27.10.2023

Wahlen 2023

So korrigieren Medien ihre Artikel und Analysen

Wegen der Datenpanne vom Bund zeichnen zahlreiche Artikel, Analysen und Interviews ein falsches Bild über den politischen Zustand der Schweiz. Tagi, NZZ und Blick versehen ihre Onlineinhalte mit einem Hinweis, CH Media setzt auf Verlinkungen. Die SMD sieht keinen Handlungsbedarf.
Wahlen 2023: So korrigieren Medien ihre Artikel und Analysen
BFS-Direktor Georges-Simon Ulrich erklärt sich nach der Pressekonferenz vom 25. Oktober 2023 in Bern den Medien. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer)

«Die Mitte überholt die FDP – ist das ein historischer Tag für die Schweiz?», fragte die NZZ in einem Artikel einen Tag nach den Parlamentswahlen. Drei Tage später ist auf der Frontseite der Zeitung zu lesen: «Die FDP liegt nun doch vor der Mitte.» Grund für diese angepasste Schlagzeile ist ein Erhebungsfehler vom Bundesamt für Statistik. Am Mittwoch hatte der Bund die Öffentlichkeit über das Datenfiasko informiert (persoenlich.com berichtete).

Für die Medien bedeutet das: Sie müssen die Wahlen 2023 neu schreiben. Alle Artikel, Analysen oder Interviews, die die Journalistinnen und Journalisten in den drei Tagen nach der Wahl verfasst haben, basieren auf falschen Daten – und ergeben somit ein falsches Bild über den politischen Zustand der Schweiz. Die historische Panne dürfte am Mittwoch für viel Hektik in den Redaktionen und die ein oder andere Sondersitzung gesorgt haben.

Wie gehen die Redaktionen nun mit dieser besonderen Situation um? Nebst der Berichterstattung über die korrigierten Resultate und ihre Bedeutung reagiert die NZZ auf dem Onlineportal auch rückwirkend: «Alle bereits veröffentlichten Grafiken und Artikel werden mit den richtigen Resultaten versehen – und die Stellen mit einer Fussnote entsprechend gekennzeichnet», sagt Kommunikationschefin Karin Heim auf Anfrage. Und: Die NZZ will künftig wieder die Ergebnisse teils von Hand von den Kantonsdiensten und ihren Websites beziehen, um so die Ergebnisse des BFS nachprüfen zu können.


Auch der Tages-Anzeiger berichtete prominent über die Datenpanne und ihre Folgen: «Der Bund hat sich verrechnet: FDP ist nun doch vor der Mitte», lautete die Frontschlagzeile am Donnerstag. «Der peinliche Fehler des BFS hat natürlich auch Folgen für unsere Berichterstattung», sagt Tages-Anzeiger-Chefredaktorin Raphaela Birrer auf Anfrage. Darum wurde das Medium auf dem Onlineportal bereits aktiv. Die Redaktion hat bei allen Artikeln, die seit Sonntag zu den Wahlen erschienen sind, folgende Infobox eingefügt:

Der Blick hat sich für ein ähnliches Vorgehen entschieden. «Wir werden die Artikel mit einem prominenten Disclaimer versehen und herausstreichen, dass der Inhalt vor dem Bekanntwerden der BFS-Datenpanne erstellt worden ist», sagt Steffi Buchli, Chief Content Officer der Blick-Gruppe.

Die CH-Media-Titel setzen auf klärende Berichterstattung und Verlinkungen. «Uns ist wichtig, die Leserinnen und Leser über die Ursachen und Hintergründe der Datenpanne beim BFS aufzuklären, hier recherchieren wir auch weiter, denn ein solcher Fehler hätte nicht passieren dürfen», sagt CH-Media-Chefredaktor Patrik Müller auf Anfrage. Die Redaktion macht die Leserinnen und Leser durch Verlinkungen auf die nachfolgenden Entwicklungen aufmerksam. «Wir löschen keine Artikel, die auf den alten Daten des BFS beruhten», sagt Müller. Denn diese Beiträge dokumentierten den Stand der Fakten und des Wissens zum damaligen Zeitpunkt.

SMD unternimmt nichts

Nebst den Medienhäusern selbst ist auch von Interesse, wie die Schweizer Mediendatenbank mit dem Vorfall umgeht. Die SMD dient Medienschaffenden als Archiv für Inhalte der Schweizer Print- und Onlinemedien sowie der TV-Sender. Hier werden also die Artikel, die auf falschen Wahldaten basieren, teilweise noch über Jahre zur Verfügung stehen.

Die SMD hat «nichts weiter unternommen», wie es auf Anfrage heisst. CEO Roberto Nespeca erklärt im Gespräch, dass Onlinebeiträge, die jetzt von den Verlagen zum Teil mit Informationskästen ergänzt werden, automatisch angepasst werden. Voraussetzung ist, dass die bisherige URL bestehen bleibt, der Artikel aber mit einem neuen Datum publiziert wird.

Bei bereits erschienen Printbeiträgen haben Redaktionen die Möglichkeit, mit schriftlichen Korrigenda oder Richtigstellungen in nachfolgenden Publikationen zu reagieren. Zu den Wahlen gab es bei der SMD allerdings keine Änderungsanträge, welche sofort manuell ohne Publikation des Korrigendums hätten umgesetzt werden müssen, sagt Nespeca.

Nespeca sieht eine Lösung darin, dass Medien die neue Sachlage in separaten Artikeln neu thematisieren. «Ich hätte mir Sorgen gemacht, wenn der Fehler nicht medial breit aufgegriffen und die politischen Analysen nicht nachträglich berichtigt worden wären», sagt er.


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