedingt negativ besetzt. Aus dem Bericht gehe zudem deutlich hervor, dass es einstweilen um Vorwürfe der Strafverfolgungsbehörden gehe.